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Bewertungen im Internet Online-Shopping: Fake-Bewertungen erkennen

Gekaufte Kunden-Bewertungen für Hotels, Ärztinnen oder Anwälte? Warum wir Sternen und Rezensionen nie blind vertrauen sollten und wie wir Fake-Rezensionen im Internet erkennen können...

Stand: 13.02.2024 09:37 Uhr

Frau mit Laptop in der Hand | Bild: mauritius images / Westend61 / Kniel Synnatzschke

Woran erkenne ich falsche Bewertungen?

  • Echte Bewertungen sind meist einfach. Achten Sie auf den Sprachstil der Bewertung. Normalerweise schildert ein Käufer seinen ganz persönlichen Eindruck von dem Produkt - er ist kein Experte mit tiefgehendem Fachwissen.
  • Echte Bewertungen sind kurz und prägnant. Wer hat schon Zeit und Lust, einen endlosen Text über ein gekauftes Produkt zu verfassen?
  • Wer steckt hinter der Bewertung? Hat der Kunde, der die Bewertung geschrieben hat, auch zehn andere Staubsauger bewertet oder alle Produkte mit 5 Sternen bewertet, dann ist es vermutlich ein Fake. Echte Kunden bewerten ganz verschiedene Produkte über einen längeren Zeitraum hinweg.
  • Viele Bewertungen sind besser als wenige. Hat ein Produkt sehr wenige Bewertungen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass gekaufte Kunden die Rezensionen geschrieben haben.
  • Stimmen mehrere negative Bewertungen überein? Wenn einige User den gleichen Punkt an einem Produkt kritisieren, ist es wahrscheinlich, dass dies ein echter Mangel ist.
  • Suchen Sie nach ausgewogenen Kommentaren. Achten Sie auf Bewertungen, in denen positive und negative Argumente gegenüber gestellt werden. Suchen Sie nach Rezensionen, die weder sehr schlecht noch sehr gut ausfallen. Bei mittleren Bewertungen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie echt sind.
  • Im übrigen werden auch negative Kommentare gekauft. Das passiert natürlich um die Konkurrenz schlecht dastehen zu lassen. Seien Sie deshalb nicht nur bei zu positiven sondern auch bei sehr negativen Kommentaren skeptisch.

Verbraucherzentralen empfehlen zudem, sich nicht auf Bewertungen im Netz zu verlassen, sondern professionellen und unabhängigen Testern, wie Stiftung Warentest, zu vertrauen.

Online-Bewertungen 2023

Das Team Marktbeobachtung des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) hat 2023 erneut 30 Webseiten untersucht, auf denen sich Online-Bewertungen finden. 27 der Seiten setzen bestehende Informationspflichten und Regelungen nicht oder nicht ausreichend um. So finden sich zum Beispiel keine oder nur unzureichende Informationen, woher die Bewertungen stammen oder wie deren Echtheit überprüft wird. Um Verbraucherinnen und Verbraucher besser zu schützen, sind Anbieter seit Mai 2022 verpflichtet, auf ihrer Seite anzugeben, ob und wie sie sicherstellen, dass Bewertungen von echten Menschen stammen, die das Produkt oder die Dienstleistung tatsächlich gekauft haben. Der vzbv hat Anbieter bereits abgemahnt und prüft die Einleitung von weiteren Unterlassungsverfahren.

Fake-Bewertungen von professionellen Agenturen

Hinter Fake- Bewertungen von Restaurants oder Ärzten im Internet stecken oft professionelle Agenturen, das zeigten Recherchen von BR und Plusminus (ARD) Anfang Februar 2022. Diese Agenturen operieren meist anonym oder vom Ausland aus. Mehr dazu bei BR24.

Schon 2020 wurde Server mit Fake-Bewertungen entdeckt

Dass User-Bewertungen im Internet mit Vorsicht zu genießen sind, wissen wohl die meisten von uns. Aber das Ausmaß an gefälschten Amazon-Rezensionen, das der IT-Nachrichtendienst heise online Ende 2020 aufgedeckt hat, machte dann doch ziemlich fassungslos: Mehr als 7.000 dubiose Fünf-Sterne-Bewertungen für verschiedenste Produkte fanden die Redakteure auf den Tipp eines Informanten hin auf einem Server im Internet. Laut Stichproben alle verfasst zugunsten von Händlern mit Sitz in China. Offenbar "gekaufte" Bewertungen.

