Bayern genießen Grün - Bayern genießen im April
Grün verspricht Hoffnungsglück - und das können wir alle gut brauchen in diesen Tagen. Auch bei uns gibt's genügend depressive Zustände, die wir loswerden müssen. Am besten mit viel Genuss.
"Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück."
Faust
So schwärmt ein ostermorgendlichfroh gestimmter Faust, der sich in der Nacht zuvor noch fast umgebracht hätte. Womit bei ihm die depressive Phase endlich umschlägt in die manische und das Drama seinen Lauf nimmt.
Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Grün"
Oberbayern: Grün gefroren. Spargeleis aus Schrobenhausen. Von Gerald Huber
Niederbayern: Grün glasiert. Alte und neue niederbayerische Keramik. Von Birgit Fürst
Oberpfalz: Grün gewohnt. Warum grüne Städte nicht selbstverständlich sind. Von Thomas Muggenthaler
Oberfranken: Grüner geht's nicht. In Oberfranken grünelt's allerorten. Von Annerose Zuber
Mittelfranken: Grün gegessen. Was man mit Selleriegrün, Karottengrün, und Konsorten macht. Von Tobias Föhrenbach
Unterfranken: Grün gebaut. Home Office im Baumhaushotel Seemühle. Von Klaus Rüfer
Schwaben: Sich grün sein. Immergrüne Freundschaft im Stopselclub. Von Barbara Leinfelder
Grüne Kröninger Keramik
Grün ist die Farbe des Lebens. Logisch. Mittelhochdeutsch gruonen heißt Wachsen, gedeihen, sprießen. Und das geschieht auf dem Grund. Und überall steckt die uralte Wortwurzel gr- drin, die zum Beispiel auch im Lateinischen crescere wachsen, gedeihen bedeutet, im englischen grow und sich auch in der Kresse oder im Kren wiederfindet, lauter sprießenden Pflanzen eben. Grün war allerdings vor der Neuzeit, wenn es um Pflanzenfarben zum Färben von Kleidungsstücken ging, nicht einfach herzustellen. Grüne Pflanzenfarben bleichen schnell aus oder ändern ihre Farbe. In der Kunst und im Handwerk allerdings standen andere Mittel zur Verfügung: Erdpigment oder Grünspan, der aus Kupfer und Weinsäure hergestellt wird oder fein gemahlener Malachit. Und so war die erste Glasurfarbe für keramische Erzeugnisse, die bei uns im Mittelalter hergestellt wurden, grün. Verwendet wurde sie zum Beispiel auf Ofenkacheln, aber auch auf Koch- und Essgeschirren aller Art. Hier dominierte in ganz Süddeutschland zwischen Würzburg und Bozen die grüne Farbe der berühmten Kröninger Keramik aus der niederbayerischen Region zwischen Landshut, Dingolfing und Vilsbiburg. Die Kröninger Hafner waren sogenannte Landmeister, hatten also keinen städtisch-zünftigen Hintergrund. Dafür standen sie unter dem ausgesprochenen Schutz des Herzogs. Und bis heute ist grün die klassische Keramikfarbe, obwohl es die gefragte Hafnerware in der altbayerischen Kröninger Tradition natürlich in allen möglichen zeitgenössischen Farben gibt.
Grüne Städte
"Aus grauer Städte Mauern
Ziehn wir durch Wald und Feld.
Wer bleibt, der mag versauern,
Wir fahren in die Welt."
Altes Liedgut
Grün ist die Welt zwar nicht in diesem rund hundert Jahre alten Lied der Jugendbewegung, zwischen den Zeilen aber steht hier das Grün deutlich vor Augen - als Gegensatz zu dem Grau der Mauern in den Städten. Man kann sich heute ja kaum mehr vorstellen, wie grau die Städte in alten Zeiten waren durch die Torf-, Holz- und Kohlefeuer in den Häusern und dann natürlich in der Neuzeit durch den Rauch aus den Fabrikschloten. Der Stadtmensch hat sich schon immer nach dem Grün gesehnt, grad auch deswegen, weil es in der Stadt ursprünglich kaum Grün gab. Der Mangel an Bäumen und Sträuchern war jahrhundertelang ja gerade das Spezifikum der durch die Stadtmauer vom grünen Land abgegrenzten Stadt, in der Grund und Boden viel zu teuer waren, um ihn nicht zu bebauen. Bäume und hier natürlich vor allem Nutzbäume finden sich höchstens in den Höfen hinter den Häusern unserer alten Städte. Vorn im Straßenraum dagegen sind sie selten. Das änderte sich im 19. Jahrhundert. Die Stadtmauern, die, wie sich in den napoleonischen Kriegen gezeigt hatte, moderner Waffentechnik nicht mehr gewachsen waren, wurden niedergelegt.
