Bayern 2

     

radioTexte Mr. Knoppert und seine Schnecken

Evelyn Hamann - hier bei der Verleihung des Bayerischen Filmpreises 1997 | Bild: picture-alliance/dpa

Montag, 25.05.2015
11:00 bis 11:30 Uhr

  • Als Podcast verfügbar

BAYERN 2

Evelyn Hamann liest Patricia Highsmiths Erzählung "Der Schneckenforscher"

Er hat ein schönes und durchaus ungewöhnliches Hobby: Peter Knoppert züchtet Schnecken. Die schleimigen Tiere, in manchen Ländern als kulinarische Delikatessen bei exklusiven Dinners zu finden, üben auf den merkwürdigen Mr. Knoppert eine ungeahnte Faszination aus: als er eher zufällig zwei Schnecken beim Liebesspiel zuschaut, empfindet er plötzlich eine schicksalhafte Zuneigung für diese Lebewesen, die er mit Patricia Highsmith, der Autorin dieser Geschichte, teilt. Im Laufe ihrer Schriftstellerkarriere hat sich die talentierte Miss Highsmith mehrmals über ihre Schneckenmanie geäußert. Wie der Protagonist ihrer Erzählung war sie vor allem von dem Paarungsverhalten zweier lebender Organismen beeindruckt, das sich über vierzehn Stunden hinziehen kann. Die Meisterin des subtilen Terrors und der unheimlichen Hochspannung fand es als "entspannend" ihnen dabei zuzusehen, weil ihre Kopulation "etwas Ästhetisches hat, ein völlig gewaltfreies Liebkosen". Sie nahm sogar ihre Schnecken gerne mit auf Reisen. In den 1960er Jahren hielt die Erfinderin des begabten Hochstaplers Tom Ripley in ihrem Cottage in Earl Soham in Suffolk dreihundert Schnecken als Haustiere. "Man kann unmöglich entscheiden, welches das Männchen und welches das Weibchen ist, weil sie in ihrem Verhalten und Aussehen völlig gleich sind", sagte die raffinierte Schriftstellerin. "Der Schneckenforscher" war jedoch nicht sehr beliebt. "Meine von mir heiß und innig geliebte Schneckenstory, ist so abscheulich, wie mir meine Agentin mitteilte, dass man sie keinem Redakteur zeigen kann. Bin über alle Maßen enttäuscht", schrieb sie im Juni 1948. Heute gehört diese Meistererzählung zu den Klassikern der Weltliteratur.