Handel mit fingierten Kunden-Bewertungen - organisiert über Telegram-Gruppen

Und das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs. Bei ihrer Recherche stießen die Redakteure auf zahlreiche Gruppen im Messenger-Dienst Telegram, über die die Fake-Bewertungen organisiert werden: Vermittler, sogenannte "Agenten", stellen reihenweise Produkte von Amazon-Verkäufern (Mode, Elektronik etc.) zu einem Preis bis 50 Euro zur Auswahl; interessierte "Kunden" wählen aus und bekommen für eine Fünf-Sterne-Rezension den vollen Kaufpreis per Paypal erstattet - eine Info an den Agenten mit Bestellnummer und Screenshot der Bewertung genügen. Damit nicht genug: In vielen Telegram-Gruppen "vermitteln" nicht mehr echte Menschen diese "Jobs", sondern nur mehr bots, also Computerprogramme. Was die Vermutung nahe legt, dass das wahre Ausmaß dieser Art von Handel noch viel größer sein dürfte.

Nicht nur für Kunden, auch für den großen Onlinehändler ein großes Problem. Das allerdings nicht einfach in den Griff zu bekommen ist, wie auch die Stiftung Warentest in einer Untersuchung festgestellt hat (6/2020):

Stiftung Warentest: "Kunden"-Bewertungen oft unseriös

Wie gut andere etwa den Fernseher fanden, den wir uns kaufen wollen, beeinflusst unsere Kaufentscheidung. Das wissen auch Händler und Dienstleister, und einige nutzen daher auch gerne die Hilfe von speziellen Agenturen: Diese bezahlen User dafür, bestimmte Produkte oder Dienstleistungen zu kaufen, zu testen und danach eine Bewertung darüber zu schreiben. Das allein wäre nicht unbedingt verwerflich; problematisch wird es allerdings, wenn die Produkttester nicht frei urteilen können, sondern positive Bewertungen abliefern müssen.

Genau das haben die Mitarbeiter der Stiftung Warentest erlebt, die für einen Test (6/2020) undercover für sieben verschiedene dieser Agenturen gearbeitet haben: Bei zwei Dritteln der abgelieferten Bewertungen wurde - zum Teil mit finanziellem Druck - versucht, Einfluss auf die Bewertung zu nehmen.

So werden die Bewertungen manipuliert

Nur 3 Sterne in der Bewertung? Das war den Agenturen in einem Viertel der Fälle nicht genug. Mehr Sterne und weg mit den negativen Bemerkungen, sonst gibt's kein Geld - nicht mal den Kaufpreis, den die Produkttester meist erstmal auslegen müssen, wie das folgende Beispiel zeigt:

Antwort der Agentur Lutendo auf eine 3-Sterne-Bewertung

"Können Sie uns helfen, auf 4 oder 5 Sterne umzusteigen? Wir erstatten Ihnen (den Kaufpreis, Anm. der Redaktion) sofort nach dem Umstieg auf 4 oder 5 Sterne. Vielen Dank"

Bei anderen "Aufträgen" sollten die Produkttester Bewertungen schreiben für Produkte, die sie nur auf einem Bild gesehen hatten oder auch bestimmte Rezensionen anderer User als "nützlich" bewerten - was wiederum die Sternebewertung des zugehörigen Produkts positiv beeinflusst.

Warum wir auch Amazons Sternen nicht blind vertrauen sollten

Selbst Amazon ist gegen manche Manipulationen machtlos.

Internetanbieter wie Amazon versuchen zwar, gegen diesen Bewertungsschwindel  vorzugehen. Aber gleichzeitig ist der Algorithmus, der hinter der Sterne-Bewertung steckt, nicht gefeit vor Manipulation, wie die Stiftung Warentest festgestellt hat.

Die Anzahl der Sterne bildet nämlich nicht etwa einen Durchschnitt der abgegebenen Bewertungen ab - sondern hängt unter anderem davon ab, wie viele verifizierte (gesicherte) Käufe ein Produkt hat und ob viele User die zugehörigen Bewertungen nützlich fanden. Das allerdings entspricht genau der Praxis der Agenturen, und deshalb sollten wir den Sternen allein ebenso wenig vertrauen wie den darauf basierenden Auszeichnungen "Amazon's Choice" oder "Bestseller".

Viele von uns haben schon mal online im Ausland eingekauft, ohne es zu merken. Wann das kompliziert und vor allem teuer für uns werden kann, lesen Sie hier: Online Einkaufen im Ausland - So vermeiden Sie teure Retouren.


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