24. Juli 1981 1. World Games beginnen in Santa Clara, nichtolympische Disziplinen
Nicht alles, was man sporteln kann, ist olympisch. Manches war es mal, anderes wird es womöglich mal und wieder anderes hat wohl nie eine Chance, vom Internationalen Olympischen Komitee anerkannt zu werden. Deshalb gibt es die World Games - für alles, was nicht olympisch ist. Autor: Thomas Grasberger
24. Juli
Montag, 24. Juli 2023
Autor(in): Thomas Grasberger
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Manche Themen werden kontrovers diskutiert. Und das völlig zurecht. Zum Beispiel die Frage, ob Tauziehen als reguläre Disziplin bei Olympischen Spielen vertreten sein soll. Die einen sagen: Unbedingt! Tauziehen ist eine spannende Mannschaftssportart, die den Teamgeist fördert und der Gesundheit zuträglich ist - zumindest, solange das Seil nicht reißt. Was aber selten vorkommt. Tauziehen sei jedenfalls ein überaus, nun ja, anziehender Sport. Die anderen hingegen meinen: "Ach nö! Tauziehen? Lieber doch nicht!" Letztere waren oft in der Mehrheit, vor allem in den Gremien des Internationalen Olympischen Komitees. Und dieses IOC entscheidet darüber, wie viele und welche Sportarten bei Olympischen Spielen dabei sind.
Wer darf mit was mitmachen?
Von 1900 bis 1920 gehörte Tauziehen übrigens noch fest zum Olympia-Programm. Bis die fleißigen Kraftsportler schnöde vom Rasen gezogen wurden, da half kein Rein-Stemmen und kein Einspreizen. Aber sie waren keineswegs die einzigen, die aus dem Programm flogen. Man denke nur an die fünf olympischen Kunstwettbewerbe: Architektur, Musik, Malerei, Bildhauerei und Literatur. Allesamt reguläre olympische Disziplinen, in denen zwischen 1912 und 1948 regelmäßig Medaillen vergeben wurden. Die älteren Finninen und Finnen in unserer Hörerschaft werden sich vielleicht noch erinnern an Aale Tynni. Die legendäre finnische Dichterin hatte 1948 bei den Olympischen Sommerspielen von London Gold geholt, in der Disziplin "Lyrische Werke". "Hellaan laakeri" hieß ihr Sieger-Gedicht, zu deutsch "Hellas’ Ruhm". Versuchen wir’s mal: "Oi Hellaan laakeri ylhäinen,/ sinä ikävöity puu!" Leider versagt an dieser Stelle unser Online-Übersetzungsprogramm, aber offenbar geht es in dem Gold-Gedicht um ruhmreiche Lorbeerbäume im alten Griechenland, irgendwo zwischen Thermopylen und Marathon – schön, stolz und erhaben!
Nix mehr mit Dichtung
Und heutzutage? Keine Spur mehr von Olympia-Dichterinnen. Dafür gibt’s Skateboarder, Sportkletterer und Rugby-Spielerinnen. Auch schön. Wo aber das Motto lautet "Dabei sein ist alles!", da gilt auch ein anderes, nämlich: "Irgendwas fehlt immer!" Mehr als 10.000 Sportler will das IOC bei Olympia nicht dabeihaben, deshalb müssen viele Disziplinen im Wartestand verharren, bis sie hoffentlich eines Tages mal geladen werden. Weil aber dauerndes Warten eine schier unmenschliche Disziplin ist, wurde 1980 das World Games Council gegründet. Sportarten, die nicht bei den Olympischen Sommerspielen vertreten waren, sollten ihre eigenen Games bekommen. Am 24. Juni 1981 war es soweit. Im Buck-Shaw-Fußballstadion der kalifornischen Stadt Santa Clara wurden die ersten World Games eröffnet.
Zehn Tage lang kämpften 1600 Athletinnen und Athleten aus 58 Nationen in 104 Medaillenwettbewerben um Gold: Karatekämpfer und Wasserballerinnen, Bowler und Bodybuilder, Flossenschwimmer und Trampolinspringerinnen waren dabei. Die allerersten aber, die nach der Eröffnungszeremonie in Santa Clara antreten durften, waren Tau ziehende Männer. Was für ein Comeback! Während die Dichterinnen und Dichter immer noch traurig unterm Lorbeerbaum sitzen und darauf warten, wieder mal um Goldmedaillen kämpfen zu dürfen. Ach ja, "Oi Hellaan laakeri!"