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Auf der Höhe der Zeit Das Turmuhrenmuseum von Gräfenberg

Am Handgelenk, auf dem Telefon, per Sprachbefehl aus dem Smart Speaker abgefragt – Uhren sind wirklich überall. Braucht's denn da noch Turmuhren? Wir suchen im Turmuhrenmuseum von Gräfenberg im Landkreis Forchheim nach einer Antwort.

Von: Christian Schiele

Stand: 27.12.2019 | Archiv

Auf der Höhe der Zeit: Das Turmuhrenmuseum von Gräfenberg

Wer durch die Geschichte der Zeit reisen möchte, sollte zum Turmuhrenmuseum nach Gräfenberg in der Fränkischen Schweiz fahren. Zu Georg Rammensee – einem, der es wissen muss. Er stammt aus einer Familie von Uhrenmachern, über zehn Generationen lässt sich das nachverfolgen. "Wir hatten früher eine Turmuhrenfabrik", erzählt Rammensee, "die Fabrik musste leider 1957 schließen. Und ich hab mir so eine Uhr gekauft, weil ich wissen wollte, was meine Vorfahren machen."

Museumschef Georg Rammensee

Sein Ausgangspunkt war, das Familienerbe zu erhalten. "Und nachdems immer mehr Uhren geworden sind, und ich die dritte ins Schlafzimmer tun wollte, hat die Frau gesagt: etz langts. Und dann kam das Museum."

Kein Ziffernblatt, ein Ziffernblatt, zwei Ziffernbätter

Eines der historischen Uhrwerke

Statt im Schlafzimmer stehen die Turmuhren von Georg Rammensee nun in einer Scheune. Mittlerweile sind es 55 Stück, die er liebevoll und originalgetreu restauriert hat. Sie zeigen, wie in den vergangenen fünf Jahrhunderten die Zeit gemessen wurde.

Die älteste Uhr ist von 1472, dendrochronologisch nachgewiesen. "Diese Uhr müssen Sie sich anders vorstellen als wir sie von heute kennen. Das war ein reines Schlagwerk", sagt Rammensee. Ein Ziffernblatt gab es nicht. Die Mechanik dafür habe es damals noch nicht gegeben.

Turmuhr mit zwei Ziffernblättern

Hätte aber eh wenig gebracht, denn die meisten Menschen hätten als Analphabeten eh keine Ziffern lesen können, so Rammensee. "Aber die Glocke hat man gehört." Auch draußen auf den Feldern.

Erst später haben sich dann die Ziffernblätter durchgesetzt. Nur sahen sie anders aus, als wir sie heute kennen. Zunächst hatten sie nur einen Stundenzeiger. Auf den ersten Blick hat das für eine ungefähre Zeitabschätzung gereicht. Später kam das Viertelstundenziffernblatt dazu – aber als extra-Ziffernblatt.

Die Geheimnisse der Temporalzeit

Die Ziffernblätter sind aber nicht der einzige Unterschied zu unserer heutigen Zeit:
Georg Rammensees älteste Turmuhr misst noch die sogenannte Temporalzeit. Er erklärt: "Wir haben heute eine gleichmäßige Zeit – zwölf Vormittags- und zwölf Nachmittagsstunden. Damals wurden zwölf helle und zwölf dunkle Stunden gemessen." Doch die Dauer von Helligkeit und Dunkelheit ändert sich natürlich mit den Jahreszeiten.

Mit sogenannten Waaghemmungen wie dieser ...

"Die haben die 12 Stunden also an die Helligkeit des Tages angepasst." Wenn es am kürzesten Tag, den 22. Dezember, also tatsächlich nur acht helle Stunden gibt, "hat für die Uhr bedeutet: Lauf gefälligst schneller, und schau, dass du die zwölf Stunden  in acht runterfährst", so Rammensee. Und zur Sommersommenwende dasselbe umgekehrt: "Hat für die Uhr bedeutet: du darfst die zwölf fei erst in 16 Stunden fertig haben. Also ein Mensch wurde damals schon irgendwie betrogen."

Die meisten Turmuhren von Georg Rammensee messen die Zeit großzügig und haben noch ein mechanisches Uhrwerk. Denn die Mechanik bestimmte die Zeitmessung 1.000 Jahre lang. Bis die Elektronik ihren Siegeszug antrat. Mit ihr gingen die Uhren genauer und mussten nicht mehr so häufig gewartet werden.

Der Steuercomputer für das Atomuhr-Signal – auch schon ein Museumsstück

Aber auch die Elektronik hat mittlerweile ausgedient. Doch wie messen Turmuhren heute die Zeit? Das kann Georg Rammensee ebenfalls zeigen, mit der Uhr, die an der Fassade des angebracht ist: die wird über die Atomzeit der Braunschweiger Weltuhr gespeist – ganz auf der Höhe der Zeit.


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