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Bayern genießen Jung - Bayern genießen im März

Ein Jahr alt sind sie nun schon diese epidemischen Zeiten. Kein Mensch käm drauf, die Pandemie als ein Jahr jung zu apostrophieren. Aber Epidemie hin oder her: Das Jahr ist jung und blüht auf und wir mit ihm. Dagegen können und wollen wir uns nicht wehren.

Stand: 03.03.2021 | Archiv

Bayern genießen: Jung - Bayern genießen im März

Hier unsere Genuss-Themen aus den bayerischen Regionen rund ums Motto "Jung"

Oberbayern: Jung gekocht. Bayerische Tapas vom Jungkoch aus dem Altmühltal. Von Stephan Lina
Niederbayern: Jungsteinzeit. Die Frühjahrstag- und Nachtgleiche in den niederbayerischen Kreisgrabenanlagen. Von Thomas Muggenthaler
Oberpfalz: Junge Torten. Integratives Kaffee in Flossenbürg. Von Uli Scherr
Oberfranken: Jung übt sich. Wie sich der Nachwuchs im Wildpark Mehlmeisel an Besucher gewöhnt. Von Anja Bischof
Mittelfranken: Junge Triebe. Knospen als Superfood. Von Tanja Oppelt
Unterfranken: Junge Möbel aus altem Holz. Upcycling in Einersheim. Von Jürgen Gläser
Schwaben: Jung geboren. Lammzeit bei den Wanderschäfern. Von Barbara Leinfelder

Kraftnahrung Knospen

Auch wenn es nach einem Oymoron klingt: Jung ist ein sehr altes Wort. Und sehr vielfältig. Es geht auf die jahrtausendealte Wortwurzel iuv- zurück, die in altindisch yuvan genauso drinsteckt wie in lateinisch iuvenis. Dabei geht die Bedeutung jünger, neuer auf die Grundvorstellung zurück, dass alles, was neu ist und sprießt auch nährend und förderlich ist und damit willkommen. Deshalb gehört auch lateinisch iucundus hierher, das heißt willkommen, angenehm; genauso iuvare, adiuvare = angenehm sein, fördern, unterstützen. Nicht umsonst ist der Adjutant meistens ein jüngerer Unterstützer. Auch die römische Göttin Junogehört hierher. Schließlich sorgt die Muttergottheit dafür, dass es die Jugend immer wieder gibt, jedes Jahr aufs Neue. Im nach ihr benannten Juni zeigt sich diese Jugend bereits in voller Blüte und Schönheit. Die Geburt der Jugend aber ist im März, dem nach Mars, dem Kriegs- und Vatergott benannten Monat, mit dem die Römer einstmals das Jahr haben anfangen lassen - und damit das Leben. Zusammengefasst: Jung, das ist willkommen, angenehm, fruchtbar, förderlich. Zum Beispiel die Knospen an den Bäumen. Aber dass Sie jetzt nicht die Stadtparks oder die Nachbarsgärten plündern! Auch wenn es der jugendliche Überschwang manchmal kaum zulässt - im rechten Maß steckt die Kraft. Das Rezept für eine Birkenknospensauce finden Sie hier.

