Sulfite Was macht der Schwefel im Wein?
Wein soll so naturnah wie möglich sein. Ohne künstliche Zusätze und chemische Mittel im Weinberg. Den Preis dafür wollen viele Verbraucher aber nicht zahlen. Dabei werden gerade Billigweine mit vielen Tricks aufgehübscht.
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Mitten in der unterfränkischen Mainschleife, der so genannten Weininsel, liegt das Örtchen Nordheim. Nordheim gilt als größte Weingemeinde im Anbaugebiet Franken. Und hier liegt auch das Weingut von Manfred Rothe. Er ist Biowinzer seit 35 Jahren: "Wir haben einfach nur beobachtet, ob das funktioniert. Und am Anfang hat es ja auch nicht so richtig gut ausgeschaut, weil keiner von uns ökologischen Landbau gelernt hat. Wir waren Autodidakten." Aber Manfred Rothe hat es vom "Ökospinner" zum angesehenen und experimentierfreudigen Pionier im ökologischen Weinbau geschafft.
Ein Fünftel der Winzer in Franken, heißt es seitens des fränkischen Weinbauverbands, arbeiten mittlerweile naturnah. Wobei nur 13 Prozent tatsächlich biozertifiziert sind und etwa vier Prozent gerade im Übergang. Die restlichen drei Prozent arbeiten naturnah, ohne Zertifizierung. "Jeder, der heute eine Berufsausbildung in der Landwirtschaft macht, wird mit ökologischen Landbau konfrontiert und so auch die Winzer", sagt Manfred Rothe, "und dann entscheidet jeder selber, wie er seinen Betrieb führt. Gerade in den jungen Betrieben ist nicht die Frage öko oder nicht öko, sondern wann."
Welche Pflanzenschutzmittel dürfen Winzer verwenden?
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Südöstlich der Mainschleife liegt Greuth, ein Stadtteil von Castell, im Landkreis Kitzingen. Hier arbeitet die 26-jährige Jungwinzerin Carolin Meyer im elterlichen Betrieb. Sie ist Technikerin für Weinbau und Oenologie und amtierte noch bis Mai 2022 als 64. Fränkische Weinkönigin: "Es ist bei uns zum Beispiel so, dass wir schon seit über 20 Jahren keine Mineraldünger mehr verwenden. Schon seit über 20 Jahren keine Herbizide mehr. Das Thema Pflanzenschutz ist aber ein Thema. Pflanzen muss man schützen, egal ob bio oder konventionell. Das ist schon ein Thema, das mich immer umtreibt und bewegt."
Bei den Herbiziden, also den Unkrautvernichtungsmitteln, sind mittlerweile zumindest glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel in Wasserschutzgebieten verboten und auch das Ausbringen von bienengefährdenden Pflanzenschutzmitteln ist gesetzlich eingeschränkt worden - auch wenn diese Maßnahmen Umweltschützern beileibe nicht weit genug gehen. Dafür braucht es aber Blühflächen zwischen den Weinreben, so dass allein dadurch der großflächige Einsatz von Herbiziden keinen Sinn macht.
Gerade bei den Insektiziden hat sich in den letzten Jahren einiges getan, erklärt Hermann Schmitt, Geschäftsführer des fränkischen Weinbauverbands, am Beispiel der Bekämpfung des Traubenwicklers: "Wir haben da andere Methoden wie die Pheromon-Methode, also die Verwirrmethode, wo wir die Männchen verwirren, damit die eben kein Weibchen finden."
Was tun Winzer gegen Pilzkrankheiten?
Die größte Gefahr beim Weinbau sind Pilze. Vor allem Mehltau macht den Winzern weltweit zu schaffen, insbesondere natürlich in eher feuchteren Klimaregionen wie Deutschland. Gegen falschen (Peronospora) und echten (Oidium) Mehltau werden entsprechende Fungizide eingesetzt. Über 30 Mittel sind EU-weit zugelassen.
