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Verkehrswende Kanal statt Autobahn zwischen Nürnberg und Fürth

Dort wo einst der Ludwig-Donau-Main-Kanal durch Nürnberg und Fürth floss, führt heute die Trasse der Stadtautobahn 73 entlang. Doch eine Initiative möchte dem alten Kanal zu einer neuen Blüte verhelfen.

Von: Petra Nacke

Stand: 14.04.2022 | Archiv

Verkehrswende: Kanal statt Autobahn zwischen Nürnberg und Fürth

Jeden Tag sind auf dem Frankenschnellweg, je nach Schätzung, zwischen 40.000 und 60.000 Fahrzeuge unterwegs. Sie verursachen Dreck, Lärm, Gestank. Wer ihn als Fußgänger oder Radfahrer queren muss, tut es schnell. Wer hier wohnt, leidet. Die Stadt möchte den Frankenschnellweg um- und ausbauen – ein Teil des Verkehrs soll unterirdisch durch einen Tunnel rollen, Lärmschutzwände sollen errichtet und Kreuzungen entfernt werden.

Der Plan: ein neuer Stadtkanal

Michaela Schneider und Jochen Stein haben andere Pläne.

"Also an dieser Stelle, an der wir hier stehen, das ist eigentlich die Trasse, auf der der frühere Ludwig-Donau-Main-Kanal verlaufen ist, und auf der auch wieder der neue Nürnberg-Fürther-Stadtkanal verlaufen würde."

Michaela Schneider, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Jochen Stein deutet auf eine trostlose Brache neben der Stadtautobahn.

"Das kann sehr gut ein Strand werden, wir sind ja auch in der Nähe eines geplanten Schwimmbads, hier sind ja auch Bürgergärten geplant und Freiräume für alle möglichen Aktivitäten. Auf jeden Fall kein Lärm, sondern Vogelgezwitscher, grüne Flächen – eine grüne Lunge der Stadt."

Jochen Stein, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Jochen Stein und Michaela Schneider mit den Plänen für den Stadtkanal.

Michaela und Jochen sind Mitglieder im Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein, der vor einem guten Jahr gegründet wurde. Der Vereinszweck wirkt geradezu tollkühn. Ich treffe die beiden noch einmal an einem ruhigeren Ort, um zu erfahren, was genau das heißt: ein Stadtkanal.

"Das heißt, wir wollen die Betondecke aufreißen, und da soll wirklich wieder Wasser fließen. Und es soll auch nicht nur einfach ein Fluss sein, sondern, das ist wirklich auch als Wasserstraße auch gedacht, also als zusätzliche Verkehrsader für die Stadt Nürnberg – also, da können Boote verkehren, die Personen transportieren. Das Ganze soll natürlich ins öffentliche Nahverkehrsnetz eingebunden sein, dass man da einfach von der Südstadt Nürnberg bis nach Fürth mit dem Boot fahren kann."

Michaela Schneider, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Wohin mit all den Autos?

Der Frankenschnellweg an der Kreuzung Schwabacher Straße.

Der Frankenschnellweg ist die Dauerbaustelle in Nürnberg. Die Idee für diese Stadtautobahn, als wichtiger Schritt für eine autogerechte Stadt, stammt noch aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie überlebte Weltkrieg und Wiederaufbau und geistert seitdem durch die Geschichte der Stadtplanung wie ein asphaltgraues Gespenst. 1967: Fertigstellung des ersten Teilstücks zwischen Kurgarten- und Jansenbrücke. 1976 - 80: Weiterbau von der Jansen- bis zur Otto-Brenner-Brücke.

Danach sollte Schluss sein. Man wolle, hieß es damals im Stadtrat, nicht noch mehr Verkehr anlocken. Doch den Verkehr musste man nicht locken. Er kam von ganz allein. Wohin mit all den Autos, wenn hier in Zukunft ein Kanal fließen würde?

"Der Ausweichverkehr soll sich verlagern und er soll reduziert werden – das Reduzieren ist der wesentliche Faktor. Unser Projekt soll natürlich ein Stellhebel sein, um die Verkehrswende beschleunigt voranzubringen, also Umverlagerung in den öffentlichen Nahverkehr, in die neuen Angebote, die unter anderem auf dem Wasser ja passieren sollen, Umverlagerung in Fahrradverkehr, Fußgängerbeziehungen werden aufgewertet, und der nicht verhinderbare Verkehr, also der Quellverkehr und Zielverkehr aus dem Quartier raus, der soll natürlich nach wie vor möglich sein, dafür haben wir aber genug Infrastruktur in der Stadt. Die Verkehre, die von außen den Frankenschnellweg gerade nur zum Durchrumpeln nutzen, die sollen bitte vor der Stadt abgeleitet werden."

