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Wirkliche oder scheinbare Fortschritte? Streitfragen bei Herzoperationen

Sie galten lange Zeit als wahre Wunder der Medizintechnologie: Stents, die ohne aufwendige Operation vorher verengte Zugänge zum Herzen offen halten. Die Bypass-Operation, der große Eingriff am offenen Brustkorb, schien plötzlich rückständig. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Stand: 01.10.2021

Chirurg am Herzzentrum in Dresden | Bild: picture-alliance/dpa

Stents vs. Bypass: Was ist besser?

"Es gibt ganz klare Vorgaben der nationalen und internationalen Gesellschaften, bei welcher Konstellation eine Bypass-Chirurgie oder eine Stent-Behandlung das Bessere ist. Alle großen internationalen Studien haben gezeigt, dass im Langzeitverlauf die Bypass-Chirurgie der Stent-Behandlung überlegen ist. Eine Stent-Behandlung kommt auch grundsätzlich nicht in Frage, wenn alle Gefäße vom Verschluss betroffen sind oder wenn eine sogenannte Hauptstamm-Stenose vorliegt (eine Verengung in dem Gefäß, das direkt in die Herzkranzarterie führt). Es gibt aber trotzdem einige Erkrankungen, die man gut mit einem Stent behandeln kann, ohne dass es zu einem Rückfall kommen muss."

Prof. Dr. Rüdiger Lange, Direktor für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München

Medikamentenbeschichtete Stents: Hilfreich oder gefährlich?

Das System eines Stents, hier grafisch dargestellt.

Von der Lösung aller Probleme zur "Zeitbombe im Herzen": Medikamentenbeschichtete Stents haben seit ihrem ersten Einsatz 2003 eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Die Metallröhrchen sind mit Arzneimitteln versehen, die nach und nach im Körper abgegeben werden. Dadurch soll ein erneuter Gefäßverschluss verhindert werden. Entsprechend häufig wurden die medikamentenbeschichteten Stents zunächst eingesetzt. Doch 2006 kam die große Ernüchterung: Studien legten nahe, dass die vermeintliche Innovation das Risiko für Thrombosen und damit für Herzinfarkte erhöht. Dabei ist das Problem offenbar Teil der Lösung: Denn gerade weil die medikamentenbeschichteten Stents unverändert im Körper überdauern und nicht von Gewebe überwuchert werden, sieht der Körper sie auch dauerhaft als Fremdkörper an und reagiert darauf im ungünstigen Fall mit Blutgerinnseln, die einen Herzinfarkt zur Folge haben können. Der Einsatz von medikamentenbeschichteten Stents muss also gut überlegt sein.

"Die Bedenken haben sich nicht zerstreut. Es hat sich sogar gezeigt, dass auch diese Stents zu einer Wiederverengung des Gefäßes führen können. Und spätere Verschlüsse der Gefäße durch Thrombosen treten etwas gehäuft auf. Insgesamt sind die Ergebnisse aber nicht schlechter als bei den nicht-beschichteten Stents."

Prof. Dr. Rüdiger Lange, Direktor für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München

Operationen am schlagenden Herzen: Eine Herausforderung

Es klingt einleuchtend: Operationen, die ohne Herz-Lungen-Maschine auskommen ("Off-pump"-Techniken), müssen für den Patienten deutlich besser sein als Eingriffe mit der Maschine ("On-pump"-Techniken). Wenn das Herz des Operierten weiter schlägt, können Atmungsausfälle, Bewusstseinsstörungen und Nierenschäden vermieden werden. Die Patienten müssen weniger lange beatmet werden und können die Klinik schneller wieder verlassen. Doch so einfach stellt sich die Lage nicht dar:

"Den ganz großen Vorteil der 'Off-pump'-Verfahren hat man bislang nicht nachweisen können. Man weiß inzwischen, dass wohl die Qualität der Bypässe besser ist, wenn man mit der Herz-Lungen-Maschine operiert. Aber: Das Schlaganfall-Risiko ist etwas geringer, wenn man ohne Herz-Lungen-Maschine arbeitet. Insgesamt haben sich die 'Off-pump'-Verfahren sowohl in Deutschland als auch international nicht so durchgesetzt, wie man sich das lange erwartet hatte."

Prof. Dr. Rüdiger Lange, Direktor für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München

Nicht nur eine Frage der Qualität: Kostenvorteil 'Off-pump'-Verfahren

"Wir hatten schon einmal eine Zeit, in der die 'Off-pump'-Techniken stark im Kommen waren, weil man sich davon deutlich bessere Ergebnisse versprach. Da sich das bislang nicht bestätigt hat, ist die Tendenz im Moment wieder rückläufig. Aber ich könnte mir vorstellen, dass im Zuge des Kostendrucks im Gesundheitswesen erneut mehr und mehr Chirurgen anfangen, 'Off-pump'-Verfahren zu verwenden. Sie sind deutlich kostengünstiger, da man sich die Herz-Lungen-Maschine spart. Schon heute werden diese Techniken insbesondere in Schwellenländern häufig verwendet."

Prof. Dr. Rüdiger Lange, Direktor für Herz- und Gefäßchirurgie am Deutschen Herzzentrum München


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