Vielversprechende natürliche Alternativen zu den herkömmlichen Fungiziden gibt es nicht, sieht man einmal von eher vorbeugenden Mitteln wie Backpulver-Präparaten ab. Allerdings forscht man zum Beispiel an der Landesanstalt für Weinbau in Veitshöchheim auch an Rebsorten, die widerstandsfähiger sind als die derzeit weit verbreiteten: Pilzwiderstandsfähige Sorten, kurz PIWIS. "Das sind neue Rebsorten wie Muscaris oder Souvignier Gris oder Calardis", erklärt Hermann Schmitt vom fränkischen Weinbauverband, "Neuzüchtungen, die für uns vielleicht auch zukünftig interessant sind."
Warum wird im Weinbau Kupfer verwendet?
Auch in der Ökolandwirtschaft bleiben zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten nur kupferhaltige Präparate. Natürlich ist Kupfer ein Spurenelement, das auch im Boden benötigt wird, aber es ist eben auch giftig. Ganz ohne müssten gerade Biowinzer mit ganz erheblichen Einbußen oder gar Totalausfällen rechnen. 2021 war beispielsweise für den Ökolandbau eine Katastrophe: zu feucht, zu viele Niederschläge und ideal für die Ausbreitung von Pilzkrankheiten.
"Kupfer ist fischgiftig, und jeder, der an seinem Haus eine Kupferdachrinne hat, darf niemals einen Bio-Winzer angreifen, weil der Kupfer in seinem Weinberg herausbringt", sagt Manfred Rothe aus Nordheim. "Wichtig ist, dass wir mit dem, was wir haben, sehr vorsichtig und einfach verantwortungsbewusst umgehen. Ich muss wissen, es gibt kein Öko-Weinbau ohne Kupfer." Lange Zeit galten phosphorige Säuren bzw. Phosphonsäuren, die als Pflanzenstärkungsmittel eingesetzt wurden, als gute Alternative zum Kupfereinsatz. Seit 2014 sind in der EU solche Präparate allerdings verboten - sehr zum Ärger vieler Biowinzer.
Was bedeutet "Erzeugerabfüllung"?
Mehr als die Hälfte des Weins, der in Deutschland verkauft wird, kommt nicht von Winzern, die ihre eigenen Trauben verarbeiten. Was auf dem Etikett als "Erzeugerabfüllung" oder "Gutsabfüllung“ gekennzeichnet würde. Marktbeherrschend sind Großkellereien, die Kellertrauben national wie international zukaufen und daraus dann Weine kreieren, die speziell für den Massenmarkt gedacht sind. In Deutschland werden etwa 80 Prozent aller Weine mittlerweile über Discounter und Supermärkte verkauft. Dabei werden auch Weine für das benachbarte Ausland und Übersee (USA) produziert.
Diese Großanbieter sind meist über ihre Weinmarken bekannt, die natürlich auch beworben werden. Mit geschätzten 300 Millionen Liter Absatz gilt beispielsweise Peter Mertes aus Rheinland-Pfalz als führend unter den deutschen Großkellereien. Das familiengeführte Unternehmen vertreibt beispielsweise die Weinmarken BREE, Maybach, Käfer oder Deinhard-Sekt. Auch die Weine, die unter dem Label "Günther Jauch" beim Discounter ALDI verkauft wurden, stammen aus dieser Großkellerei. Auch ganz vorn dabei ist die EDEKA-Gruppe, mit der Rheinberg-Kellerei in Bingen am Rhein.
Weine für den Massengeschmack müssen standardisiert sein. Aus ganz unterschiedlichen Trauben und unter Zuhilfenahme erlaubter Zutaten, werden so meist sehr harmonische und immer gleich schmeckende Weine kreiert. Das nennt man Blending und ist auch eine Kunst für sich, da hier nicht nur Kellermeister, sondern auch Marketing-Experten an der Produktentwicklung beteiligt sind. Eines wollen und sollen diese Weine gar nicht haben: Charakter oder Ecken und Kanten. Und es muss für jeden Geldbeutel ein entsprechendes Angebot geben. Vom Weinkarton bis zur Flasche mit dem edel aussehenden Etikett.
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Warum kommt Sulfit in den Wein?
