Demo gegen Leerstand "Man muss die Wut in Aktivität umwandeln"
Überall klagen die Leute über Wohnungsnot - wie kann es sein, dass ganze Häuser da einfach brachliegen? Konkrete Zahlen, wie viel Leerstand es in Städten gibt, sind rar, aber viele kennen vor sich hin gammelnde Häuser in begehrten Vierteln von Großstädten. Die Initiative "Voll gegen Leerstand" protestiert dagegen am Samstag im Münchner Westend.
PULS: Ihr protestiert vor einem konkreten Haus im Münchner Westend - warum genau dort?
Kerem Schamberger: Dieses Haus steht für uns eigentlich nur exemplarisch für den Leerstand in München. Wir hätten uns auch das Haus gegenüber aussuchen können, das seit fünf Jahren leer steht beziehungsweise bewusst leer stehen gelassen wird, damit da der Denkmalschutz aufgehoben wird und ein Luxushotel hingebaut werden kann.
Wie viel Leerstand gibt es denn?
York Runte: Die Stadt München rühmt sich so ein bisschen damit - da geht es ausschließlich um städtischen Leerstand, den gibt es auch noch. Da gibt eine offizielle Zahl, die liegt, glaube ich, bei 0,9 Prozent. Das ist aber nicht vergleichbar, denn es gibt durchaus noch andere Städte im Bundesgebiet, wo die Quadratmetermiete ungefähr bei 3,50 Euro liegt. Und das sollte eigentlich nicht das Maß sein, mit dem man sich da vergleichen kann.
Kerem: Ein weiteres konkretes Leerstandsproblem ist, dass in München hunderttausende Quadratmeter an Bürofläche leer stehen. Unternehmen bauen sich lieber einen neuen Firmentempel und lassen die alten Räume leerstehen, weil das teilweise mehr bringt als sie im Wohnraum umzuwandeln und dann diese Wohnungen zu vermieten. Das ist wirklich ein ganz großer Posten, der in der Diskussion auch runterfällt, der leer stehende Büroraum. Da könnte man auch noch ein bisschen länger ausholen. Es gibt zum Beispiel hundertprozentige städtische Stiftungen. Wenn da ein Haus leer steht, das wird gar nicht mit aufgeführt.
Könnt ihr das Problem noch mal genauer erklären?
Kerem: Das Haus, wo das Luxushotel reinkommen soll, wurde vor zehn Jahren verkauft. Es ist 150 Jahre alt und eigentlich sehr schön. Deshalb steht es auch unter Denkmalschutz. Wenn man dieses Haus aber bis zur Renovierungsunfähigkeit verfallen lässt, darf man es abreißen und etwas Neues hinbauen. Und die Pläne sind schon fertig für dieses Haus. Da soll ein Hotel hinkommen. Da aber pro forma noch Wohnraum geschaffen werden soll, werden im obersten Stockwerk des Hotels zwei Luxuslofts für vermutlich mehrere Millionen Euro hingebaut, die sich ein normaler Münchner niemals leisten kann.
Kurz: Man lässt das Haus verrotten, damit man es wegreißen kann, ob wohl man eigentlich noch gute Bausubstanz hätte?
York: Mittlerweise hat es keine gute Bausubstanz mehr. Die Fenster sind bewusst offen gelassen worden. Es sind Tauben drin, es hat reingeregnet. Ich würde sagen, jetzt ist es traurigerweise in einem Zustand, in dem es wirklich abgerissen werden muss. Und wir treten aber dafür ein, dass da nicht noch ein Hotel, noch eine Glockenbachsuite hinkommt. Sondern dass dort Wohnraum geschaffen wird, jenseits von Profitinteressen. Also Wohnungen, in denen normale Menschen und nicht irgendwelche Millionäre wohnen können.
Bei dem Motto "Voll gegen Leerstand" könnte man meinen, ihr marschiert da mit viel Alkohol auf und fangt an rumzupöbeln. Was habt ihr vor?
York: Wir haben ja einen Flyer dazu gemacht - den haben wir auch in den Haushalten im Westend eingeworfen, da wird vorgeschlagen, dass die Leute sich dort am Samstag einfinden können. Und da wollen wir gemeinsam darüber reden, was man mit solchen Häusern machen könnte und was die Leute damit machen würden, wenn sie was zu sagen hätten. Diese Alternativen interessieren uns.
Was könntet ihr euch denn vorstellen?
York: Naja, ich würde mal sagen, man darf es zumindest nicht dauerhaft Spekulanten überlassen, wann sie es für nötig erachten, wann sie den meisten Profit davon erhalten. Dafür gibt es zu wenig Leerstand.
Wäre die Idee dann eine Zwischennutzung?
Kerem: Also ich finde, wir sind inzwischen nicht nur in München, sondern in allen Großstädten an einem Punkt angekommen, an dem man wirklich über die Eigentumsrechte der Besitzer diskutieren müsste. Das Eigentumsrecht der Besitzer führt momentan dazu, dass sich viele Leute Wohnungen nicht mehr leisten können. Und hier ist auch die Stadt und das Land gefragt. Aber vor allem ist die Bundesregierung gefragt, dort Schnitte zu machen und zu sagen: Nein, Eigentum ist nicht immer geschützt. Und zwar dann nicht, wenn Leute darunter leiden. Es gibt ja auch im Grundgesetz die Klausel: Eigentum verpflichtet. Und hier sind wir endlich mal für die Anwendung dieser Klausel, dass die Leute dazu gezwungen werden, Wohnraum zu schaffen - und zwar günstigen Wohnraum und nicht eine neue Eigentumswohnung, die man sich dann aus Spekulationsgründen kauft, während man eigentlich in Moskau, in Hamburg oder in Paris wohnt.
Wie ist der Rückhalt aus den Vierteln, in denen ihr aktiv seid?
Kerem: Wenn wir mit den Leuten auf der Straße reden, dann merken wir, dass die Wut groß ist. Die Leute sind empört, weil es sie ganz konkret betrifft. Am Monatsanfang sehen sie: Scheiße, schon wieder 1.000 Euro für die Miete draufgegangen. Die Wut ist also groß. Woran es noch hapert: Diese Wut in Aktivität umzuwandeln und nicht nur in Rumgranteln. Sondern zu sagen: Ich mach da jetzt auch was dagegen. Natürlich: So eine Aktion wird den Mietmarkt nicht entspannen. Aber wenn wir nicht auf die Straße gehen und wenn wir die Leute aus den Vierteln nicht dazu bringen, gegen die Situation zu protestieren, dann wird sich gar nichts ändern. Also zusammengefasst: Die Wut ist groß, die Unterstützung ist da und wenn viele zur Demo kommen, dann hat das Motto "Voll gegen Leerstand" bei mir am Abend auch noch eine andere Bedeutung.
Die Kundgebung gegen den Leerstand des Schnitzelhauses findet am Samstag, den 10. September an der Kreuzung Schwanthaler-/Schießstättstraße zwischen 11 und 17 Uhr statt.