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Ausschlag, Juckreiz, Dauerschmerz Gürtelrose oder Herpes Zoster

Wer einmal Windpocken durchgemacht hat, kann Jahre oder Jahrzehnte später eine Gürtelrose bekommen - eine sehr unangenehme und vor allem schmerzhafte Krankheit.

Stand: 23.01.2023

Herpes Zoster | Bild: picture-alliance/dpa

Gürtelrose (medizinisch Herpes Zoster) ist eine Erkrankung der Haut, die sich in der Regel durch eine Rötung äußert, innerhalb der sich Bläschen bilden. Auslöser für Herpes Zoster ist das Varizella-Zoster-Virus, das auch die Windpocken hervorruft.

Experte:

Prof. Dr. med. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie 'am Biederstein' des Klinikums rechts der Isar der TU München

Doch wer glaubt, gegen das Virus immun zu sein, wenn er die Windpocken überstanden hat, der irrt. Denn das Windpocken-Virus versteckt sich nach der Erkrankung in den Nervensträngen und hält einen Dornröschenschlaf, oft über viele Jahrzehnte. Irgendwann wittern die Viren dann ihre Chance - zum Beispiel wenn das Immunsystem des Menschen geschwächt ist - und erwachen: Eine Gürtelrose entwickelt sich. Bei jedem zehnten Erkrankten bleiben auch nach Abklingen der Symptome einige Zeit lang Nervenschmerzen zurück.

Der Text beruht auf einem Interview mit Prof. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie 'am Biederstein' des Klinikums rechts der Isar der TU München.

Eine Gürtelrose äußert sich in der Regel in Form eines rötlichen Hautausschlags, der sich auf einer Körperhälfte oder halbseitig im Gesicht ausbreitet. Der Ausschlag schmerzt stark und bildet Bläschen. Typischerweise tritt die Gürtelrose nicht um den ganzen Leib herum (wie ein Gürtel) auf, sondern entsprechend der Versorgung der Hautareale durch die Nerven nur halbseitig. Über die Nerven wandert das Virus an die Hautoberfläche -  auch bei Patienten, die Gürtelrose im Gesicht haben. Die Stelle, an der die Gürtelrose auftritt, weist auch darauf hin, wo das Virus die ganze Zeit über saß.

"Wir sprechen dabei von einem Dermatom, einem Hautgebiet, das von einem Spinalnerven mit seinem zugehörigen Ganglion versorgt wird. Manche Menschen bekommen den Zoster auch über mehrere Segmente hinweg, aber die meisten über ein Dermatom."

Prof. Dr. med. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums rechts der Isar der TU München.

Frühstadium

Bevor sich ein Herpes Zoster auf der Haut zeigt, geht dem oft eine etwa drei- bis fünftägige Phase voraus, in der die Gürtelrose nicht sichtbar ist, sich jedoch durch Schmerzen ankündigen kann. Die Symptome in dieser Phase können jedoch ganz unterschiedlich sein, wie leichtes Fieber oder Müdigkeit, aber auch Schmerzen ganz unterschiedlicher Art (die nicht selten zu Fehldiagnosen führen können).

Hautveränderungen

Dann treten typische Hautveränderungen im Bereich des Dermatoms auf: Zunächst Rötungen, später Knötchen innerhalb der Rötungen, dann Bläschen, die später reiskorngroß werden und sich mit Flüssigkeit füllen.

Zeitraum

Auch während einer Behandlung können sich über mehrere Tage noch neue Bläschen bilden. Die Bläschen brechen nach einigen Tagen auf und trocknen dann aus. In der Regel heilt ein Herpes Zoster innerhalb von zwei bis drei Wochen ab.

Wer einmal Windpocken durchgemacht hat, kann Jahre oder Jahrzehnte später eine Gürtelrose bekommen, denn das Varizella-Zoster-Virus ist in der Lage, beide Krankheiten nacheinander auszulösen.

