1. Juli 1960 Design-Ikone Arne Jacobsen präsentiert Zimmer 606
Arne Jacobsen entwarf das SAS Royal Hotel in Kopenhagen samt aller Details für die Innenräume: Möbel, Leuchten, sogar Besteck und Fenstervorhänge. Eröffnet am 1. Juli 1960 fand es zunächst nur wenig Anerkennung. Heute gehört das Hotel zu den berühmtesten der Welt. Autorin: Prisca Straub
01. Juli
Donnerstag, 01. Juli 2021
Autor(in): Prisca Straub
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach/Susi Weichselbaumer
Alles, was er für seine Entwürfe brauche, sei eine Streichholzschachtel, so der dänische Star-Architekt: liegend als Schule, auf der Breitseite als Rathaus, hochkant als Wolkenkratzer. Das war's. - Öffentliche Auftritte sind Arne Jacobsen lästig - er gibt sich einsilbig und menschenscheu, presst die Lippen grimmig um das Mundstück seiner Pfeife. Das Hotel, das am 1. Juli 1960 in Kopenhagen eröffnet wird, gehört zur Kategorie "hochkant". Mit scharfem Profil und seinen 20 Stockwerken überragt es die Skyline der Stadt. Heute gilt das SAS Royal als Glanzstück moderner Architektur. Damals hieß es, der Wolkenkratzer sähe aus wie eine Lochkarte.
SAS-Hotel zum hässlichsten Gebäude Kopenhagens gekürt
Der Auftrag der skandinavischen Fluggesellschaft SAS war kühn: ein zentral gelegenes Hotel, kombiniert mit einem Terminal. Alles in einem - Übernachtung, Abfertigungshalle, Gepäckaufgabe. Und natürlich mit Shuttle-Service zum Airport. Für seine streng geometrische Fassade hatte Jacobsen Glas und Stahl gewählt - und war beglückt, wie sich die vorbeitreibenden dänischen Wolken in der Verkleidung spiegelten. Der Architekt hatte den Himmel in die Stadt geholt. Jadegrün, silbrig und irgendwie schwerelos. - Von den Kopenhagenern bekam das Hotel den ersten Preis: In einem Wettbewerb kürten sie es zum hässlichsten Bauwerk der Stadt.
Design-Klassiker Ei und Schwan
Arne Jacobsen hatte nichts dem Zufall überlassen. Präzise waren auch seine Entwürfe für die Innenausstattung: Mintfarbene Wände, graugrüne Teppiche. Handläufe, Wasserhähne, Türklinken, Lampen, Bettwäsche, das Besteck für das Restaurant; sogar die Kugel an der Gardinenkordel - alles, das ganze Mobiliar stammte aus seiner Hand.
Der Höhepunkt: eigens für das Hotel entworfene Schalen-Sessel in Türkis und Smaragdgrün. Die schwungvollen Sitzskulpturen nennt Jacobsen "Ei" und "Schwan". Sie laden zum Versinken ein. Kurvenreich umschmeicheln sie die Körper der Hotelgäste.
Die sanfte Welt der Grüntöne blieb nicht lange unangetastet. Schon wenige Jahre später wurden die Wände weiß überstrichen und das Interieur geplündert. Teppiche entfernt, Lampen und Nachttische ersetzt, das Holzfurnier herausgerissen. Das Terminal wurde aufgegeben, Zwischendecken eingezogen und als Konferenzsäle und Fitnesscenter vermietet. Ein einziges Zimmer ist erhalten geblieben, nahezu unverändert: Das berühmte Zimmer 606. Eine grüne Lichtung mit matt glänzenden Gardinen - und genügend Raum für "Ei" und "Schwan". - Das letzte Überbleibsel von Jacobsens Gefühl für Form und Farbe.
Trotzdem: Sessel, Stühle und Leuchten des dänischen Star-Designers sind inzwischen Klassiker der nordischen Wohnkultur. Sie sind zum zeitlosen Lifestyle avanciert und werden nach wie vor kostspielig aufgelegt - und wesentlich günstiger zahllose Male kopiert. Design-Fans pilgern heute zum SAS Royal Hotel auf der Suche nach den wenigen wegweisenden Relikten. Das angeblich hässlichste Gebäude Kopenhagens ist heute eines der meistbesuchten. Der absolute Höhepunkt: das Zimmer 606 - eine Zeitreise in Grün.