Wein gilt als Genussmittel und nicht als Lebensmittel. Ein feiner, aber entscheidender Unterschied. Denn damit muss auch nicht alles auf dem Etikett stehen, was bei der Produktion an Hilfsmitteln eingesetzt worden ist. Über 50 Zutaten sind laut EU erlaubt und zugelassen, nicht alle sind am Ende des Gärungsprozesses auch noch im Wein enthalten beziehungsweise nachweisbar. Aber sind diese Stoffe deshalb unerheblich? Gerade für Allergiker und auch Veganer wohl kaum.
Aktuell heftig diskutiert, gerade im Hinblick auf naturnahe Weine, wird beispielsweise der Einsatz von Schwefel. Sulfite kommen zwar ganz natürlich im Wein vor, allerdings werden sie auch zugesetzt. Vor allem als Konservierungsmittel. Sulfite hemmen die Gärung des Weins, der dann nicht so schnell oxidiert und zudem länger gelagert werden kann. Schwefel ist auch für die Sensorik nicht unwichtig. Ganz darauf zu verzichten, ist deshalb nicht jedermanns Sache. "Davon bin ich persönlich stilistisch einfach kein Fan", sagt Jungwinzerin Carolin Meyer, "ich glaube auch, dass das Thema Schwefel so gering ist. Wenn man jetzt Rosinen isst, getrocknete Früchte, dann ist da so viel Schwefel dabei, da ist eigentlich eine Flasche Wein das geringste Übel". Liegt der Schwefel, der zugesetzt wird, unter 10 Milligramm pro Liter, muss das nicht auf der Flasche stehen. Darüber reicht der Hinweis "enthält Sulfite".
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Was ist dran an veganem Wein?
Nicht nur Sulfite können Allergikern zu schaffen machen. Auch die Zugabe von Zitronensäure oder Ascorbinsäure ist erlaubt oder der Einsatz von Hühnereiweißen, um die Gerbstoff zu verringern und die Tannine in Rotweinen gefälliger zu machen. Am Ende des Gärungsprozesses wird der Wein geschönt. Damit er klar wird, werden alle Schwebteilchen und Partikel, die den Wein eintrüben, entfernt. Auch ganz natürliche Trübungen, die durch Hefe, Kristalle oder Bakterien verursacht werden. Zum Beispiel wird bei der Filtrationstechnik auch die "Hausenblase" (Fischblase) eingesetzt. Neben Gelatine, Milcheiweißen oder Eipulver (Albumin). Am Ende werden diese Stoffe zwar wieder abgezogen, aber sie waren nun einmal Teil des önologischen Verfahrens.
Bestimmte allergene, tierische Stoffe, wie Eialbumin oder Milcheiweiß (Kasein), müssen zwar angegeben werden, aber andere tierische Zutaten eben nicht. Für Veganer ist das ein echtes Problem, da nicht überall das Label "vegan" auf den Etiketten zu sehen ist. Dabei gibt es mit Erbsenproteinen, Aktivkohle oder Bentonit (Tonmineralien) Alternativen zu den eingesetzten tierischen Stoffen, auch wenn das Handling in der Praxis gerade bei Bentonit aufwändiger ist.
Gibt es auch Weine ohne Zusatzstoffe?
Neben Naturhefen werden mittlerweile auch Aromahefen eingesetzt, um beispielsweise bestimmte Geschmacks- und Geruchsnoten in die Weine zu bekommen. Zudem werden Enzyme, Zucker (Aufzuckern) oder Tannine in Pulverform verwendet. Mit Eichenholzchips wird die Reife im Barriquefass nachgeahmt und auch natürliche Farbstoffe aus Trauben sind erlaubt. Je nachdem, was der Baukasten hergibt.
Aber es geht auch anders. Dafür braucht es aber als Ausgangsmaterial beste Traubenqualität, sagt Winzerin Carolin Meyer aus Greuth-Castell:
"Wir lesen bei uns zuhause alle Trauben mit der Hand. Dadurch bekommen wir eigentlich immer 100 Prozent gesunde Trauben in den Keller. Und ich muss eigentlich nichts mehr zusetzen, weil ich das perfekte Ausgangsmaterial habe."