Man wollte zurück zur Natur und legte an den Rändern der Städte große Gärten an, die erst später nach englischem "Park" genannt wurden. Dieses Wort hat übrigens eine interessante Geschichte. In seiner Bedeutung als vor allem städtische Grünfläche kommt es aus dem Englischen. Das wiederum geht auf das französische parc zurück, das seinerseits vom lateinischen parricus stammt, das soviel wie Gehege bedeutet. In der Barockzeit legte der Adel ja solche weiten Wildgehege an, um drin zu jagen. Dieses lateinische parricus steckt auch in dem deutschen Wort Pferch. Die Verkleinerungsform des Parks, Parkett ist ein kleiner Pferch für die niederen Klassen, auf die früher der Adel aus den Theaterlogen hinabgeschaut hat. Und damit sind wir beim Parkplatz. Der ist halt auch ein Pferch, ein umhegtes Gelände für Autos. Wenn auch im geradezu sprichwörtlichen Gegensatz zum Grün eines Parks…
Grünelndes Oberfranken
Grün, das war schon in der Antike eine göttliche Farbe. Grün war die Gesichtsfarbe des ägyptischen Gottes Osiris, der alljährlich im Frühjahr als sein eigener Sohn aus dem winterlichen Todesdunkel erwacht. In Ostasien ist der Herrscher des Himmels der große grüne Jadekaiser, im Islam ist grün die Farbe Gottes und seines Propheten und im Christentum ist grün die Farbe der Auferstehung. Die heilige Hildegard von Bingen nannte Christus die edelste Grünkraft der kosmischen Schöpfung. Grün ist alles, was frisch, rein, neu ist, noch grün hinter den Ohren gewissermaßen. So hat natürlich auch der Gründonnerstag nichts mit dem Greinen, dem Weinen zu tun, wie manchmal immer noch behauptet wird. Lateinisch heißt er dies viridium, Tag der Grünen. Am Gründonnerstag beginnt nämlich der Kern der Ostertage, die das Geheimnis der Auferstehung feiern. Wer am Tag des letzten Abendmahls die heilige Kommunion nehmen wollte, der musste vorher beichten, also das Grau und Schwarz der Sünden loswerden und zu einem neuen, grünen Menschen werden. Entsprechend heißt er im Bairischen auch Antlaßtag = Tag des Sündenerlasses. Grün ist also alles, was sauber, frisch, rein, neu ist. Und genau deswegen gibt es in Franken soviele Städte, die grün im Namen tragen. Denn hier wurde im Mittelalter Wald gerodet, um auf ebenem grünen Plan eine neue Stadt bauen zu können.
Homeoffice im Baumhaushotel
Grün ist natürlich und positiv. Wenn alles im grünen Bereich ist, dann ist alles in Ordnung. Auch deswegen fanden in früheren Zeiten Gerichtsverhandlungen im Freien statt, am besten unter der klassischen Gerichtslinde. Als die Gerichts- und andere beratende Versammlungen im Mittelalter in die dafür eigens erbauten Rathäuser verlagert wurden, hat man die grüne Natur in die Säle geholt: Man hat Blumen und Grünzeug auf die Tische gestellt, auf die man zuvor grüne Tischdecken gelegt hat. Später hat man die Decken durch dauerhafte Bezüge aus grünem Filz oder Leder ersetzt. Zu besichtigen heute noch im Alten Rathaus von Regensburg, wo zwischen 1648 und 1806 das erste deutsche Parlament tagte, der Immerwährende Reichstag. Dort fielen die Entscheidungen also am sprichwörtlichen Grünen Tisch. Noch heute besteht die klassische Schreibunterlage aus grünem Leder und erst in den letzten Jahren wurde Grün als typische Farbe für Bürogeräte aller Art durch grau und schwarz abgelöst. Dabei ist grün doch um soviel sympathischer und auch entspannender für die Augen. Einerlei. In diesen Tagen dreht sich die Zeit gewissermaßen zurück und das Büro verlagert sich wieder nach draußen ins Grüne. Wer allerdings für sein Homeoffice keinen Garten hat, für den gibt’s andere Möglichkeiten. Im Baumhaushotel im unterfränkischen Weizenbachtal zum Beispiel. Wandern ganz ohne Homeoffice geht dort natürlich auch…. Wobei: Das muss man jetzt mal sagen: Homeoffice ist ein ganz peinliches Wort. Mindestens so peinlich wie das Handy, ein Wort, das es so im Englischen gar nicht gibt. Typisches Denglisch eben. Das häusliche Arbeitszimmer heißt auf englisch study room oder kurz study. Home Office hingegen ist die Bezeichnung des britischen Innenministeriums. Aber wir Deutschen sind halt heavy on wire, schwer auf Draht - bei allem, was englisch daherkommt. Nothing for ungood!
