Neue Fragen und Ungereimtheiten zum GBW-Verkauf
Es ist einer der größten Immobiliendeals Deutschlands: Die Bayerische Landesbank verkauft auf einen Schlag rund 30 000 Wohnungen in Bayern. 80 000 Mieter sind betroffen. Den Zuschlag erhält im April 2013 ein vom Augsburger Immobilienunternehmen Patrizia angeführtes Bieterkonsortium. Zum Kaufpreis von knapp 2,45 Milliarden Euro.
"Die GBW bleibt bayerisch"
Die Mieter, oft Rentner oder Familien mit kleinem Einkommen, sind beunruhigt. Doch Bayerns Finanzminister Markus Söder betont nach dem Verkauf:
"Die GBW bleibt bayerisch"
Bayerns Finanzminister Markus Söder
Die ehemals staatlichen Wohnungen sind in Bayern, das stimmt. Doch nach Informationen von BR Recherche gehören sie einem komplexen Firmenkonstrukt. Dieses ist überwiegend im europäischen Steuerparadies Luxemburg und in den Niederlanden angesiedelt. Im Zentrum steht ein geschlossener Immobilienfonds, der den Investoren Anonymität garantiert. Auf Nachfrage räumt das Finanzministerium schriftlich ein:
"Nähere Informationen über die Gesellschafterstruktur und das dahinterliegende Firmenkonstrukt lagen dem Finanzministerium beim Verkauf nicht vor."
Bayerisches Finanzministerium
Der Deal mit der Patrizia und deren Partnern
Bis heute erklärt das Finanzministerium, dass die Immobilientochter der BayernLB, die Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft (GBW) aufgrund des Beihilfeverfahrens der EU verkauft werden musste. Weil sich die BayernLB bei Immobiliengeschäften in den USA verspekuliert und mit dem Kauf der österreichischen Hypo Group Alpe Adria übernommen hatte, droht der Zusammenbruch. Er wird durch eine Zehn Milliarden Euro-Finanzspritze von Bayern und dem Bund verhindert.
Die EU schaltet sich ein, bringt ein Beihilfeverfahren auf den Weg. Mit einem Kompromiss wird es eingestellt. Die BayernLB soll sich sanieren. Im Zuge eines Bieterverfahrens verkauft sie die GBW 2013 an die Patrizia und Partner, 27 weitere Investoren. Die bayerischen Kommunen, die mitgeboten haben, gehen leer aus.
Die Bayerische Landesbank und das Finanzministerium verteidigen bis heute die Entscheidung
Bayerische Landesbank
"Aus beihilferechtlicher Sicht war letztlich die Höhe des Kaufpreises das ausschlaggebende Entscheidungskriterium. Ein Zuschlag zugunsten der Patrizia war deshalb geboten." Bayerische Landesbank
Bayerisches Finanzministerium
"Das Bieterverfahren wurde von der BayernLB durchgeführt und von einem von der EU-Kommission eingesetzten Überwachungstreuhänder (Trustee) überprüft. Dieser hat ausdrücklich bestätigt, dass weder an dem durchgeführten Veräußerungsverfahren noch an der Entscheidungsfindung Beanstandungen festzustellen sind." Bayerisches Finanzministerium
Verkaufsversuch schon 2008
Aber stimmt es, dass die GBW im Zuge des EU-Beihilfeverfahrens verkauft werden musste? Finanzminister Markus Söder hat immer wieder betont, der Freistaat wolle die GBW gar nicht verkaufen. Doch nach Informationen von BR Recherche hat es schon 2008 einen Verkaufsversuch gegeben, also vor Auflagen der EU. Weder die Landesbank noch das Finanzministerium äußern sich dazu. Dabei wirft das ganz neue Fragen auf: Hatte die Patrizia, die schon 2008 Interesse zeigte, später im Verkaufsprozess einen Startvorteil? Wusste sie mehr über die GBW als die anderen Bieter?
Neue Fragen
Und noch mehr Fragen stehen nach monatelanger Recherche, unzähligen Gesprächen mit Insidern und der Lektüre hunderter Seiten geheimer Unterlagen im Raum: War der Umgang mit den Kommunen im Bieterverfahren wirklich tadellos? Welche Rolle spielen Sparkassen im Investorenclub? Und nicht zuletzt: Wie geht es eigentlich den GBW-Mietern heute? Viele Mieter sind am Limit und befürchten: "Die wollen uns raushaben".
Hintergrund GBW
1936 als Baugenossenschaft gegründet, bietet die Gemeinnützige Bayerische Wohnungsgesellschaft (GBW) bis zu ihrem Verkauf über 80.000 Menschen günstigen Mietraum an. Jede dritte Wohnung aus dem GBW-Bestand wurde öffentlich gefördert, die meisten liegen in bayerischen Ballungsräumen wie München, Nürnberg oder Regensburg. 2013 gehört die GBW zu knapp 92% der Bayerischen Landesbank, der Rest der Aktien ist im Streubesitz.