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Bayern 2 präsentiert 38. Ingolstädter Jazztage

Letztes Jahr mussten sie abgesagt werden, dieses Jahr werden sie stattfinden – und zwar fast schon wieder in der gewohnten Form: mit Förderpreisverleihung, Jazz in Kneipen, Auftritten der Ingolstädter Szene und einem exquisiten Konzertwochenende mit internationalen Stars.

Von: Markus Mayer

Stand: 14.10.2021 | Archiv

Rebekka Bakken | Bild: Reinhard Dorn

Jazzförderpreis und Ingolstädter Szene

Traditionell werden die Jazztage mit der Verleihung des Ingolstädter Jazzförderpreises eröffnet. Der geht diesmal an die Sängerin Birgit Zinner, die über einen Gospelchor zum Jazz gefunden hat. Mit ihrer Band Soulfire wird die 28-Jährige am 30.10. das Preisträgerkonzert bestreiten und am 3.11 auch mit den Söhnen und Töchtern Ingolstadts auf der Bühne stehen, bei denen sie seit 2019 festes Bandmitglied ist. Am 9.11. wird außerdem mit Trompeter Lukas Lindner der Förderpreisträger von 2019 gleich zweimal hintereinander auftreten. Zum einen als special guest des Lighthouse Trios und danach mit seiner Lukas Lindner Group, die Klassik-Einflüsse mit einem modernen Fusion-Sound verbindet.

R&B und Soul

Mit Judith Hill wird am 4.11. eine R&B-Legende auf die Bühne treten, die zunächst als Backgroundsängerin von Michael Jackson und als Protegé von Prince bekannt wurde, der kurz vor seinem Tod ihr erstes Solo-Album produzierte. Inzwischen hat die charismatische Sängerin, Gitarristin und Pianistin ihre Karriere in die eigenen Hände genommen und macht bei ihrer ersten großen Europatournee auch in Ingolstadt Station. Soul hat auch Jarrod Lawson in der Stimme – mit nur zwei Alben hat er sich bereits als Erbe von Stevie Wonder und D'Angelo etabliert und verarbeitet in seinen Liedern auf lässige Weise Jazz, Soul und Latin-Einflüsse.

Trios und Träume

Freitag, der 5.11. ist bei den Ingolstädter Jazztagen der Tag der Trios. Das Olivia Trummer Trio bietet der vielfach preisgekrönten Stuttgarter Pianistin und Sängerin eine Plattform, um modernen Jazz mit klassischen Anklängen zu unterlegen und in ihren Songs die jazzigen Gesangsphrasierungen gelegentlich in Richtung Kunstlied zu treiben. Der in Indonesien geborene, erst 18 Jahre alte Joey Alexander gilt als Jazz-Wunderkind. anspruchsvolle Standards interpretiert er genauso virtuos wie komplexe Eigenkompositionen. Mit seinem Joey Alexander Trio oszilliert er gekonnt zwischen free und funky, zwischen lyrischen und kräftig swingenden Passagen. Wenn Deutschland bekanntester Jazzschlagzeuger seine Traumbesetzung zusammenstellt, ist es mit einem Trio natürlich nicht getan. Wolfgang Haffner's Dreamband ist ein Sextett und neben bekannten deutschen Jazzmusikern sind als Stargäste noch der mit sechs Grammys ausgezeichnete Trompeter Randy Brecker und der vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Miles Davis bekannt gewordene Saxophonist Bill Evans.

Klassik, Mainstream, Rock und Rap

Mit der für die Jazztage in Ingolstadt typischen musikalischen Vielfalt kann auch Samstag, der 6.11. aufwarten. Die aus Südkorea stammende, in Würzburg lebende Pianistin Younee hat für ihre Musik mit „Free-Classic & Jazz“ eine eigene Genrebezeichnung erfunden. Sie verbindet europäische Klassik mit spontaner Improvisation und verblüfft und verzaubert damit auch ein eher jazzgewohntes Publikum. Die Musik des Omer Klein Trios dagegen scheint nah am Mainstream-Jazz angesiedelt zu sein, aber bei genauem Hinhören tauchen orientalische skalen auf und der aus Israel stammende Omer Klein flicht auch Motive aus religiösen Gesängen oder aus alten israelischen Schlagern in sein Klavierspiel ein. Über Klaus Doldinger - Komponist der Tatort-Titelmelodie und ungezählter Filmmusiken und Pionier des deutschen Jazz-Rock - noch viele Worte zu verlieren, hieße Eulen nach Athen tragen. Obwohl er vor kurzem 85 geworden ist, wird der Saxophonist mit Klaus Doldinger's Passport den Jazz wieder mal kräftig rocken. Eher in die Hip-Hop-Richtung dagegen geht der Sound eines neuen Projekts mit dem ehemaligen Passport-Keyboarder Roberto di Gioia. Begleitet von seiner aktuellen Band Web Web hat er sich mit dem Rapper Max Herre zusammengetan um deutschen Sprechgesang mit spirituellem Jazz zu unterlegen, der sich auf den Sound der 60er und 70er Jahre etwa von Sun Ra, Pharao Sanders oder dem Äthiopier Mulatu Astatke bezieht. Ein bisschen Jimi Hendrix schwingt auch mit, denn das Projekt nennt sich A Web Web Experience by Max Herre & Roberto Di Gioia.   

Kneipenkonzerte für jeden Geschmack

Am 11.11. gibt es Gelegenheit, Jazz hautnah in Kneipen zu erleben. Dieses Jahr mit einer fein austarierten Zusammenstellung sehr unterschiedlicher Künstler, die so ziemlich jedem Publikumsgeschmack etwas bieten. Mit Anika Nilles wird die beste deutsche Fusion-Schlagzeugerin nach Ingolstadt kommen, deren Videos bisher fast 20 Millionen Klicks haben und deren virtuose Solo-Auftritte legendär sind. Das Emil Brandqvist Trio aus Schweden gilt als eines der innovativsten und erfolgreichsten Klaviertrios aus Skandinavien – vor allem wegen seiner neo-klassischen Arrangements und der filigranen Klangästhetik. Im Gegensatz zu den meisten Klaviertrios ist hier der Schlagzeuger der Bandleader und alleinige Komponist. Die in München ansässige Lisa Wahlandt überlässt das Komponieren gerne anderen. Sie und ihre Band sind bekannt für originelle Coverversionen. Egal ob Franz Schubert, die Beatles, Prince oder AC/DC ihr die Vorlagen liefern –Lisa Wahlandt verwandelt jeden Song in eleganten Jazz. Das Augsburger Trio Klangphonics dagegen verschmilzt Jazz und Techno und schafft so pulsierende Klangskulpturen, die akustische und elektronische Elemente auf beeindruckend neue Weise neu kombinieren.

Reunion nach zwei Jahrzehnten

Das Abschlusskonzert der Ingolstädter Jazztage findet diesmal in der Kirche statt und ist eine Zeitreise in die Vergangenheit. Die norwegische Ausnahmesängerin Rebekka Bakken hat 2001 und 2002 in New York mit dem österreichischen Gitarristen Wolfgang Muthspiel ihre ersten Plattenaufnahmen gemacht. Jetzt werden die beiden nach fast zwei Jahrzehnten erstmals wieder als Duo auftreten. Es dürfte ein Abend voller Erinnerungen werden, aber auch eine Erkundung dessen, was die beiden sich mit der Erfahrung von 2 Jahrzehnten im Gepäck neu und vielleicht ganz anders zu sagen haben. Ein schönerer Ausklang der Ingolstädter Jazztage 2021 ist kaum denkbar.


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