03. August 1787 De Saussure vermisst den Mont Blanc
Speiübel war Horace-Benedict de Saussure, al ser am 3. August 1787 auf dem Gipfel des Mont Blanc stand. Aber der Naturforscher war nicht nur einer der ersten Menschen auf dem Gipfel, sondern ihm gelang auch die Messung, die belegt: Der Mont Blanc ist der höchste Berg Europas.
03. August
Dienstag, 03. August 2010
Autor(in): Markus Mähner
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Redaktion: Thomas Morawetz
Es ist der 3. August 1787, als sein Traum in Erfüllung geht. Der Genfer Naturforscher Horace-Bénédict de Saussure steht auf dem Gipfel des Mont Blanc. Ihn plagt die Höhenkrankheit, und ihm ist übel. Später heißt es, er soll den aufgehenden Mond so groß gesehen haben, dass er ihn nicht erkannte und vor Schreck ohnmächtig wurde. De Saussure ist nicht der Erstbesteiger des Mont Blanc, aber dem Naturforscher gelingt an diesem Tag eine ziemlich genaue Messung des Riesen. Sie ergibt, dass der Mont Blanc mit seinen 4807 Metern der höchste Berg Europas ist.
Seit seiner Kindheit im kleinen Dorf Conches bei Genf lässt ihn der sagenhafte Koloss, den er täglich sieht, nicht los. Im Jahr 1760 - Saussure ist gerade mal 20 und schon Doktor der Naturwissenschaften - setzt er ein Preisgeld für denjenigen aus, der den weißen Riesen zum ersten Mal besteigt. Doch obwohl die Belohnung nicht von schlechten Eltern ist, will es niemand so recht wagen. Denn den Berg an einem einzigen Tag zu besteigen, ist einfach unmöglich, und eine Übernachtung in der einsamen Schneewelt ist zu riskant. Es ist aber nicht die Kälte oder das unberechenbare Wetter, das die Kandidaten abschreckt, sondern die Angst vor den Geistern, vor den bösartigen Wesen, die den Berg bevölkern und nächtens aus ihren Höhlen kommen.
Erst 26 Jahre nachdem Saussure das Preisgeld ausgesetzt hat, trotzt ein eigenwilliger Einzelgänger den Urängsten der Menschen am Fuß des Bergs: Der Kristallsucher Jacques Balmat biwakiert am berühmten Bossegrad auf über 4.000 Höhenmetern. Am nächsten Morgen ist Balmat zwar stark durchgefroren - aber er lebt. Die Geister haben ihn in Ruhe gelassen! Das ist der Durchbruch! Zwei Monate später steht er zusammen mit dem ebenso waghalsigen Arzt Michel-Gabriel Paccard auf dem Gipfel des Mont Blanc.
De Saussure ist begeistert. Jetzt will der Naturforscher selbst auf den Berg. Im darauffolgenden Sommer lässt er sich von Balmat auf den Gipfel führen. Seine rasenden Kopfschmerzen hindern ihn nicht daran, seine Messungen durchzuführen: Mont Blanc – höchster Berg Europas!
Nun kennt der Ansturm der Besteigungswütigen kein Halten mehr. Das Zeitalter des alpinen Tourismus beginnt. In Chamonix entsteht der Beruf des Bergführers - keine einfache Tätigkeit, wie sich bald zeigt. Denn auf die Mont Blanc-Expeditionen müssen die Bergführer schon mal an die hundert Flaschen Hochprozentiges und mehrere Kilogramm Hammelkeulen, Ochsenschultern und Hähnchen hochschleppen! Und ab und zu müssen sogar Dienstmädchen auf den Gipfel gehievt werden, weil sie aus eigener Kraft den Berg nicht schaffen.
Doch dieses neu anbrechende Zeitalter erlebt De Saussure nicht mehr: Er stirbt 1799 – völlig überarbeitet und finanziell ruiniert durch die Wirren der französische Revolution. Auch die seit einigen Jahren entfachte Diskussion geht ihn nichts mehr an: Inzwischen wird nämlich erneut diskutiert, ob der Mont Blanc wirklich der höchste Berg Europas ist. Denn Europa, so die Skeptiker, ende ja nicht am Bosporus, sondern viel weiter östlich. Und somit gehört der Kaukasus auch nicht zu Asien sondern zu Europa, und dessen höchster Berg, der Elbrus, überragt den Mont Blanc um gut 800 Meter. Eine Diskussion, die De Saussure genauso wenig interessiert hätte, wie die asiatischen Bergsteiger von heute, die den Elbrus für ihren Höhenrausch gar nicht brauchen, weil sie ja mit dem Mount Everest und den umliegenden Riesen ganz andere Kaliber aufzuweisen haben.