Die Jungsteinzeit

Jung und alt, das klingt nach den zwei Seiten einer Medaille. Dabei sind die beiden Begriffe gar nicht aus dem gleichen wortbildenden Material gemacht. Willkommen, fruchtbar, förderlich ist jung. Alles absolute Begriffe, absolut positiv. Das Gegenteil davon kann eigentlich nur negativ sein. So aber haben die Römer ihr altus, worauf unser Wort alt zurückgeht, nicht aufgefasst. Altus hängt zusammen mit alo und das bedeutet ich ernähre, ziehe auf, lasse wachsen. Was ernährt ist, das ist er-wachsen, reif und damit, wenn man so will wiederum zur Ernährung geeignet. Alt ist also zunächst einmal durchaus nix Negatives. Aber im Gegensatz zum absoluten jung ist alt ein relativer Begriff. Ein Zehnjähriger und ein Fünfjähriger sind beide jung, trotzdem ist der Zehnjährige in Relation zum Fünfjährigen alt. Wobei es bei der Zeit genau andersherum zu sein scheint. Als jüngste Vergangenheit bezeichnen wir ein Zeitalter, in dem das Alter der Welt weiter fortgeschritten ist als zu den alten Zeiten, in denen die Welt noch jung war. Die Menschheit zum Beispiel hat die meisten Jahrhunderttausende ihres Bestehens in der sogenannten Altsteinzeit zugebracht. Bis sie vor etwa 12000 Jahren begonnen hat, ihr Leben, ihr ganzes Dasein radikal zu verändern. Vor etwa 8000 Jahren war dieser Wandel nahezu abgeschlossen. Noch immer war zwar Stein der härteste Werkstoff, den die Leute kannten. Aber nicht mehr lang. Mit der Jungsteinzeit, den letzten Jahrhunderten der Steinzeit, hat der Fortschritt begonnen. Auch bei uns in Bayern. Es war die Donau, die Bayern, vor allem Niederbayern, mit den fortschrittlichen Kulturen im lebensfreundlichen Mittelmeerraum verbunden und so zur Speerspitze des Fortschritts in Mitteleuropa gemacht hat. Und die Donau fließt heute noch wie vor Jahrtausenden. Und es ist diese Jungsteinzeit, auf die die allermeisten Begriffe unserer heutigen europäischen Sprachen zurückgehen. Auch wenn wir uns noch so jung und modern vorkommen. Die alten Zeiten sind mitten unter uns. ganz besonders deutlich wird das im Museum für Steinzeit und Gegenwart im Kastenhof von Landau an der Isar.

Junge im Wildpark

Das Junge lebt vom Alten. So gut und kraftvoll sie sein mögen - von Birkenknospen allein, wie in unserem ersten Beitrag heut, kann sich kein Mensch auf Dauer ernähren. Wir müssen Früchte schon auch wachsen und gedeihen, reifen, eben altwerden lassen, bevor sie wirklich zuträglich für uns sind, uns erfrischen, neue Kraft geben, uns verjüngen. Und was für den Körper gilt, gilt selbstverständlich auch für den Geist. Auch der will ernährt werden, damit er selbst wachsen kann. Lernen nennt man das. Lernen, das heißt, Fähigkeiten zu erwerben, die uns nicht angeboren sind, das müssen nicht bloß wir Menschen, sondern auch die Tiere. Vor allem Dinge, die eigentlich gegen unsere Natur sind. Wer einmal sein Leben im Büro verbringen wird, wie mittlerweile die meisten von uns, der kann gar nicht früh genug lernen, stillzusitzen, Und wenn, sagen wir einmal ein kleines Reh, das muss halt lernen, seinen angeborenen Fluchttrieb zu beherrschen, wenns in einem Tier- oder Wildpark lebt, in dem es viele furchterregende Geräusche geben kann. Bloß blöd, wenns das nicht lernt, weils zum Beispiel im Wildpark Mehlmeisel derzeit keine Besucher gibt, die solche Geräusche machen. So ists halt im Tierpark. Nicht bloß wir schauen die Tiere an, auch die Tiere nehmen uns wahr, schauen uns zu, lernen von uns. Wird schon Zeit, dass bald wieder aufgemacht wird. Nicht bloß die Besucher, auch die Tiere warten schon sehnsüchtig.

