Der Hörsturz Eine von vielen akuten Hörminderungen
Es gibt verschiedenste Gründe, warum ein Mensch plötzlich nichts mehr hört. Diese sogenannten akuten Hörminderungen können sich im Gehörgang, im Mittelohr, im Innenohr oder am Hörnerv abspielen.
Wer plötzlich nichts mehr hört, wird bei HNO-Ärzt*innen manchmal sehr schnell eine Lösung seines Problems finden. Denn auch wenn nur Ohrschmalz (Cerumen) die Gehörgänge verlegt, kann dies zu plötzlichem Hörverlust führen. Auch Krankheiten wie Mittelohrentzündungen beeinträchtigen das Gehör, Virusinfektionen ziehen das Innenohr eventuell akut in Mitleidenschaft, oder ein kleiner Tumor setzt den Hörnerv Schachmatt. Auch ein Lärmtrauma nach dem letzten Discobesuch kann Grund der Innenohrschädigung sein. All diese Hörminderungen allerdings -solange man ihre Ursache kennt - werden nicht als Hörsturz bezeichnet. Dessen spezielle Charakteristik: Das Innenohr ist akut geschädigt, ohne dass eine Ursache auszumachen ist.
"Und nur dann sprechen wir in unserer Diagnose vom Hörsturz, wenn sich das im Innenohr abspielt und wenn die Ursache unbekannt ist. Ganz klassisch ist, dass das von jetzt auf gleich passiert. Also das wird nicht über Minuten oder Stunden schlechter, sondern akut. Das sollte auch immer schon der alte Begriff Hörsturz ausdrücken."
Prof. Markus Suckfüll
150.000 Menschen erleiden jährlich einen Hörsturz.
Ursache unbekannt
Man weiß also, dass beim Hörsturz das Innenohr und nicht zum Beispiel das Mittelohr Schaden nimmt, aber man weiß nicht, was genau im Innenohr passiert. Die medizinische Fachsprache nennt ein solches Geschehen "idiopathisch", also "ohne erkennbare Ursache". Der komplette Fachterminus für den Hörsturz: "Akuter idiopathischer sensorineuraler Hörverlust".
Die Ursachen werden in verschiedenen Richtungen gesucht: Während manche Mediziner davon ausgehen, dass Entzündungen vorliegen, denken andere an Immunreaktionen wie beispielsweise beim Rheuma, andere an Durchblutungsstörungen.
"Also wenn wir das wüssten, was bei einem Hörsturz passiert, dann wären wir schon ein ganzes Stück weiter. Aber wir wissen es nicht. Tatsächlich sind wir mit unserer Diagnostik noch nicht in der Lage zu zeigen, was kaputtgeht. Das liegt daran, dass das Innenohr ganz klein ist. Die sogenannte Hör-Schnecke ist ca. zwei, drei Millimeter groß, und die liegt in einem dicken, festen Knochen, der nicht umsonst Felsenbein heißt."
Prof. Markus Suckfüll
Exkurs ins Innenohr
Über Hammer, Amboss und Steigbügel wird der Schall vom Mittelohr ins Innenohr weitergeleitet. Dort befindet sich die sog. Schnecke, die Cochlea – ein mit einer wässrigen Flüssigkeit gefülltes Membransystem, das eben aussieht wie eine Schnecke. Feine Haarzellen, die Sinneszellen, sind hier beherbergt. Wird die Flüssigkeit durch den Schall bewegt, bewegen sich auch diese Haarzellen. Ihre Aufgabe: Sie verwandeln die Schwingungen in elektrische Impulse.
"Das Innenohr ist erstens ein Verstärker und zweitens ein Umwandler. Hier werden prinzipiell die Schall-Druckwellen in ein Nervensignal umgewandelt. Und dabei ganz erheblich verstärkt."
Prof. Markus Suckfüll
Und diese Signale wiederum erreichen über den Hörnerv das Gehirn. So spielt sich das jedenfalls beim normalen, gesunden Hören präzise ab. Auch die Haar-Sinneszellen unterliegen dem ganz normalen physischen Prozess der Alterung. Arbeiten sie nur noch reduziert, leiten sie also nur reduziert Signale weiter an den Hörnerv und damit ans Gehirn, dann ist das fein abgestimmte System des Hörens beeinträchtigt. Während durch Alterungsprozesse die Minderung des Hörens prozesshaft und mehr oder weniger schnell voranschreitet, tritt beim Hörsturz ein plötzlicher Schaden am Innenohr auf, auch hier an den Sinneszellen. Das System des Hörens bricht dann nicht allmählich, sondern akut zusammen.
Einseitiger Schaden unterschiedlichen Ausmaßes
Der Hörsturz tritt in der Regel einseitig auf – nur in ganz seltenen Fällen sind beide Ohren betroffen. Auch kann das Ausmaß des Hörsturzes sehr variieren:
Manchmal ist ein breiter Frequenzbereich betroffen; es gibt aber auch Hörstürze, die nur einen kleinen Frequenzbereich des Hörens betreffen. Dann wird der Schaden quasi nur als Verschlechterung wahrgenommen.
"Und wenn dieser Frequenzbereich nicht im Sprachbereich liegt, dann kann es einem auch möglicherweise ganz entgehen, dass man überhaupt einen Hörsturz hat. Man merkt dann vielleicht ein bisschen Druck im Ohr oder ein Pfeifen in der Frequenz, wo der Hörverlust ist, aber der eigentliche Hörverlust wird gar nicht erfasst. Denn wenn der Sprachbereich nicht betroffen ist, ist das gar nicht so leicht zu merken. Es ist wie bei allen Erkrankungen: Sie können einen Herzinfarkt haben, der lebensbedrohlich ist und ihr Herz funktioniert nicht mehr, und sie können einen ganz kleinen fast nicht bemerkten Herzinfarkt haben, der still abläuft. Und so ähnlich ist es beim Hörsturz auch."
Prof. Markus Suckfüll
Eine reine Ausschlussdiagnose
Mit Stimmgabel-Tests, Ton-Audiogrammen oder auch einer Kernspintomographie grenzen HNO-Ärztinnen und -Ärzte in der Diagnose einen Hörsturz ab gegenüber anderen möglichen plötzlichen Hörschädigungen. Nur über ein solches Ausschlussverfahren kann die Diagnose "Hörsturz" gestellt werden.
"Wenn ein junger Mensch zum Beispiel auf einem Konzert war und vielleicht in der Nähe von einer Box übermäßig Lärm ausgesetzt worden ist, und ganz kurzfristig nicht hört, dann hat er natürlich ein akustisches Trauma, dann kennen wir also die Ursache. Und dann ist es eben keinen Hörsturz. Eine andere Ursache sind zum Beispiel schädigende Medikamente, zum Beispiel. während einer Chemotherapie kann das passieren. Auch dann kennen wir die Ursache. Aber immer, wenn wir nicht wissen, was der Grund ist der Innenohrschwerhörigkeit, dann nennen wir das Hörsturz."
Prof. Markus Suckfüll