Wandertipp
Direkt am Gräfendorfer Bauhaushotel vorbei, führt ein öffentlicher Wanderweg tiefer ins Waizenbachtal hinein. Nach einem knappen Kilometer erreicht man den Trettstein – einen etwa sechs Meter tiefen Wasserfall, der sich über zerklüftete Sandstein-Terrassen ergießt. Eine geologische Besonderheit im Spessart, die man erwandern oder auch mit dem Mountain-Bike erradeln kann.Vom Trettstein aus erstrecken sich weitere Wanderrouten.
Am anderen Ortsende von Gräfendorf wiederum, Richtung Schonderfeld, findet sich ein außergewöhnliches Stück deutsche Ingenieur-Geschichte. Mitten auf einer Wiese steht einsam und alleine ein Brückenpfeiler, der einst für eine der ersten Autobahnen Deutschland vorgesehen war. Der Pfeiler ist Teil der legendären „Strecke 46“, deren Bau während der 30-er Jahre begann, und die von Fulda nach Würzburg führen sollte. Wegen der Wirren des Zweiten Weltkrieges wurde diese Autobahn jedoch nie fertiggestellt.
Doch noch bis zum heutigen Tage finden sich neben dem einsamen Pfeiler bei Schonderfeld etliche Bauruinen wie halbfertige Brückenteile oder betonierte Wasserdurchlässe in den Wäldern entlang der einst geplanten Trasse. Die auch als „längstes Baudenkmal Deutschlands“ bekannte Strecke 46 kann erwandert oder mit dem Mountainbike befahren werden. Info-Tafeln erzählen die Geschichte der lange Zeit vergessenen Autobahn-Ruine.
Grünes Spargeleis
Noch lässt sich das Grün an vielen Stellen erst erahnen, aber die zunehmende Wärme wird’s schon raustreiben. Genauso wie den Spargel, der jetzt überall sprießt. Spargel ist ein deutsches Wort, das auf lateinisch asparagus, mittellateinisch aspargulum oder spargulum zurückgeht. Schon die Römer haben ihn bei uns angebaut. Vor allem als Heilpflanze. Seine harntreibende und abführende Wirkung wird auch heute noch geschätzt. Wobei die potenzfördernde Eigenschaft, die ihm in der Antike zugeschrieben wurde, wohl eher mit seiner Form als mit irgendwelchen Inhaltsstoffen zu tun hat. Und daher kommt auch das Wort. Griechisch spargáein heißt sprießen, anschwellen, vor Kraft strotzen. Triebe sind halt unwiderstehlich. Wobei Spargel solang er als unterirdischer Trieb geerntet wird, selbstverständlich weiß ist und erst oberirdisch zum grünen Spargel wird. Und dann wird er auch allmählich jugendfrei. Zumindest in der Zubereitungsform als Grünes Spargeleis.
Schmackhaftes Gemüsegrün
Mit grün und seiner jahrtausendealten Wortwurzel gr- oder kr- hängt natürlich auch das Kraut zusammen. Alles, was sprosst und für den Menschen gesund ist, ist ein Kraut. Alles, was für den Menschen nicht taugt, ist demzufolge ein Unkraut. Das gilt auch für die ober- und unterirdischen Bestandteile von Pflanzen, zu denen man in manchen Gegenden Suppenkraut, meistens aber Suppengrün sagt. Obwohl da, mit den Gelben Rüben zum Beispiel oder der Steckrübe, auf Bairisch Dotschn, auch ganz andere Farben im Spiel sein können. mit diesem Wurzelgemüse sind wir wieder beim Unkraut. Weil die Blätter davon meistens weggeworfen werden. Oft zu Unrecht. Das Rezept für ein Möhren-, sprich: Gelbe-Rüben-Grün-Pesto, finden Sie hier.
Zum Schluss
"Eines Tages wird alles gut sein, das ist unsere Hoffnung. Heute ist alles in Ordnung, das ist unsere Illusion."
Voltaire
Das hat Voltaire gesagt. Ja, die Hoffnung, die stets neu grünt, stirbt bekanntlich zuletzt. Und dass die Annahme, heute sei alles in Ordnung, eine Illusion ist, das ist vermutlich uns allen in den letzten Wochen und Monaten klargeworden. Die Zeiten und damit auch wir sind verwirrt wie nie. Sogar seltsame neue Feiertage werden aus waberndem Weisungs- und Anordnungsschaum und versinken gleich darauf wieder.