17. November 1963 Europabrücke eröffnet
Das Sehnsuchtsland Italien, schnell an den Strand oder zumindest an den Gardasee. Vielen Reisenden fällt unterwegs gar nicht auf, worüber sie da fahren. Kein Wunder, denn die Europabrücke versteckt sich zwischen Bergen und Schutzwällen. Dabei sollte sie völkerverbindend monumental wirken. Autor: Martin Trauner
17. November
Freitag, 17. November 2023
Autor(in): Martin Trauner
Sprecher(in): Johannes Hitzelberger
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Wer einmal versucht hat, von Innsbruck auf den Brenner zu radeln, der braucht viel Zeit, und er nimmt wenig von dem wahr, was über ihm ist. Immer dem Fluss Sill entlang durch das enge Wipptal geht’s Kehre für Kehre auf der Brennerstraße hoch nach Schönberg im Stubaital, immer den Blick auf den Straßenverkehr gerichtet. Ob da einem nicht ein holländisches Wohnwagengespann - der will sich wohl die Maut sparen - beim Überholen zu nahe kommt? - Und plötzlich: ein riesiger Betonpfeiler im Wald. Und dann geht der Blick doch noch nach oben: Das ist einer der fünf mächtigen Pfeiler der berühmten Europabrücke.
Alle Wege führen auf den Brenner
Ja, die Europabrücke. In luftiger Höhe von 192 Metern quert sie das Wipptal. Nur: wer einmal mit dem Auto da drübergefahren ist, und das waren im Laufe der Jahre ja ziemlich viele, der hat auch wie der Radlfahrer von dieser architektonischen Meisterleistung wenig gesehen. Links und rechts ein hoher Zaun und: Obacht!! Holländische Wohnmobile, die sich mal ausnahmsweise nicht die um die Maut drücken ...
Alle Wege führen über den Brenner
Nun, den besten Blick auf die Europabrücke hätte man von der Europakapelle in Schönberg. Da könnte man von noch höherer Warte auf dieses Wunderwerk der Technik herabsehen… Wenn man denn die Zeit hätte, für diesen Ausblick, denn es geht ja nach Italien, einem der Sehnsuchtsorte, es geht ins Land, wo die Zitronen blühen. Und dahin muss es schnell gehen.
Die Europakapelle übrigens weihte man am 16. November 1963 ein, einen Tag später, am 17. November 1963, wurde die Europabrücke offiziell eröffnet. Die war natürlich eine Sensation. Nur Superlative: 70.000 Kubikmeter Beton, 6000 Tonnen Stahl. Und so weiter… Damals war sie die höchste Brücke Europas, Und immer wieder. Europa, Europa, Europa. Der österreichische Kanzler Alfons Gorbach bediente bei der Eröffnungsfeier alle Metaphern und Allegorien, er schwärmte, die Brücke sei mehr als nur ein Bauwerk, mehr als nur eine bessere Verbindung von Nord nach Süd, sie sei ein Symbol für Völkerverständigung.
Über den Brenner nach Italien und noch weiter, das war seit Menschengedenken die beste, weil die leichteste Alpenüberquerung. In den 1950er und 1960er Jahren glaubte man, eine durchgängige Autobahn von Skandinavien nach Sizilien, vielleicht sogar bis Afrika, könne Staaten, gar Kontinente verbinden, Heute ist man da etwas zurückhaltender. Oder vielleicht auch nicht?
Heute baut man den BBT, den Brenner Basistunnel. Einen Eisenbahntunnel, der den Brenner unterquert. Also geht’s dieses Mal statt nach oben nach unten, statt mit dem Auto mit dem Zug - und in eine andere Metaphernwelt. - Wieder wirft man mit Superlativen um sich, der längste unterirdische Eisenbahntunnel, natürlich mit einer europäischen Dimension. Diesmal ist freilich keine Kapelle geplant. Man würde ja auch nicht viel sehen von dem neuen Wunderwerk der Technik. Aber: Dieses Mal geht es noch schneller über, oder besser gesagt, durch die Alpen.