Bayern 2

     

Psychoneuroimmunologie Wie Stress das Immunsystem beeinflusst

Die Psychoneuroimmunologie erforscht, wo die Schnittstellen von Gehirn und Immunsystem liegen und auf welchem Weg Stress unseren Körper beeinflusst. Sie baut eine Brücke zwischen Labor-Medizin und Psychologie.

Von: Susanne Dietrich

Stand: 05.12.2022 |Bildnachweis

Ein Mann hält sich vor Stress die Hände vor das Gesicht | Bild: picture alliance / empics | Dominic Lipinski

Psychoneuroimmunologie ist ein relativ junges, interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich mit den Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nerven- und Immunsystem auseinandersetzt. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf den Auswirkungen von Stress auf die menschliche Gesundheit. Die Psychoneuroimmunologie bildet eine Schnittstelle von Fachdisziplinen wie Psychologie, Psychosomatik, Neuroendokrinologie und Immunologie, sowie somatischen Fächern wie Dermatologie oder Onkologie.

Expertin:

Prof. Dr. Eva Peters, Leiterin des Psychoneuroimmunologie Labors des Universitätsklinikums Gießen und Leiterin der Arbeitsgruppe "Psychoneuroimmunologie der Haut" an der Charité Berlin

Gesundheit ist aus Sicht der Psychoneuroimmunologie etwas sehr Individuelles: Gesund ist, wer die verschiedenen Belastungen des Alltags gut ausbalancieren kann. Dabei kann man sich aus Sicht der Psychoneuroimmunologie auch mit Bewegungseinschränkungen, Diabetes oder einer anderen Erkrankung gut einrichten.

Der Text basiert auf einem Interview mit Prof. Dr. Eva Peters, Leiterin des Psychoneuroimmunologie Labors der Justus-Liebig-Universität Gießen und Leiterin der Arbeitsgruppe "Psychoneuroimmunologie der Haut" an der Charité Berlin.

Die Psychoneuroimmunologie baut auf dem Stress-Konzept auf, das der Biochemiker Hans Selye 1950 zum ersten Mal veröffentlicht hat. In Experimenten mit dem damals neu entdeckten Hormon Cortisol fand Selye heraus, dass der Körper mit einem bestimmten Reaktionsmuster auf Stress reagiert.

"Wenn eine Anforderung da ist, die es erforderlich macht, dass wir uns verändern, dass wir darauf reagieren, damit wir diese Anforderung auch bewältigen können – dann ist Cortisol immer ein Botenstoff, der ausgeschüttet wird. Deswegen ist Cortisol auch das Erste, was den Leuten durch den Kopf geht, wenn wir Stress sagen. Denn das ist quasi synchron entdeckt und beschrieben worden."

Prof. Dr. Eva Peters

In den 1960er Jahren fand man dann heraus, dass die Stressantwort nicht nur ein adaptives Reaktionsmuster auf bestimmte Herausforderungen darstellt, sondern dass diese Antwort des Körpers auch in Schieflage geraten oder regelrecht entgleisen kann. Wenn das passiert, so zeigte sich, steigt die Anfälligkeit für Krankheiten.

"Die Experimente, die seit den späten 1960er Jahren durchgeführt wurden, sind in Covid-19-Zeiten besonders spannend, denn sie drehten sich zunächst um Viren, die Atemwegserkrankungen auslösen. Man hat im Tierexperiment gesehen: Wenn man zum Beispiel Mäuse jeden Tag in ein Röhrchen einsperrt und mit Lärm belästigt, und das ein paar Tage hintereinander tut, dann entwickeln sie viel schneller und heftiger Virusinfektionen."

Prof. Dr. Eva Peters

Etwas später wurde dieser Zusammenhang auch an Menschen untersucht. Anfang der 1970er Jahre setzten Forscher gesunde Versuchspersonen Viren aus, die Erkältungskrankheiten verursachen. Anschließend wurden sie mit umfangreichen medizinischen Untersuchungen konfrontiert.

"Man hat festgestellt: Je gestresster die Versuchspersonen waren, desto schneller und heftiger haben sie die Virusinfektion entwickelt. Es ist natürlich heute ethisch schwer zu vertreten, jemanden absichtlich krank zu machen und noch dazu dafür zu sorgen, dass er noch schlimmer krank wird. Aber das ist damals ein bahnbrechendes Experiment gewesen, das uns gezeigt hat: Forschungsergebnisse können aus dem Tierexperiment gelernt und auf Menschen angewandt werden. Und sie zeigen, dass intensiver Stress anfälliger für Infektionen und letztlich krank machen kann. Seit dieser Zeit wird der Zusammenhang zunehmend systematisch wissenschaftlich untersucht."

Prof. Dr. Eva Peters