Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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1. Juli 1920 Coburg kommt an Bayern

Zwischen dem südlichen Vorland des Thüringer Waldes und dem Maintal liegt die Stadt Coburg. Unter der Regentschaft von Herzog Ernst II. wurde Coburg einst Zentrum der deutschen Nationalbewegung. Nach dem Ende der Monarchie 1918 hatten die Coburger die Wahl: Thürigen oder Bayern, das war hier die Frage. Autorin: Birgit Magiera

Stand: 01.07.2024 | Archiv

01.07.1920: Coburg kommt an Bayern

01 Juli

Montag, 01. Juli 2024

Autor(in): Birgit Magiera

Sprecher(in): Caroline Ebner

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Wo ist Bayern am bayerischsten? Jede Antwort auf diese Frage kann nur in unsinnigen Diskussionen enden. Abgesehen davon, müsste man vorab zwei andere Fragen klären: Zum einen, ob es überhaupt eine Steigerung des Wortes "bayerisch" gibt, zum Anderen, was genau mit "bayerisch" gemeint ist. Vor dem inneren Auge erscheinen schlimme Kitsch-Bilder: der Märchenkönig mit röhrendem Hirschen vor Alpenglühen, die Maßkrug-stemmende Bierzeltkellnerin im "feschen" Dirndl. Seit sich im 19. Jahrhundert die ersten Sommerfrischler aus Berlin an schuhplattelnden Lederhosen-Indigenen ergötzt haben, sind die Klischees über Bavaria in die Köpfe eingebrannt.

Klischee-Bayern, das ist der Kini mit Hirsch und Alpenglüh’n

Die Wirklichkeit sieht anders aus: vergleichsweise wenige Menschen in Bayern haben einen Berggipfel direkt hinterm Haus oder eine Lederhose im Schrank. Und beides wird auch selten vermisst. Genauso wenig wie die Monarchie mit ihren mal mehr mal weniger zum Regieren begabten Königen. So ist es! Tönt es aus den fränkischen Regierungsbezirken und Schwaben - zumindest nördlich von Memmingen - nickt heftig.
Wenn aber die Dirndl-Gamsbart-Dichte oder auch Königstreue keine Messgröße für das Bayerisch-Sein sind. Was ist es dann?

Sind Franken die besseren Bayern?

Vielleicht muss es gar nicht darum gehen, was angeblich "typisch" und vermeintlich "einzigartig" ist an dem weiß-blau rautierten Bundesland, zwischen Spessart und Karwendel. Man könnte stattdessen fragen, wo die Menschen leben, die am bayerischsten sind. Und zwar weil sie selbst bayerisch sein wollten.
Also erst mal nicht die Einwohner von Schwaben und Franken und etlicher ehemals freier Reichsstädte sowie kirchlicher Fürstentümer – die wurden damals von Napoleon völlig ungefragt und zwangsweise dem neuen Königreich Bayern zugeschoben. Das nehmen sie der Staatsregierung in München teils heute noch übel. Mehr als 200 Jahre später.
Nein, die sozusagen freiwilligsten Bayern sind zufällig die, die als letzte die weiß-blaue Fahne hochgezogen haben. Und zwar freiwillig, nach einer Volksbefragung: am 1. Juli 1920 war das. Am ersten Juli 1920 wurde der Freistaat Coburg mit Bayern vereinigt. Abgestimmt hatte man schon ein halbes Jahr vorher. Dazu kam es, weil nach Ende des Ersten Weltkrieges auch das Herzogtum Sachsen-Coburg plötzlich Geschichte war, so wie alle deutschen Fürstentümer und Königreiche. Vor die Wahl gestellt, ob der neu gegründete Zwerg-Freistaat Coburg seine Zukunft eher bei Thüringen oder im Bayerischen sah, entschied man sich mit überwältigender Mehrheit für den südlichen Nachbarn. Vor allem, weil man sich von dort eine zuverlässigere Versorgung mit Lebensmitteln erhoffte. Mehr als 26.000 Coburger und Coburgerinnen stimmten damals für Bayern.
Nur dreitausend fünfhundert wollten zu Thüringen gehören.
Ob die Bewohner dieser wunderschönen Stadt an der Itz dadurch zu den bairischsten Bayern geworden sind – Die Frage ist am Ende wohl ähnlich gehaltlos wie ein Satz aus der Festrede des bayerischen Ministerpräsidenten zum 100. Jahrestag der Vereinigung. Der stellte damals fest: "Coburg ist cool." – "Und noch viel mehr", möchte man ergänzen.


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