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Kommentar zur Corona-Krise Ein kühler Kopf und das Herz am rechten Fleck

Die Corona-Epidemie lähmt das öffentliche Leben in Deutschland und den Nachbarländern. In sozialen Netzwerken formieren sich Initiativen zur Nachbarschaftshilfe, der Konsum geht zurück. Solidarität und Entschleunigung - ein hoffnungsvoller Ansatz in Zeiten der Krise. Tilmann Kleinjung kommentiert.

Stand: 18.03.2020

17.03.2020, Nordrhein-Westfalen, Essen: Die 79jährige Inge Vincents (r) bekommt von ihrer Nachbarin Heike van Ackern eine Tasche mit den von ihr bestellten Lebensmitteln. Die Rentnerin möchte während der Corona-Pandemie wegen des erhöhten Ansteckungsrisikosmöglichst ihr Haus selten verlassen. (zu dpa-Korr "Wie uns die Corona-Krise zusammenschweißt") Foto: Roland Weihrauch/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bild: dpa-Bildfunk/Roland Weihrauch

Jeder geht durch diese Krise auf seine Weise. Junge Menschen versammeln sich zu Corona Partys, als gäbe es kein Morgen. Endzeit-Sehnsucht? Nein, eine Schnapsidee. Der französische Präsident versucht derlei Sorglosigkeit mit martialischer Rhetorik zu bekämpfen. "Wir sind im Krieg", sagt Emmanuel Macron. Natürlich befinden wir uns nicht im Kriegszustand. Blut, Schweiß und Tränen sind das letzte, was wir in dieser Situation verteilen sollten. Wir brauchen einen kühlen Kopf und das Herz am rechten Fleck.

Systemrelevante Berufe anständig bezahlen

Selten war der aufklärerische Mut, "sich seines eigenen Verstandes zu bedienen", so gefragt wie in diesen Tagen. Der durch Bilder von leeren Regalen entfesselte Hamster-Herdentrieb hätte kaum eine Chance. Verlassen wir uns auf unseren Verstand, um zu entscheiden, was notwendig ist, was verzichtbar und hören wir auf unser Herz, um die Menschen wahrzunehmen, die auf Schutz und Unterstützung angewiesen sind: weil sie alt oder einsam sind. Oder weil sie in einem Bereich arbeiten, der "systemrelevant" ist. Was für ein Wort!  Wir sollten uns, wenn wir diese Pandemie dann hoffentlich eines Tages überstanden haben, kritisch fragen, warum wir viele von den Menschen, die für uns "systemrelevant" sind, so miserabel bezahlen. Ein Hoch auf die OP-Schwester, auf die Supermarkt-Kassiererin und den Paketzusteller!

Vertrauen in die Maßnahmen

In unseren Biographien stellen diese Wochen und vermutlich Monate eine Zäsur dar. War das vor oder nach Corona?  So etwas hat noch niemand erlebt. Dass Regionen und Städte abgeriegelt werden, dass es in manchen Ländern Europas Ausgangssperren gibt. Wochenlange Schulschließungen, Produktionsstopps. Solch drastische Einschnitte ins alltägliche Leben und Miteinander gab es in Deutschland zuletzt im Zweiten Weltkrieg. Da liegt Macron mit seiner Rede vom Krieg ja gar nicht so falsch. Und doch ist es ein seltsamer Kampf, den wir da führen. Der Kampf gegen Langeweile, gegen Fake-News, gegen Egoismus. Und am schwierigsten: gegen diese tiefe Verunsicherung. Keine Wissenschaftlerin und kein Wissenschaftler, keine Kanzlerin und kein Ministerpräsident kennt den goldenen Weg aus der Krise.  Wir können nur vertrauen, nicht blind, aber doch ziemlich alternativlos, dass die Maßnahmen, die ergriffen werden, die richtigen sind, um uns aus dieser Krise zu führen.

Zentrale Lebensfragen rücken ins Zentrum

Kommentator Tilmann Kleinjung

Ein schlimmes Ende mag sich keiner ausmalen. Und im besten Fall? Im besten Fall wird die Corona-Pandemie neben all dem Leid, Schmerz und Tod auch andere Spuren hinterlassen.  Klingt nach abgedroschener Ratgeberliteratur: Die Krise als Chance. Aber die Liste an Lernerfahrungen aus diesem Notstand ist doch schon heute lang: globale Solidarität; chinesische Ärzteteams helfen in Europa. Gesellschaftlicher Zusammenhalt: Die Italiener singen sich jeden Abend von ihren Balkonen Mut zu.  Und die entscheidende Frage, die jeder nur für sich beantworten kann: Was ist wirklich wichtig im Leben?


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