Der Jungkoch

Andreas Hofrichter

Das Junge kann nur auf dem Boden des Alten entstehen haben wir gesagt. Und irgendwann ist dieses Junge wieder alt undsoweiter. Jahrhunderttausendelang unabänderlich war dieser Kreislauf des Werden-und-Vergehens. Doch seit der Jungsteinzeit ist alles anders. Auf einmal scheint das Junge mehr zu sein als das Alte. Einfach deswegen, weil es das Alte erbt und was neues dazuerwirbt. Nicht nur im durch und durch materiellen Sinn, sondern eben auch geistig. Man lernt nicht mehr bloß das, was die Alten schon gewusst haben, sondern entwickelt was Neues. Man lernt dazu. Potenziert wird der Fortschritt durch eine Kulturtechnik, die ebenfalls in der Jungsteinzeit beginnt: Die Schrift. Auf einmal kann ich nicht mehr bloß vom mehr oder weniger beschränkten Wissen meiner unmittelbaren Umgebung lernen, sondern kann vom ständig größer werdenden Wissen der ganzen Welt profitieren und daraus was Neues machen. Und auf einmal beginnt etwas, das nicht mehr aufhört. Der Fortschritt. Fortschritt heißt Vergangenheit nutzbar zu machen, indem man auf ihr aufbaut. Nehmen Sie bloß einmal das Kochen. Eine uralte Kulturtechnik. Seit der Altsteinzeit. Seit der Jungsteinzeit allerdings sind uns schriftliche Rezepte überliefert, ein Schatz, der im Lauf der Jahrtausende immer weiter angewachsen ist und aus dem unsere heutigen Köche ständig Neuigkeiten kreieren. Ohne dabei das Alte zu vergessen, versteht sich. Andreas Hofrichter ist so einer. Mit seinen gerade einmal 29 Jahren ist er wahrscheinlich einer der jüngsten Köche in Bayern, die ein großes Hotel-Restaurant führen. Das "Staderer" in der Eichstätter Altstadt. Sein Rezept für Karottentatar gibt es hier.

Integratives Cafe in Flossenbürg

Der Mensch lernt ständig dazu. Eine uralte Binsenweisheit. Seit der Jungsteinzeit. Und selbstverständlich begibt er sich bei diesem Dazulernen, das ihn immer neue, bisher unbeschrittene Pfade einschlagen lässt, manchmal auch auf Irrwege. Nehmen sie zum Beispiel die Medizin. Alle Völker hatten seit den ältesten Zeiten Heilkundige, die mit großer Erfahrung und langer Wissenstradition, über Heilmittel für die allermeisten und schwersten Krankheiten verfügten. Doch auf einmal, am Ende des europäischen Mittelalters bricht diese Tradition ab. Angehende Ärzte studieren jetzt an den neugegründeten Universitäten und die alten Heiler auf den Jahrmärkten werden auf einmal als Quacksalber, also als quakende Salber, als geschwätzige, prahlerische Heiler abgetan. Und wenn sie aus unerklärlichem Grund dennoch erfolgreich waren, sogar als Hexer verfolgt. Erst heute kommen wir drauf, dass die alten Heilkundigen, bei uns oder in China und Indien, vielleicht doch nicht immer unrecht hatten. Oder nehmen sie Charles Darwins Lehre von der Entwicklung der Arten, die Evolution. Im 19. Jahrhundert entwickelt waren sofort eifrige Jünger da, die diese Lehre zum Sozialdarwinismus weiterentwickelten: Das Starke verdrängt das Schwache, merzt es aus. Plötzlich soll unter diesen Vorzeichen das soziale Empfinden das den Menschen, dieses beispielhaft soziale Wesen, von Anbeginn auszeichnet, nicht mehr gelten. Im 20. Jahrhundert dann wird der Sozialdarwinismus schreckliche gesellschaftliche Wirklichkeit: Zucht des Herrenmenschen, Ausmerzung lebensunwerten Lebens. Aber wir haben dazugelernt: Akkurat im ehemaligen Konzentrationslager Flossenbürg gibt es ein Museumscafe, das von jungen Menschen mit Behinderung betrieben wird.