Nachdem die Windpocken abgeheilt sind, zieht sich das Virus in ein Nervenganglion zurück, das ist ein Verteilerzentrum der Nerven außerhalb von Rückenmark und Gehirn. Dort ruht das Virus, so lange es vom Immunsystem in Schach gehalten wird. Es greift keine neuen Zellen an und vermehrt sich auch nicht. Ist das Immunsystem dazu allerdings nicht mehr in der Lage, kann das Virus erneut aktiv werden. Es wendet sich dann vor allem gegen Haut- und Nervenzellen - dort tritt dann die Gürtelrose auf.

Während das Herpes-Virus bis zu zehnmal im Jahr ausbrechen und z.B. Bläschen an der Lippe auslösen kann, bekommt man eine Gürtelrose in der Regel nur einmal im Leben. Dann hat die Immunitätslage gegenüber dem Windpockenvirus nachgelassen, oder eine Grunderkrankung ist der Auslöser. Deutschlandweit nimmt die Anzahl der Gürtelrose-Patienten stark zu, parallel zur demographischen Entwicklung und dem wachsenden Anteil älterer Menschen.

Immunsystem im Alter

Wie alles Gewebe altert auch das Immunsystem des Menschen. Mediziner sprechen vom „immune aging“. Dabei werden im Laufe der Zeit Immunzellen dysfunktional, können ihren Aufgaben nicht mehr gerecht werden und sind nicht mehr so fit wie beim jungen Menschen. Im positiven Sinne verlieren Menschen über 50 zwar ihre Allergien z.B. gegen Pollen. Im selben Ausmaß büßen aber die Immunzellen auch ihre Fitness ein - deswegen tritt die Gürtelrose vorwiegend bei Menschen ab 50 auf.

Virus im Ruhemodus

Früher dachte man, eine Infektionskrankheit müsse immer hundertprozentig ausheilen, damit man wieder gesund wird.

"Heute weiß man: Bei vielen Patienten mit unterschiedlichen Infektionskrankheiten ist das nicht der Fall, denn die Erkrankung heilt zwar klinisch aus, aber es verbleiben durchaus Erreger im Körper - meist sogar ohne dass man erneut krank wird."

Prof. Dr. med. Tilo Biedermann, Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie des Klinikums rechts der Isar der TU München.

Gute Immunitätslage

Mediziner vermuten mittlerweile, dass ein gewisser Sinn hinter der Tatsache steckt, dass das Varizella-Zoster-Virus ein Leben lang in einem Nervenganglion ruht. Denn so „erinnert“ es das Immunsystem immer wieder daran, dass es noch da ist. Es wirkt wie eine Depot-Impfung und trägt so zu einer guten Immunitätslage bei.

Auslöser

Wird das Immunsystem entweder im Laufe des Lebens durch Alterungsprozesse, durch starke Sonneneinstrahlung, eine Grunderkrankung, eine Operation oder durch Stress eingeschränkt, kann das Varizella-Zoster-Virus erneut aktiv werden. Dabei wandert es die nächstgelegene Nervenbahn entlang zur Haut, dort entsteht die Gürtelrose.

Geschwächtes Immunsystem

In der Regel bedarf das Auftreten der Gürtelrose keiner Grunderkrankung. Als Auslöser reicht aus, dass das Immunsystem ein bisschen schwächer geworden ist, was bei Menschen, die 50 Jahre und älter sind, selbstverständlich ist. Hat jemand allerdings in jungen Jahren eine bösartige Grunderkrankung wie zum Beispiel Leukämie oder eine HIV Infektion, dann beobachten Mediziner auch bei jungen Patienten schlimme Formen einer Gürtelrose. Auch Patienten nach Organtransplantationen oder Patienten mit Lymphomen sind besonders anfällig.

