Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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22. Januar 1794 Im Kloster Ottobeuren startet der erste Heißluftballon Deutschlands

Die Franzosen haben Pläne in der Richtung, die Italiener auch – aber warum sollte man es den europäischen Nachbarn überlassen? Dieses erste Mal da draußen, genauer da oben im Himmel qua Ballon? Ein Pater aus Ottobeuern hat da eine Idee für einen Heißluftballon. Die ist gut. Autor: Simon Demmelhuber

Stand: 22.01.2025

22.01.1794: Im Kloster Ottobeuren startet der erste Heißluftballon Deutschlands

22 Januar

Mittwoch, 22. Januar 2025

Autor(in): Simon Demmelhuber

Sprecher(in): Christian Baumann

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Unsinn! Papperlapapp! Klar geht es ohne den teuren und brandgefährlichen Wasserstoff, mit dem Professor Charles seine Ballons befüllt. Und ohne den beißenden Qualm brennenden Heus und feuchter Wolle, den die Brüder Montgolfier verwenden, klappt es auch! "Heiße Luft in einer dehnbaren Hülle, mehr braucht es nicht zum Fliegen", poltert Pater Ulrich Schiegg.

Physik – mehr braucht es nicht!

Aha! Aber warum und wozu stellt ein Benediktinermönch im Reichsstift Ottobeuern derart steile Thesen auf? Weil Pater Schiegg zwar fromm, aber kein bisschen weltfremd und am allerwenigsten einfältig ist. Das regelmäßige Studium mehrerer Zeitungen und gelehrter Journale ist ihm so selbstverständlich wie Eucharistie und Stundengebet. Außerdem hat den Pater das grassierende Ballonfieber derart gepackt, dass er jede Meldung über Frankreichs Luftfahrthelden gierig aufsaugt. Zu guter Letzt kann er als Professor für Physik und Mathematik das Gesetz des Archimedes natürlich im Schlaf herbeten. Und das besagt, dass untergetauchte Körper auftreiben, wenn sie weniger wiegen als das verdrängte Wasser. Nachdem im Äther dieselben Gesetze walten, muss ein Ballon notwendig steigen, wenn das umschlossene Gas leichter als die verdrängte Umgebungsluft ist. "Und dafür", meint Pater Schiegg, "reicht simples Erhitzen allemal!"

Aufsteigen – auch praktisch

Theoretisch ist die Sache klar. Aber wirklich sehen, zeigen, beweisen, dass es stimmt und funktioniert, das juckt und bitzelt den Pater dann doch gewaltig. Da trifft es sich gut, dass ihm die Klosterwerkstatt ein krautkopfgroßes Probekügelchen aus Papierstreifen zusammenleimt. Dass ihm der Pater Apotheker reinsten Weingeist destilliert, kommt auch gelegen.

Der hochprozentige Alkohol ist billiger und sicherer als Wasserstoff, er stinkt und räuchert nicht, liefert aber reichlich Hitze. Abgebrannt in einem Kupferschälchen, das im Balloninneren hängt, muss das Heizmaterial genügend Auftrieb erzeugen.

Ein erster, heimlicher Versuch Anfang Januar bestätigt das Kalkül: Kaum hat der Pater den Weingeist entzündet, steigt die Papierkugel auf: Langsam, leise, mühelos, ganz so, wie Blüten sich öffnen, aus eigenem Recht und stiller Kraft.

Wenig später, am 22. Januar 1783, ist alles für den ersten deutsche Ballonflug bereit. Es ist kalt, heftige Böen treiben blauschwarze Schneewolken vor sich her. Trotzdem drängen sich Bauern, Bürger, Adel und Geistlichkeit dicht an dicht im Klosterhof. Als es gegen Mittag aufklart, befüllen Klosterknechte den vier Meter hohen, leicht spindelförmigen Ballon mit sechs Pfund Weingeist. Pater Ulrich spricht ein kurzes Gebet, entzündet den Alkohol, schließt den Tank- und Luntenschlitz. Erst müssen Helfer die schlaffen Papierfalten aufspannen, doch schon nach wenigen Minuten steht die Hülle prall und gasgebläht von allein. Jetzt gilt es! Pater Schiegg löst das Halteseil, mit einem leisen Schauern streift der Ballon die Erdschwere ab. Er schwebt frei, steigt auf, schwingt sich empor, treibt westwärts, wendet, kehrt zurück, sinkt ab, steigt erneut, höher, immer höher, bis er nur noch dem Himmel, dem Staunen und unseren Träumen gehört.


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