Junge Möbel aus altem Holz

v.l.n.r. Tim Schröder, Florian Ittner, David Kolmstetter

Die Fortschrittsidee, die in der Jungsteinzeit ihren Anfang genommen hat, neigt, wie gezeigt, zu manchen Fehlentwicklungen. Einfach deswegen, weil Irrwege dazugehören, wenn man den Kreislauf zugunsten der Fortbewegung aufgibt. Besonders gefährdet solche Irrwege zu gehen ist dabei der, der dem fundamentalen Trugschluss unterliegt, dass das Junge der Feind des Alten ist. Nicht umsonst gehörten zu den menschenverachtenden Ideologien einer wildgewordenen Moderne im 20. Jahrhundert Menschenzüchtung und Menschenvernichtung genauso wie ungezügelter Jugend- und Körperkult und der Versuch alles abzuschaffen, was althergebracht war: Rituale, Bräuche, menschliche Gemeinschaften, Staatsformen, Religionen. All das sollte abgeschafft und durch etwas Neues, Junges ersetzt werden. Aber das Alte ist nicht von vornherein schlechter als das Junge. Im Gegenteil. Das Junge ist Fleisch vom Fleisch des Alten, es nährt sich von ihm und hat allein deswegen Gelegenheit, dazuzulernen. Und es ist beruhigend, dass auf die Irrwege des Fortschritts, so monströs sie sein mögen, immer wieder lange Phasen der Besinnung folgen, der Rückbesinnung auf die Grundlagen. Und wenn Jugend überhaupt ein Vorrecht hat, dann das, die Fehler und Irrwege der Väter zu korrigieren. Insofern ist das Normalste der Welt, wenn die drei jungen Schreinermeister von Mr. Timber da schon beim Material anfangen. Nur weil Holz ge-braucht ist, muss es längst noch nicht ver-braucht sein. Dabei geht’s nicht bloß um große Bau- und Möbelprojekte, sondern auch um viele kleine Sachen, die sich als Geschenk eignen. Und sie geben auch Kurse.

Lammzeit

Es ist das Geheimnis des Lebens, dass die Welt, mag sie auch noch so alt sein, immer wieder jung wird. Und das wird zu keiner Zeit des Jahres augenfälliger als jetzt, wenn das Frühjahr beginnt. Wobei dieses Jungwerden für die Menschen der Frühzeit nicht immer selbstverständlich war. Es verlangte nach einem kostbaren Opfer, nach dem kostbarsten und teuersten überhaupt: Der eigenen Erstgeburt. Das Opfer der unschuldigen Jugend sollte dazu dienen, die Welt als Ganzes wieder jung zu machen und zu erneuern. Erst seit der Jungsteinzeit werden Menschenopfer allmählich durch das zweitkostbarste Besitztum abgelöst: das Opfer eines reinen, weißen Lamms. Ein historischer Vorgang seit der Jungsteinzeit, der sich in den biblischen Geschichten niederschlägt, von der verhinderten Opferung Isaaks bis zum Pessachlamm als Ersatz für das Opfer der Erstgeborenen beim Auszug aus Ägypten. Auf diesem Weg entsteht auch die christliche Idee des Opferlamms. Ein nur noch symbolisches, unblutiges Opfer. Es war die Idee der Zeit. Wenige Jahrzehnte vor Christi Tod, im Jahr 97 vor unserer Zeitrechnung, hatte der römische Senat Menschenopfer endgültig verboten. Bis heute aber geben die Schafe, die ersten Nutztiere der Menschheit überhaupt, buchstäblich Haut und Haar hin für den Menschen: Fleisch, Milch, Fell, Wolle. Und noch heute gibt es Wanderschafherden in Bayern – ein jahrtausendealter, nachgerade mythischer Anblick. Gerade jetzt zur Lammzeit. Hier erfahren Sie, wo in ihrer Nähe Sie Schäfereien mit Direktvermarktung finden.

Zum Schluss

Jung, das Wort hängt, wie gesagt, unter anderem mit lateinisch iucundus = willkommen, angenehm zusammen. Ohne dabei das Alte abzuwerten, freuen wir uns auf das Neue, das mit jungen Leuten und jungen Genussideen ins Land kommt. In diesem Sinn wünschen wir Ihnen - trotz Fastenzeit - einen genussreichen März!


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