Wandert das Varizella-Zoster-Virus über die Nervenbahnen nach außen zur Haut, ist das bei vielen Patienten mit extremen Schmerzen verbunden. Warum die Schmerzen so unterschiedlich sind, ist noch nicht bekannt. Vermutlich sind sie abhängig von der Stärke der Entzündungsreaktion, die das Virus auslöst. Manche Patienten haben bereits Schmerzen, noch bevor Veränderungen auf der Haut erkennbar sind.

In vielen Fällen tun sich Mediziner schwer, schnell eine Diagnose zu stellen, denn vor allem im Anfangsstadium einer Gürtelrose klagen Patienten oft über erhebliche Rückenschmerzen und gehen deshalb zum Orthopäden - ohne Erfolg. Wer eine Gürtelrose im Gesicht bekommt, leidet meist unter starken Kopfschmerzen. Meist wird auch über Müdigkeit, Abgeschlagenheit und leichtes Fieber geklagt.

Entzündete Nerven

Bei manchen Patienten sind die Nerven schon unter der Haut entzündet, bei anderen hinterlässt das Virus dort keine Spuren und explodiert "nur" an der Haut. Dahinter steckt, dass manche Viren möglicherweise schon im Ganglion oder auf dem Weg nach außen einige Zellen infizieren, andere wiederum nicht.

Nachweis

Tauchen roter Hautausschlag und kleine Bläschen auf, können Mediziner zur Abklärung der Diagnose eine kleine Menge der Bläschenflüssigkeit untersuchen und darin das Virus innerhalb weniger Stunden nachweisen - sie machen eine direkte Immunfluoreszenz. Außerdem kann man auch im Blut Antikörper nachweisen, doch diese Diagnosemethode dauert länger.

Seltene Komplikationen

Bei immunsupprimierten Patienten können Varizella-Zoster-Viren auch eine virale Lungenentzündung, Meningitis oder Enzephalitis auslösen, vor allem dann, wenn der Kopf betroffen ist.

Zoster im Kopfbereich

Taucht die Gürtelrose im Gesicht auf, dann besteht eine hohe Gefahr der post-zosterischen Neuralgie, das heißt, die Gürtelrose löst Schmerzen aus, die auch lange nach der Erkrankung anhalten können. Am einfachsten verhindert man das, indem man frühzeitig die Zerstörung des Virus und die ihm folgenden Immunreaktionen an den Nerven und der Haut behandelt.

Auge und Ohr

Ist der erste Ast des Trigeminus-Hirnnervs betroffen, haben Patienten auf einer Seite der Stirn Schmerzen, die sich bis auf die Rückseite des Schädels ziehen können. In dem Fall ist möglichweise auch das Auge betroffen. Wirkt sich die Gürtelrose auf die Ohren aus, kann das vorübergehend oder auch langfristig zu einer Hörminderung führen.

Damit sich ein Patient gar nicht erst das Schmerzempfinden antrainiert, beginnen Mediziner heute in der Regel sofort mit einer Schmerztherapie. Die Schmerzen tauchen immer in dem Gebiet auf, in dem der Zoster an die Oberfläche tritt, oft strahlen sie dazu nach rechts, links, oben und unten aus. Manche Patienten mit Gürtelrose haben allerdings auch gar keine Schmerzen.

Bei der Behandlung intensiver Schmerzen wird heute nicht ein einziger Schmerzmittel-Typ eingesetzt, sondern eine Mischung verschiedener Mittel aus der Anti-Depressiva-Gruppe, der Gruppe der Anti-Epileptika, der Opiate und der anti-entzündlichen Mittel. Diese Behandlung orientiert sich am WHO-Stufenschema zur (Tumor)-Schmerztherapie. Je früher eine Therapie beginnt, desto besser.

