Bayern 2 - Das Kalenderblatt


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23. Januar 1970 Feministinnen von Dolle Mina verbrennen in Amsterdam BHs

Daheim am Herd, umgeben von einer Kinderschar, sei man am besten aufgehoben, meinen die Männer. Und adrett soll man auch noch aussehen dabei. Anfang der 70er Jahre reicht es den Feministinnen der Gruppe Dolle Mina – wie übrigens vielen Frauen - mit derlei verzopften Klischees. Autorin: Susanne Hofmann

Stand: 23.01.2025

23.01.1970: Feministinnen von Dolle Mina verbrennen in Amsterdam BHs

23 Januar

Donnerstag, 23. Januar 2025

Autor(in): Susanne Hofmann

Sprecher(in): Irina Wanka

Redaktion: Susi Weichselbaumer

Drüben, jenseits des großen Teichs, waren sie früher dran. Da entzündete sich der weibliche Zorn an einem Schönheitswettbewerb um die neue Miss America – als wäre man auf einer Fleischbeschau! Haben Frauen nicht auch Grips und eine Seele?! Als Zeichen der Missbilligung dieser Veranstaltung gingen angeblich, wie die Medien später schrieben, hunderte BHs in Flammen auf. 1968 war das, in New Jersey.

Dolle Mina

Zwei Jahre später dann Amsterdam: Hier verbrannten Frauen tatsächlich Büstenhalter und Korsetts als Protest gegen die männerdominierte Gesellschaft. Eine Aktion zu Füßen der Statue von Wilhelmina Drucker, einer niederländischen Feministin. Sie hatte um 1900 für das Frauenwahlrecht und die Gleichstellung der Frau gekämpft. In ihre Fußstapfen wollten die jungen Frauen treten, die sich hier versammelten, am 23. Januar 1970. Es waren 19 an der Zahl, und sie nannten sich Dolle Mina, zu Deutsch: verrückte Mina, ein Spitzname, den man ihrer Vorkämpferin Wilhelmina gegeben hatte.

Mit den Waffen der Frau

Mit ihrer öffentlichen Verbrennung von den Frauenkörper einengender Unterwäsche wurde Dolle Mina schlagartig bekannt. Hunderte Frauen schlossen sich ihr an und sorgten in den kommenden Monaten für Kopfschütteln, Schmunzeln, hochgezogene Augenbrauen – kurz sie erregten landesweit Aufmerksamkeit. Für das, was sie forderten, aber noch mehr für die Form ihres Protests. Sie setzten auf kleine Nadelstiche, Humor und ein wenig Anarchie. Um gegen die Sexualisierung der Frau zu protestieren, drehten sie den Spieß um.

Sie überklebten Werbeplakate, die mit schönen Frauen warben, mit Männerfotos, errichteten einen gigantischen Pappmaché-Penis auf dem Amsterdamer Stadtplatz und pfiffen Männern auf der Straße nach. Sie postierten sich vor dem Rathaus und empfingen frisch getraute Paare mit Chorgesang und Flugblättern. Darin warnten sie die Bräute vor ihrer Versklavung in der Ehe. Sie blockierten Männer-Toiletten, um gegen fehlende öffentliche Frauen-WCs zu protestieren und ließen sich mit Kleinkindern in Laufställen vor einer damals rein männlichen Institution nieder: der Amsterdamer Börse. Schließlich sei Kinderbetreuung eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft und dürfe nicht einfach auf die Mütter abgewälzt werden.

Dolle Mina forderte gleiche Löhne für Männer und Frauen, legale und kostenlose Abtreibung und die Abschaffung doppelter sexueller Standards. Die Aktivistinnen machten sich stark für die gleichberechtigte Aufteilung der gesellschaftlichen Rollen und wollten eine öffentliche Diskussion über all das, was in ihren Augen im Argen lag. So war es damals üblich, dass Unternehmen Schwangeren oder frisch verheirateten Frauen kündigten - als natürlicher Platz für Frauen galt schließlich das traute Heim. 
Dolle Mina wirkte in den kommenden acht Jahren in vielen Gruppen in den Niederlanden und einigen Nachbarländern, dann löste sich die Bewegung auf. Ein greifbares Ergebnis war das Recht auf Abtreibung, das Holland 1984 als eines der ersten Länder überhaupt einführte. Für ausreichend öffentliche Frauen-Toiletten dagegen brauchten die Frauen mehr Durchhaltevermögen. Bis ins Jahr 2024 bestanden die Amsterdamer WCs vor allem aus Pissoirs.


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