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Legasthenie / Dyslexie Woher die Lese- und Rechtschreibstörung kommt

Obwohl es immer wieder neue Studien gibt, sind die Ursachen der Lese- und Rechtschreibschwäche noch nicht geklärt. Warum haben Betroffene ein Leben lang mit dem Lesen und Schreiben zu kämpfen? Hier erfahrt ihr, was Forscher bisher herausgefunden haben.

Stand: 05.09.2023

Audio: Legasthenie - Sprachentwicklung mit Hürden

Auch wenn es noch vieles zu enträtseln gilt und es viele verschiedene Forschungsansätze gibt, sind sich die Forscher in Folgendem einig: die Lese- und Rechtschreibschwäche kann nicht mit einer verzögerten Entwicklung kognitiver Fähigkeiten, zu denen Erinnern, die Aufmerksamkeit, das Urteilen oder auch das Denken zählen, erklärt werden. Die Legasthenie hat auch nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun. Sie kommt in allen Bevölkerungsschichten vor und sie hat eine genetische Ursache. Das bedeutet, dass der Betroffene sein Leben lang damit leben muss. Derzeit unterscheiden Forscher weltweit drei Ausprägungen der Legasthenie.

Drei Ausprägungen der Legasthenie / Dyslexie

  • eine kombinierte Lese-Rechtschreibstörung
  • eine isolierte Lesestörung
  • eine isolierte Rechtschreibstörung

Video: Wie man mit Legasthenie studiert

Legastheniker: Wenn das "L" beim Löwen unsichtbar ist

Legastheniker haben oft Schwierigkeiten in der Schule.

Nachgewiesen wurde ein enger Zusammenhang von Legasthenie und der Sprachentwicklung. Meist haben Kinder, bei denen später Legasthenie diagnostiziert wird, schon im Kindergarten Probleme damit, zu reimen oder Silben zu unterscheiden. Sie können Anlaute wie das "L" von Löwe nur schwer erkennen oder sie können Vokale kaum unterscheiden. Ihnen fehlt das sogenannte phonologische Bewusstsein - also die Fähigkeit, Laute korrekt wahrzunehmen und wiederzuerkennen.

Phonologisches Gedächtnis spielt bei Legasthenie eine Rolle

So wird die Fähigkeit genannt, einzelne Laute zu unterscheiden und darüber hinaus dieses Lautwissen aktiv zu nutzen. Also Laute zu einem Wort zu verbinden und dieses phonologische Wissen aus dem Gedächtnis heraus zu aktivieren.

Bei etwa zwei Dritteln der Kinder, die eine Lese-Rechtschreibstörung entwickeln, kann dies bereits im Vorschulalter oder zum Zeitpunkt der Einschulung anhand von Schwächen des phonologischen Bewusstseins erkannt werden. Doch noch immer sind die Forscher über die Erfolge der bisher vorliegenden Therapiemethoden enttäuscht. Es wird immer deutlicher, dass Betroffene nur dann wirksam behandelt werden können, wenn die biologischen Ursachen für Legasthenie herausgefunden werden.

"Das Ziel ist, herauszubekommen, was die genaue biologische Ursache für die Legasthenie ist. Weil ich, wenn ich verstehe, was die genetische Ursache ist, daraus dann mein Wissen weiterentwickle und verstehe, was im Gehirn abläuft, dann habe ich die besten Voraussetzungen, um mit diesem Wissen die optimale Betreuung und Therapie von Kindern mit Legasthenie zu entwickeln."

Tiemo Grimm, Humangenetiker, Universität Würzburg

Ursachen für Legasthenie und Dyslexie im Gehirn

Kulturelle Unterschiede beim Lesen und Schreiben

Legasthenie ist je nach Kultur in unterschiedlichen Hirnregionen angesiedelt. Bei Chinesen, die Schriftzeichen lesen, liegen die Probleme in anderen Gehirnarealen als bei Menschen, die mit alphabetischen Sprachen arbeiten. Hier muss das Gehirn lediglich die Buchstaben der Wörter mit Lauten verknüpfen. Im Chinesischen kommt die Erkennung der komplexen Schriftzeichen hinzu.