Anti-virale Therapie

Parallel zur Schmerztherapie erfolgt eine anti-virale Therapie. Letztere dauert im Durchschnitt fünf bis sieben Tage, die Schmerztherapie geht darüber hinaus. Ist der Krankheitsverlauf unkompliziert, erfolgt die anti-virale Therapie über Tabletten. Wird allerdings die Zerstörung der Gürtelrose klinisch sichtbar, tritt sie am Kopf auf oder sind großflächige Wunden anstelle von kleinen Bläschen vorhanden, werden Patienten in der Regel intravenös behandelt.

Stationäre Behandlung

Die intravenöse Therapie bei einer Gürtelrose erfolgt in der Regel stationär, um den vergleichsweise höheren Wirkstoffpegel des Medikaments auch konstant zu gewährleisten. Stationär behandelt werden auch alle Patienten mit einer Gürtelrose im Gesicht, bei denen der Schädel betroffen ist und eine Gefahr für das Auge besteht oder mit einer Gürtelrose auf der Wange, mit Gefahr für das Ohr.

Ansteckungsgefahr

Generell gilt: Solange die Bläschen da sind, ist die Krankheit auch ansteckend. Haben nicht geimpfte Kleinkinder Kontakt z.B. zu ihren erkrankten Großeltern, ist das Risiko besonders hoch, dass auch sie vom Virus infiziert werden. Ein Teil von ihnen bekommt dann sichtbar Windpocken - zumindest dann, wenn die von der Gürtelrose betroffene Hautstelle frei liegt, denn die Bläschen sind infektiös.

Tipps:

1. Vorsicht bei der Hautpflege
Im betroffenen Areal sollte man nichts Duftstoffhaltiges auftragen, also keine parfümierten Seifen und keine Duschgels benutzen. Man sollte auch nur Cremes verwenden, die der Arzt verordnet hat.
2. Hände weg von den Bläschen
Auch wenn es juckt - man sollte die Bläschen nicht berühren. Man sollte auch die Haut nicht reiben und sich nicht kratzen. Zum einen verstecken sich dort ansteckende Viren, zum anderen reizt und verletzt man damit die Haut. Der behandelnde Arzt kann ein Mittel gegen Juckreiz verschreiben.
3. Auf die Kleidung achten
Man sollte bequeme, luftige Kleidung wählen. Also keine engen Stoffe auf den betroffenen Gebieten tragen.
4. Ruhe, Ruhe, Ruhe
Der Körper bekommt zwar das Medikament, er muss aber letztlich selbst die Krankheit überwinden. Dafür braucht er vor allem Ruhe. Bettruhe, ausreichend Schlaf, ruhiges Spazieren gehen und ein gesunder Lebensstil (wenig Alkohol, kein Nikotin, vitaminreiche Ernährung) helfen zusätzlich, damit die Gürtelrose rasch abheilt.

Impfung gegen Gürtelrose

Seit 2018 empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) allen Personen ab 60 Jahren die Gürtelrose-Schutzimpfung mit einem sogenannten Totimpfstoff als Standardimpfung. Die Kosten dafür übernehmen die Krankenkassen. Bei Personen, die durch eine entsprechende Grunderkrankung oder Immunschwäche besonders gefährdet sind (z.B. rheumatoide Arthritis, chronisch entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes mellitus), gilt dies bereits ab 50 Jahren.

Präventionsmaßnahme: Windpocken-Impfung?

Ob diejenigen, die gegen Windpocken geimpft sind, einen besseren Schutz vor Gürtelrose haben als diejenigen nach einer Infektion, weiß man noch nicht. Denn Windpockenimpfungen gibt es noch nicht so lange, dass die ersten Patienten schon 50 Jahre oder älter wären.

"Wir wissen nicht, ob bei einem Geimpften sich das Virus trotzdem im Ganglion einnisten kann, z.B., weil das Kind mit einem Windpocken-Patienten in Kontakt war. Möglicherweise ist der Geimpfte aber auch durch die Impfung geschützt und trägt gar keine Viren in sich."

Prof. Tilo Biedermann.