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Die Akte GBW - ein bayerischer Wirtschaftskrimi Mieter am Limit: "Die wollen uns raushaben"

In München-Moosach leben Menschen, die sich andere Viertel der Stadt schon lange nicht mehr leisten können. Jetzt werden die Wohnblöcke von der GBW modernisiert. Die Mieten steigen.

Von: Claudia Gürkov, Maximilian Burkhart und Wolfgang Kerler

Stand: 12.10.2016 | Archiv

Die Akte GBW - ein bayerischer Wirtschaftkrimi: Mieter am Limit: "Die wollen uns raushaben"

"An der Gärtnerei" nennt sich der Wohnblock in einer Verkaufsbroschüre, den die Patrizia im Internet präsentiert. Eigentlich stammen die einfachen Bauten am Seydlitzplatz in München-Moosach aus den 1950er- und 1960er-Jahren.

Doch der Prospekt zeigt schicke Fassaden, einen Neubau im Hinterhof wo einst die Garagen der Mieter standen und neue Stockwerke. Da soll es zwei Lofts geben, sagen Anwohner. Kostenpunkt: fast eine Million Euro. Viele Mieter hier haben im Monat nicht einmal tausend Euro.

Camping-Klo im Flur

Bewohnt wird diese "solide Kapitalanlage" am Seydlitzplatz unter anderem von Johanna und Hans Vossen. Statt auf die "Gärtnerei" blicken die Verkäuferin und der Rentner auf Folien, Dreck, Gerüste und gestapeltes Dämmmaterial. Denn um aus dem Seydlitzplatz das  "schöne Zuhause" zu machen, muss die GBW großflächig modernisieren.

Seinen Balkon darf das Ehepaar Vossen nicht betreten. Die Fliesen sind weggestemmt, ein Geländer gibt es nicht mehr, Stromkabel ragen aus der Wand. Immerhin, das Bad ist fertig. Nach Wochen, sagt Hans Vossen.

"Die haben uns hier einen Eimer hingestellt wie vor 60 Jahren, da sollten wir unser Geschäft machen. Die wollten, dass wir rausgehen. Todsicher wollten die, dass wir rausgehen. Das deutet alles darauf hin, die werden wir schon klein braten, die ziehen von alleine aus."

Hans Vossen, GBW-Mieter

Unter den Vossens hat bis Juni 2016 Lina Vielberth gewohnt. Die 34-jährige alleinerziehende Mutter ist mit den Nerven am Ende und hat sich mittlerweile eine andere Bleibe gesucht. Davor aber hat sie ein Baustellen-Protokoll geführt

Baustellen-Protokoll

  • 11.und 12. April: In der gesamten Wohnung kein Wasser, Gemeinschaftsbad im dritten Stock, Toilette verstopft. Keine Heizungen in der Wohnung, kein Bad, keine Toilette und keine nutzbare Küche. Jeder kann die Wohnung betreten, z.B. haben die Nachbarn gestern Fotos von meiner Wohnung gemacht. Campingtoilette im Gang sollte, nach Aussage des Bauleiters alle zwei Tage geleert werden. Das erste Mal geleert wurde sie am 15. April. Bis heute nicht mehr geleert.
  • 18. und 19. April: Erneut kein Wasser in der gesamten Wohnung, Küche wurde eine Woche zu früh demontiert.
  • 9. Mai: Um 08:00 Uhr kommen Frau ***, der Bauleiter und zwei weitere Herren, haben sich die Wohnung angeschaut. 30 Punkte wurden noch aufgenommen, die zu Ende gemacht werden müssen bzw. was noch zu klären ist.
  • 18.Mai: Ich bekomme meinen Schlüssel wieder.
  • 23. Mai: Balkongeländer werden abmontiert

"Keine Verstöße gegen die Sozialcharta"

Wir konfrontieren die GBW-Gruppe mit den Sorgen der Mieter. In der schriftlichen Antwort heißt es:

"Im Sinne unserer Mieter führen wir bei unseren Immobilien regelmäßig notwendige Sanierungs-und Modernisierungsarbeiten durch. Leider können durch diese Arbeiten immer wieder auch Unannehmlichkeiten entstehen. (…) Den Vorwurf der systematischen Entmietung weisen wir entschieden zurück."

Aus einer schriftlichen Antwort der GBW auf eine Anfrage von BR Recherche

Wir fragen bei der Bayern LB nach, wie sie die Lage der Mieter einschätzt. In der schriftlichen Antwort heißt es:

"Über die Einhaltung der Sozialcharta wacht ein externer Wirtschaftsprüfer. (…) Den (…) Prüfberichten sind keine Verstöße gegen die Sozialcharta zu entnehmen."

Aus einer schriftlichen Antwort der Bayern LB auf eine Anfrage von BR Recherche

"Die Sozialcharta ist für den Papierkorb"

Doch mit der Sozialcharta ist das so eine Sache, denn es geht nicht um einzelne Mieter, sondern um bayernweite Durchschnittswerte. Ein Beispiel: Die Miete darf nicht um mehr als 15 Prozent steigen - im Schnitt aller GBW-Wohnungen in Bayern.

Da die Mieten in weniger attraktiven Lagen wie z.B. in Hof kaum oder gar nicht steigen, kann anderswo umso mehr erhöht werden. Und vor höheren Mieten durch die Modernisierungsumlage schützt die Sozialcharta sowieso nicht. Wir legen unsere Recherchen dem Deutschen Mieterbund vor. Die Geschäftsführerin des Landesverbandes Bayern, Monika Schmid-Balzert, sieht ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.

"Die Mieter sind da ganz schrecklichen Situationen ausgesetzt, das ist völlig untragbar. Ich muss nur leider sagen, wir hatten so etwas befürchtet."

Monika Schmid-Balzert, Deutscher Mieterbund

Doch wer genau profitiert eigentlich von steigenden Mieteinnahmen und den Verkaufserlösen? Die Spur führ nach Luxemburg.


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