Hühner und Menschen in Bayern Schneidige Gockel, gschupfte Henna
Hühner sind im Kommen, sogar Stadtmenschen züchten das Federvieh, vor allem wegen dem frischen Frühstücksei. Hühner können aber auch treu wie ein Haustier sein. Über 180 Rassen gibt es, und alle stammen vom wildlebenden Bankivahuhn ab, das sich vor Tausenden von Jahren aus den dichten Dschungeln Südostasiens zur Nahrungssuche in menschliche Siedlungen wagte.
Alle Hühnerrassen stammen vom wildlebenden Bankivahuhn ab, das sich vor Tausenden von Jahren aus den dichten Dschungeln Südostasiens zur Nahrungssuche in menschliche Siedlungen wagte. Seit Jahrhunderten wurde es intensiv genutzt, und hochgezüchtet: Legehennen für die Eier-, und Masthühner für die Fleischproduktion. Inzwischen aber sind alte Rassen wieder im Gespräch, auch Hobbyhaltung liegt im Trend. Nicht nur wegen der Eier. Sondern auch, weil Hühner sehr amüsant sind. Der Hahn holt seine Dame vom Nest ab, wenn sie ein Ei gelegt hat, das verkündet sie auch mit großem Gegacker. Ein eingespieltes Paar.
Ein Leben für das Augsburger Huhn
"Daran erkennt man den guten Charakter eines Hahns, dass die Hennen ihn akzeptieren. So ein junger Schnösel, der nur potenzgesteuert ist und nur draufspringt und nicht nachdenkt, den mögen sie nicht. Sie mögen schon jemand, der auch eine Autorität hat und auch eine Ruhe mit sich bringt."
Kaja Heckmann-Staroste, Hühnerzüchterin
Kaja Heckmann-Staroste züchtet zusammen mit ihrer Tochter Hannah Hühner im Garten ihres Hauses in Landsberg am Lech: Augsburger Hühner, die einzige Hühnerrasse, die in Bayern entwickelt wurde. Dafür haben die beiden schon Preise bekommen, denn diese Tiere stehen auf der Kategorie 1 der roten Liste bedrohter Nutztierrassen, eine alte Rasse, 1870 entstanden. Den beiden Frauen aus Oberbayern geht es darum, die Hühner auch als eine Art Kulturgut zu sehen , das es zu schützen gilt, damit sie nicht verschwinden.
Es handelt sich dabei um ein Zweitnutzungshuhn, das bedeutet, das Augsburger Huhn ist doppelt wertvoll, als Braten und als Eilieferant, also kein entweder/oder, sondern ein sowohl/als auch.
Quark: Leibspeise für die Hühner
Auch Robert Höck hat ein Herz für Henne und Hahn, aufgewachsen auf einem Bauernhof, macht er Hühner YouTube-fähig. Seine Leidenschaft hat er von seinen Großeltern.
"Meine Oma und mein Opa haben die Philosophie vertreten, einem Tier soll's gut gehen. Deswegen bekamen sie nicht nur Körner. Meine Oma hat sie mit Quark gefüttert und im Garten Kräuter für sie angebaut."
Robert Böck, Hobbyzüchter
Robert Höck hat auch mal in Niederbayern gelebt und dort hat er bei einem Straubinger Hobbyzüchter zierliche, buntgesprenkelte Zwerghühner entdeckt. Die fördert er jetzt durch seine eigene Erhaltungszucht. Denn es sind Nachfahren der bunten Landhühner, wie sie in der traditionellen niederbayerischen Landwirtschaft früherer Tage gang und gäbe waren. Robuste Tiere, unverfälschte Triebe, gute Glucken, sagt er.
Er ist mit Hühnern berühmt geworden: Cartoonist Peter Gaymannn hätte niemals gedacht, dass seine Hühner, die als Henne und Hahn das Verhältnis zwischen Frau und Mann spiegeln, so berühmt werden. Vielleicht liegt es auch daran, dass man bestimmten Parallelen ziehen kann zwischen Mensch und Federvieh: Stolzer Gockel, gschupfte Henna.
Auf Peter Gaymanns Hühner haben die Eigenarten seiner bayerischen Wahlheimat inzwischen abgefärbt. Beim Yoga tragen sie weiß-blaue Turnanzüge und stellen mit ihren rundlichen Leibern so urbayerisches Kulturgut wie den Maibaum, den Stammtisch, die Weißwurst, die Brezn und die Zugspitze nach. Seine Sprechblasen spielen mit dem Bild, dass eigentlich die Henne die Hosen daheim an hat, nicht der schneidige Gockel. Der ist nämlich eigentlich ein ganz ein Lieber, ein Frauenversteher, ein Kümmerer: Hähne bewachen ihre Hennen, wenn sie fressen, schanzen ihnen sogar die Würmer zu, die sie gefunden haben, denn Hennen brauchen mehr Energie, schließlich legen sie die Eier. 150 bis 180 Eier schafft so ein Rassehuhn im Jahr.
Eierspeisen schon vor Christus?
Das älteste Hühnerei, das je auf bayerischem Boden gefunden wurde, im fruchtbaren Siedlungsland des Nördlinger Rieses, ist 2.400 Jahre alt. Da lag das Skelett eines 9- bis 12-jährigen Buben in einem keltischen Abfallsilo, das Archäologen 2020 freigelegt haben, neben Überresten einer Fleischmahlzeit, Knochen von Rind und Schaf. Weswegen man hochmoderne Untersuchungsmethoden zum Einsatz brachte und so, als eine Art Beifang, auch winzige Partikel von Eierschalen entdeckte. Die Wissenschaftler konnten anhand der erhaltenen Proteine eindeutig nachweisen, dass es sich um ein Hühnerei handelt.
Und da dieses Hühnerei inmitten von anderen Speiseresten zu beobachten war, gehen die Forscher davon aus, dass es gegessen wurde, zubereitet wurde und im Ries vielleicht eine für die damalige Zeit gar nicht so bekannte Nahrungsquelle nach und nach erschlossen wurde.
Doch es ist ja nicht nur der Nutzen, der zählt. Es sind auch die Freuden des Lebens mit Hühnern, die Hühnerhalter wie Robert Höck und Mutter und Tochter Staroste gern an alle weitergeben, die sich fürs Hühnervieh interessieren, mit ihm leben oder sie züchten wollen. Hühner halten, meint Höck, erdet die Menschen, weil Hühner ihren eigenen Rhythmus haben. Und das Leben im Jahreszyklus zwischen Kükenschlupf und Schlachten ist ein Sinnbild des Lebens.