Carolin Meyer, Winzerin aus Greuth-Castell
Biowinzer Manfred Rothe aus Nordheim in Unterfranken fügt hinzu: "Es gibt auch keine leichten und keine schweren Weine, sondern es gibt nur Weine, die mich nicht belasten - und alles, was mich nicht belastet, tut mir gut."
Steht der Riesling vor dem Aus?
Der Klimawandel macht auch den deutschen Weinanbaugebieten zu schaffen. Schon vor 20 Jahren waren in Franken erste Anzeichen zu erkennen, die mittlerweile gerade in den Trockenjahren 2018 bis 2020 deutlicher zutage treten. "Wir beschäftigen uns mit neuen Rebsorten. Wobei natürlich ‚neue Rebsorten‘ immer relativ ist", sagt Hermann Schmitt vom fränkischen Weinbauverband, "denn die Rebsorten, die für uns zukünftig in Frage kommen, werden heute schon angebaut, eben weiter südlich, zum Beispiel in Italien oder auch in Südfrankreich." Derzeit kommt Franken mit dem Klimawandel noch sehr gut zurecht.
Das Aushängeschild des deutschen Weinbaus, der Riesling, kommt beispielsweise mit den klimatischen Veränderungen hierzulande weniger gut zurecht. Die langsam reifende Rebsorte war ideal für klimatisch kühlere Weinanbaugebiete, wie Deutschland oder auch das Elsass. Weil es durchweg wärmer wird, verändert sich zusehends auch der Geschmack des Rieslings. Leider nicht zu seinem Vorteil - was zur Folge haben könnte, dass immer mehr Winzer auf andere Sorten umsteigen. Für den Silvaner, sagt Hermann Schmitt, die kulturprägende Rebe Frankens gilt das nicht: "Der Silvaner profitiert bislang eher vom veränderten Klima wie auch die gesamte fränkische Anbauregion. In den letzten Jahren. Aber insgesamt ist das für den gesamten Weinanbau eine enorme Herausforderung."
Wie viel darf guter Wein kosten?
Bis vor ein paar Jahren galt noch die Faustregel: Unter fünf Euro sollte man bei Wein keine Qualitätsansprüche stellen. Mittlerweile, hat die BR-Weinexpertin und Sommelière Conny Ganß festgestellt, hat sich das Preisgefüge leicht verschoben:
"Sieben Euro, aber da habe ich eine schöne Bandbreite. Sieben Euro, sollte man in der heutigen Zeit sagen, ist die Grenze. Und da habe ich aber dann wirklich was für mein Geld."
Conny Ganß, Sommelière und BR-Weinexpertin
Viele Verbraucher sind aber auch wenn sie es sich leisten können, nicht bereit, so viel Geld für eine gute Flasche Wein hinzulegen.
Erzeugerabfüllung und vor allem Qualität vom Weinberg bis in den Keller haben aber ihren Preis, sagt Jungwinzerin Carolin Meyer:
"Großer, wunder Punkt auch bei mir. Für Weine, die eine Seele haben, wo eine Winzerfamilie dahinter steht, muss auch ein höherer Preis bezahlen werden. Und das finde ich ein bisschen schade. Ich habe ein Praktikum gemacht in Südtirol, in meiner Ausbildungszeit. Da war das selbstverständlich, dass man für ein gutes, handwerklich gemachtes Produkt, für Geschmack auch Geld ausgibt. Und da würde ich mir eigentlich in Deutschland wünschen, dass wir da noch ein bisschen mehr bereit dazu sind."
Carolin Meyer, Winzerin aus Greuth-Castell
Letztlich, sagt Bionwinzer Manfred Rothe, entscheidet dann der Geschmack: "Es ist wichtig, dass zum Schluss ein Produkt entsteht, das schmeckt und gut ist. Wieso soll ich eine Flasche Wein kaufen, die mir nicht schmeckt? Nur weil sie öko ist? Sicher nicht."
Quellen und weiterführende Links
Daten zum Weinbau in Bayern (www.lwg.bayern.de/weinbau/...)
EU-Verordnung zu erlaubten Hilfsmitteln bei der Weinerzeugung (www.lwg.bayern.de/weinbau/...)
Conny Ganß, Wein-Sommelière und BR-Weinexpertin aus dem Chiemgau
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