1. Dezember 1967 Alles Psycho: Spukprofessor Bender auf Geistersuche in Rosenheim
Spuk und unerklärliche Phänomene? Ein Fall für die Ghostbusters, oder, 1967 in Rosenheim für den Psychologen Hans Bender, der sich um den Spuk kümmern sollte. Autor: Simon Demmelhuber
01. Dezember
Dienstag, 01. Dezember 2020
Autor(in): Simon Demmelhuber
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Mit den Telefonen fängt es an. Mal schrillen sie auf einmal los, obwohl niemand anruft, dann wählen sie wie besessen zigmal hintereinander die Zeitansage oder brechen Gespräche mittendrin ab. Fernmeldetechniker marschieren auf, prüfen sämtliche Leitungen, tauschen Drähte und Geräte aus, bauen plombierte Zähler ein. Nichts hilft, nur der Radau eskaliert. Jetzt winden sich Neonröhren aus ihren Fassungen, splittern in tausend Scherben, Glühbirnen bersten, Sicherungen brennen durch, es klopft in der Wand, knallt und schnalzt in der Luft.
Großes Geistertheater
Seit Wochen spielt die Technik in der Kanzlei des Rosenheimer Anwalts Sigmund Adam verrückt und niemand weiß, warum. Revisoren der Stadtwerke rücken an, nehmen alles auseinander, was auch nur irgendwie elektrisch aussieht, erneuern Bauteile, verlegen Spezialkabel und verzweifeln zuletzt am Veitstanz ihrer versiegelten Strom- und Spannungsschreiber. Der amtliche Abschlussbericht ist das Eingeständnis blanker Ratlosigkeit: Hier sind Kräfte am Werk, die sich elektrotechnisch weder begreifen noch bändigen lassen.
Die mysteriösen Vorfälle bleiben nicht lange unter der Decke. Das streunende Stadtgeraune lockt Presse, Funk und Fernsehen an, Schlagzeilen machen auf dicke Hose und klotzen Ausrufezeichen: Dämonenalarm im Oberland! Spuk in Rosenheim, ein Poltergeist geht um. Und der dreht jetzt so richtig auf, liefert ganz großes, grelles Geistertheater: Schubladen rappeln auf und zu, Bilder kreisen, Lüster pendeln hysterisch, Aktenschränke wandern, Kopiergeräte spucken Säure.
Der Ghostbuster
Da kann nur noch einer helfen: Hans Bender, Psychologieprofessor an der Uni Freiburg, wissenschaftlich gesalbter Spukforscher und gefragter Medienstar, ein Geisterjäger mit akademischem Gütesiegel. Der badische Ghostbuster hat mit spiritistischem Firlefanz wenig am Hut.
Für ihn ist Spuk ein höchst irdisches Phänomen, ausgelöst von innerlich aufgewühlten Menschen, die unter seelischer Hochspannung stehen. Bricht die angestaute Psychoenergie unkontrolliert aus, schlägt der Poltergeist zu.
Am 1. Dezember 1967 nimmt Hans Bender seine Ermittlungen im heimgesuchten Anwaltsbüro auf. Schon wenige Tage später hat er eine Spur. Es spukt immer nur dann, wenn sich eine 19-jährige Schreibkraft in den Kanzleiräumen aufhält. Hat sie frei, ist alles ruhig. Obendrein ist die junge Frau ein Druckkessel unterdrückter Gefühle, voller Ängste, Wut und ungelöster Konflikte. Das passt! Bender jubelt. Endlich! Der erste wissenschaftlich belegte, akribisch dokumentierte Fall spontaner Psychokinese!
Unfug, bremsen die Skeptiker. Alles bloß Trickserei und Schabernack, billiges Gänsehautfutter für Leichtgläubige. - Tja, was soll man sagen? Bewiesen ist weder das eine noch das andere. Was sich 1967 in Rosenheim zutrug, bleibt ein Rätsel. Und das ist gut so. Wenn es draußen grimmig kalt und früh stockfinster ist, brauchen wir Geschichten, die wie Geschenkpapier rascheln und anheimelnd gruslig knistern. Kurz gesagt: wir brauchen wohlig wärmende Kerzenlicht- und Kanapeegeschichten, so wie die vom ungeklärten Spuk in Rosenheim.