Bayern 2

     

radioTexte - Das offene Buch Sasha Marianna Salzmann: "Außer sich"

Sasha Marianna Salzmann | Bild: picture-alliance/dpa

Sonntag, 26.11.2017
11:00 bis 11:30 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Als Theatermacherin ist sie längst höchst erfolgreich. Nun feiert Sasha Marianna Salzmann mit ihrem Debüt-Roman "Außer sich" einen internationalen Erfolg

Shootingstar

Dass Sasha Marianna Salzmann einmal der Shootingstar der deutschen Theaterszene werden und ihr Roman-Debüt wie ein Komet leuchten würde, hätte wohl niemand gedacht, als sie 1985 in Wolgograd geboren wurde und mit zehn Jahren als jüdischer Kontingentflüchtling nach Deutschland kam. Migration, Identität, Jüdisch-Sein, Herkunft und Zugehörigkeit sind ihre Themen, oft radikal und provokant wie beim „Desintegrations-Kongress“ am Maxim Gorki Theater, dessen Hausautorin Sasha Marianna Salzmann ist und dessen Experimentierbühne sie erfolgreich leitete.

Flirrendes Istanbul

Während eines Stipendiums an der Tarabaya Akademie in Istanbul schrieb Sasha Marianna Salzmann ihren ersten Roman. In Istanbul, der Stadt, die flirrt, in der alles möglich schien. Sie fand Kontakte zur Trans-Community, schrieb unter dem Eindruck der Gezi-Proteste und der Lektüre südamerikanischer Autoren, anfangs wie im Rausch.

„Und ich produzierte so an die 100 Seiten am Stück und ließ sie liegen, weil ich ein bisschen Angst hatte vor dem Projekt, aber auch nicht wusste, was ich erzählen wollte. Ich kannte Istanbul nicht, es war mein In-Dialog-Treten mit der Stadt.Ich bin so gesprungen in meiner Suche, nach dem, was mein Stoff ist, dassvielleicht auch spürbar ist, dassich fast schon panisch danach grabe, was denn jetzt passiert in diesem Stoff und mit meinen Figuren.“ (Sasha Marianna Salzmann)

Familienroman der anderen Art

„Außer sich“ ist ein Vier-Generationen-Familienroman russisch-deutscher Juden zwischen Sowjetunion, Deutschland und der Türkei, eine flirrende Erinnerung und Suchbewegung, erzählt in einem wilden, anarchischen Ton. Alissa, genannt Ali, sucht Anton, ihren Zwillingsbruder, der in Istanbul verschwand. Sie begegnet Katho, dem Transmann, gerät in die Trans-Community, verändert sich, wird immer männlicher, Anton immer ähnlicher. Gibt es Anton überhaupt?

Shakespeare reloaded

Die Grundidee des Romans ist ein Stück, Shakespeares „Was ihr wollt“, worin Viola, in männlicher Verkleidung, ihren Bruder sucht. Sasha Marianna Salzmann hat aus dem dramatischen Spiel mit Identitäten ein betörendes Stück Prosa von heute gemacht. Und einen Welterfolg. Schon jetzt wird ihr Debüt „Außer sich“ in dreizehn Sprachen übersetzt und war auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises nominiert.

Autorenlesung und Gespräch: Sasha Marianna Salzmann. Moderation: Cornelia Zetzsche