25. Januar 1774 Friseur David Low eröffnet erstes Grand Hotel
Einmal jeden Wunsch von den Augen abgelesen bekommen, umsorgt werden, edel speisen, geschliffen parlieren - all das wünschten sich betuchte Reisende, statt karger und klammer Wirtshauszimmern. Der findige Friseur David Low griff die Idee auf und gründete in London ein Grand Hotel. Autorin: Justina Schreiber
25. Januar
Mittwoch, 25. Januar 2023
Autor(in): Justina Schreiber
Sprecher(in): Krista Posch
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Öde ist der Alltag, trübe die Zukunft. Schnell durch die Drehtür ... und hinein in den scheinbar weltentrückten Kosmos der Reichen und Schönen! Mon Dieu! Bereits die Lobby wirkt überwältigend elegant. Mit ihren Kristall-Lüstern, den Säulen, Blumenbuketts und dekorativ verteilten Palmenwedeln bildet sie tatsächlich die perfekte Kulisse für gesellschaftliche Groß-Ereignisse wie den, sagen wir, 5-Uhr-Tee. Magnifik! Mit Brillies geschmückte Ladies und befrackte Gentlemen knabbern - in Korbsesseln lehnend - an überteuerten Sandwiches, während sie die Börsenkurse oder neueste Skandalgeschichten ventilieren. Was Sie nicht sagen, droht etwa ein Börsen-Crash??? Oh, Dear!
Menschen im Hotel
Dann wäre vermutlich sofort Schluss mit all dem Pipapo, der hier rund um die Uhr herbeigezaubert wird - von A wie Aperitif bis Z wie Zimmerservice, um mal das Minimum an möglichen Dienstleistungen zu definieren. Die Bandbreite der Extra-Würste, äh - Wünsche ist selbstverständlich, gnädige Frau, beliebig dehnbar, welche Temperatur soll das tägliche Schaumbad denn haben? Dass sich illustre Gäste auch in der Fremde wie zu Hause (oder gar noch wohler) fühlen, gehört schließlich seit Urbeginn und bis heute zum Konzept jeglicher Luxus-Hotellerie. Gewöhnliche Gasthäuser können sich nämlich als unerträgliche Zumutungen erweisen, nicht wahr? Der Dreck, der Lärm und dann auch noch Bettwanzen!!
Bloß keine Wirtshauszimmer
Adlige Geschäftsleute, die auf der Durchreise nicht bei Verwandtschaft unterkamen, ließen sich aus gutem Grund nachts lieber in der Kutsche weiter durchrütteln, um dann am nächsten Morgen dem örtlichen Barbier bei der allfälligen Rasur ihr Leid zu klagen.
Thanks heavens! Der Londoner Friseur David Low begriff die strukturelle Notlage und sah die Chance seines Lebens. Am 25. Januar 1774 eröffnete er in Covent Garden in der King Street No. 3 das erste sogenannte Grand Hotel der Welt, eine noble Adresse für bessergestellte Reisende, die damals ja schon happy waren, wenn sie für ihre klammen Zehen warme Ziegelsteine ins Bett gepackt bekamen. Es heißt, es sei Lows Idee gewesen, den Begriff "Hôtel" aus dem Französischen ins Englische zu übertragen.
Wie auch immer: Bis mit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Metropolen und Kurbädern die Blütezeit der pompösen Grand Hotels à la Excelsior oder Beau Rivage anbrach, musste die Upperclass noch sehr viele Beschwerden vorbringen, unterstützt vom Gemäkel der Emporkömmlinge, Hochstapler und anderen Möchte-gern-Royals: zu weit, zu beschwerlich, zu heiß, zu kalt, zu weich, zu hart und überhaupt: warum schmeckt der Pfirsich Melba nicht wie im Savoy?
Industrialisierung, Globalisierung und Tourismus trieben die Ansprüche in schwindelnde Höhen, gewissermaßen bis ganz nach oben zum Infinity Pool auf der Dachterrasse mit der gigantischen Aussicht. Bloß gut, dass es neben fließend heißem Wasser und (endlich!) einem Coffee Room bald auch schon elektrische Aufzüge gab. Einfach paradiesisch. Wäre da nur nicht dieses Volk von der Straße, das mit Nagelschuhen in die Halle trabt, um mal eben kurz vom Glamour der High-Snobiety zu naschen. Herr Ober!