Jochen Stein, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Kanal statt Autobahn – das wäre gut fürs Stadtklima

Ein Rückbau der Autostraße in eine Wasserstraße würde aber nicht nur die direkten Anwohner entlasten, sondern auch dem Stadtklima und damit allen Bewohnern zugutekommen, meinen die Kanalbefürworter.

"Das wäre erstens eine Frischluftschneise durch die ganze Stadt auf zehn Kilometern Strecke – das wäre natürlich im Sommer, wenn die Stadt sich aufheizt durch die Klimaerwärmung, ein wirklich wirksames Mittel. Und dann würden eben entlang des Kanals Gärten entstehen, Parks entstehen, Kleingewerbe kann sich ansiedeln: also da ist wahnsinnig viel denkbar in Richtung nachhaltiger Stadtentwicklung. Was auch natürlich die Stadtteile, die jetzt durch die Autobahn absolut voneinander abgeschnitten sind, wieder zusammenführen würde."

Michaela Schneider, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Tatsächlich wird schon in dem von der Stadt beauftragte Gutachterbericht von 2014 auf ein Grünflächendefizit von 31 Hektar hingewiesen. 40 Hektar entsiegelter Fläche, die der Rückbau des Frankenschnellwegs brächte, würden dies leicht kompensieren.

Schnelle Bauzeit, geringere Kosten

Michaela Schneider und Jochen Stein vom Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Punkten möchte der Verein außerdem mit Bauzeit und Kosten. Der Städtische Plan für den weiteren Ausbau der Straße sieht eine reine Bauzeit von rund 10 Jahren vor. Beim Stadtkanal ginge es mit zwei bis drei Jahren deutlich schneller, so der Architekt Jochen Stein.

"Neben den zwei bis drei Jahren baulicher Umsetzung ist natürlich vorgelagert ein Planungsprozess, der als integrativer Prozess der Stadtbevölkerung gedacht ist, wo wir ja eine große, lineare Spielwiese schaffen für alle möglichen Ideen städtebaulicher Entwicklung."

Jochen Stein, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Als Kosten für ihr Projekt veranschlagt die Stadt momentan 660 Millionen Euro, auch hier läge die Vereinslösung deutlich darunter.

"Wir haben das mal überschlagen und kämen ungefähr so auf 50 Millionen, also das wäre ein Bruchteil. Und zusätzlich ist auch ja so gedacht, dass durch die Gewerbe und Händler, die sich ansiedeln würden, da ja auch für die Stadt Einnahmen generiert werden könnten. Also, das wäre für die Stadt ein Gewinn in finanzieller Hinsicht."

Michaela Schneider, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Was sagen Stadt und Bürger zur Stadtkanal-Idee?

Die Reaktionen der Stadt auf diesen sehr alternativen Gegenentwurf halten sich bisher in Grenzen, aber es gibt sie.

"Ja, da haben wir schon ein paar Reaktionen bekommen, es zeichnet sich auch innerhalb des Stadtrats eine Diskussionsbereitschaft ab, also da gibt es jetzt durchaus auch einige Personen, die den Ausbau des Frankenschnellwegs auch kritisch sehen, aber das ist natürlich noch ein hartes Brett zu bohren."

Michaela Schneider, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

"Hier hat man die Möglichkeit, aufzuzeigen, wie ein wirklich positiver Stadtumbau funktionieren kann. Wir glauben und hoffen ja, dass das Dinosaurierprojekt Frankenschnellweg-Übertunnelung in einer Sackgasse steckt, und auch für die Politik unser Projekt eine große Chance ist, einen guten Ausweg zu zeigen."

Jochen Stein, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Von den Gegenentwürfen zu den städtischen Umbauplänen, ist der Stadtkanal mit Sicherheit der gewagteste. Entsprechend schwanken auch die Meinungen der Bevölkerung, zum Beispiel in Kommentaren auf der Internetseite der Lokalzeitung zwischen echter Begeisterung und offener Ablehnung.

"Denen kann man entgegnen, dass wir ja nicht die ersten sind, die solche Projekte stemmen wollen, sondern, es gibt da schon Beispiele aus anderen Städten. Zum Beispiel in Utrecht wurde das gemacht, da wurde eine ehemalige Autobahn – da wurde der Kanal unten drunter wieder freigelegt, oder in Siegen. Und dann denke ich, wenn das andere geschafft haben, kann man die Leute auch überzeugen, dass sowas einfach möglich ist."

Michaela Schneider, Nürnberg-Fürther-Stadtkanalverein

Ein preiswürdiges Projekt

Überzeugt hat das Projekt auf jeden Fall die Leser der taz, was den Initiatoren 2021 den Panterpreis der Zeitung einbrachte. Dieser Preis wird für herausragende Zivilcourage verliehen, und die braucht, wer mit kreativen Visionen gegen asphaltgraue Gespenster kämpft, wer, anstelle einer autogerechten Stadt, eine menschengerechte möchte.


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