So wurde mithilfe von Kernspin-Analysen und Magnetresonanztomografien nachgewiesen, dass manche Prozesse im Gehirn von Legasthenikern anders ablaufen als bei Menschen, die normal lesen und schreiben können. Es gibt strukturelle Unterschiede in verschiedenen Hirnzonen.
Was die Ursachen für diese Unterschiede sind, konnte bisher nicht herausgefunden werden. Doch gerade das wäre die Voraussetzung für eine bessere Behandlung, davon sind die Forscher überzeugt. Nur wenn sie die biologischen und genetischen Ursachen entschlüsseln, können sie angemessene und wirksame Therapien entwickeln. Eine Studie der Universität Oxford zeigte, dass Kinder mit einer Lese- und Rechtschreibstörung auch Bewegungen langsamer wahrnehmen.

Neuronen auf Abwegen könnten zu Legasthenie führen

Kinder mit Legasthenie haben Probleme mit dem Lesen und Schreiben.

Eine Theorie ist, dass die Veränderungen im Gehirn durch eine gestörte Wanderung der Neuronen verursacht wird. Und das ist wiederum eine Folge von Genveränderungen, die sich schon im embryonalen Zustand auswirken. Diese veränderten Gene, die sogenannten Kandidatengene, stehen im Verdacht, Krankheiten auslösen zu können. Die Gene, die für Legasthenie verantwortlich zu sein scheinen, haben alle eine Bedeutung in der frühen Hirnentwicklung. Dass sie aber tatsächlich die Ursache für eine Lese- und Rechtschreibstörung sind, konnte bisher nicht nachgewiesen werden.

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Welche Rolle spielen Gene beim Lesen und Schreiben?

Bisher hat sich bestätigt, dass sich auf dem Chromosom 6 Kandidatengene befinden, die darauf einwirken, wie jemand Schreiben und Lesen lernt. Allerdings wissen die Forscher noch nicht, auf was sie genau einwirken, ob auf die Phonologie, die Orthografie, das Gedächtnis oder die Sprache. Auch auf den Chromosomen 2, 3 und 15 hat man solche Kandidatengene entdeckt. All diese Gene haben gemeinsam, dass sie in der frühen Hirnentwicklung aktiv sind und dass sie alle darauf einwirken, wie sich das neuronale Netz im Gehirn entwickelt.

Lese- und Rechtschreibschwäche: Legasthenie hat unterschiedliche genetische Ursachen

Gene sollen verantwortlich für die Lese- und Rechtschreibstörung sein.

Die Forscher müssen nun zeigen, dass diese veränderten Gene tatsächlich das Lesen und Schreiben beeinflussen. "Das Problem ist dabei, dass der Beitrag eines einzelnen Gens zur Erklärung so einer komplexen Fähigkeit wie Lesen und Schreiben verschwindend gering ist", betont Gerd Schulte-Körne, Legasthenie-Forscher und Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie der LMU München. Das bedeutet, die Forscher müssen mehr solcher Genorte finden, um sich den Ursachen der Legasthenie zu nähern. Bisher sind über zehn verschiedene Genorte bekannt. Doch da es nicht "den" Legastheniker gibt, sondern jede einzelne Lese- und Schreibschwäche sehr unterschiedliche genetische Ursachen haben kann, ist die Suche äußerst mühsam. Hinzu kommt, dass noch nicht geklärt ist, wie Legasthenie überhaupt vererbt wird.

Eine internationale Studie, an dem auch das Max-Planck-Institut beteiligt war, hat eine Vielzahl von Genen identifiziert, die mit Legasthenie in Verbindung stehen. Von einem Drittel der 42 identifizierten Gen-Varianten sei bereits zuvor bekannt gewesen, dass es einen Zusammenhang zu kognitiven Fähigkeiten und dem Bildungserfolg gibt. Konkrete Schlüsse kann man aus einer Genanalyse aber bisher nicht ziehen: Die genetische Analyse gebe zwar einen groben Hinweis auf Legasthenie, reiche aber für eine genaue Diagnose nicht aus.

Weltweite Suche nach verantwortlichen Genen für Legasthenie

Legasthenie ist ein weltweites Phänomen und so suchen auch weltweit Forscher nach den schuldigen Genen bei Menschen, die an Legasthenie leiden und vergleichen sie mit einer großen Bevölkerungsgruppe, die nicht darunter leidet. Dabei wurden in einzelnen Genregionen Abweichungen, die sogenannten Snips, entdeckt sowie schon viele dieser Einzelinformationen zusammengetragen. Doch um daraus valide Erkenntnisse herauszufiltern, sind große genomische Analysen nötig. Und die Ergebnisse müssen, damit sie wirklich aussagekräftig sind, wiederholbar sein.

Sendungen zum Thema Legasthenie und Dyslexie (Lese- und Rechtschreibstörung):