27. Dezember 537 Die Hagia Sophia wird eingeweiht
Mit dem Bau der Kuppelbasilika Hagia Sophia verfolgte Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert ein besonders ambitioniertes baupolitisches Programm. Die architektonischen Einzigartigkeit macht die Hagia Sophia zu einer Kirche ohne Vorbilder und ohne Nachahmung - eines der bedeutendsten Gebäude aller Zeiten. Autorin: Julia Devlin
27. Dezember
Freitag, 27. Dezember 2024
Autor(in): Julia Devlin
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Frank Halbach
Istanbul ist in Bewegung. In wenigen Jahrzehnten ist die Einwohnerzahl der Stadt auf knapp 16 Millionen angewachsen. Viele Menschen kommen vom Land, auf der Suche nach Arbeit, und finden Unterkunft in rasch hochgezogenen mehrstöckigen Gebäuden, deren Erdbebenschutz häufig zu wünschen übrig lässt. Denn Istanbul ist in Bewegung. Immer wieder bebt in der Region die Erde, und die Erschütterungen bringen ganze Häuserblocks zum Einstürzen.
Göttliche Weisheit
Doch Istanbuls berühmtestes Bauwerk steht seit 15 Jahrhunderten. Majestätisch erhebt sich die Kuppel der Hagia Sophia über der Stadt. Mehr als ein Dutzend Erdbeben hat sie überstanden. Hatten die Erbauer geheimes Wissen oder einfach nur Glück?
Der Bau der Hagia Sophia, der "Kirche der göttlichen Weisheit" begann 532. Kurz zuvor hatte sich die Bevölkerung Konstantinopels – wie Istanbul damals hieß – gegen den oströmischen Kaiser Justinian I. erhoben. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, doch große Areale der Stadt waren zerstört, und auch die alte Sophienkirche war ein Raub der Flammen geworden. Macht nichts, sagte sich Justinian, das gibt Platz für Neugestaltung. Und er ließ sofort mit dem Bau der neuen Sophienkirche beginnen. Ein steingewordenes Jetzt Erst Recht, mit dem er seinen Machtanspruch im wahrsten Sinne des Wortes untermauerte. Ob er bei der Einweihung am 27. Dezember 537 tatsächlich ausgerufen hat: "Salomon, ich habe dich übertroffen" – ein Seitenhieb auf den biblischen Herrscher, der den Tempel in Jerusalem bauen ließ – klingt zwar plausibel, ist aber umstritten.
Ebenso umstritten ist, ob die Architekten der Hagia Sophia mit Absicht oder eher zufällig ihren spektakulären Bau mit erdbebensicheren Strukturen ausstatteten.
Planung oder Zufall
Justinian waren die Besten gerade gut genug. Er berief Anthemius von Tralles und Isidorus von Milet als Architekten. Ersterer galt als bester Militäringenieur Ostroms, letzterer war ein berühmter Mathematiker und Physiker. Wussten sie schon, was die moderne Statik heute weiß – dass Gebäude leicht und flexibel sein müssen, um Erschütterungen wegzustecken? Die Hagia Sophia ist nämlich beides. Sie ist aus porösen, leichten Ziegeln gebaut, wie man sie bei anderen antiken Gebäuden nicht findet. Der Mörtel ist elastisch und besitzt eine außergewöhnliche Zugfestigkeit. Zudem sorgen die zahlreichen Fenster für Leichtigkeit. Lange hat man angenommen, dass sie vor allem für ihren überwältigenden Lichteffekt geplant wurden. Doch der Ring der vierzig Rundbogenfenster am Rand der Kuppel sorgt auch dafür, dass bei einem Erdbeben keine Risse beim Übergang des Gewölbes auf das Mauerwerk entstehen, nimmt sozusagen die Risse schon kontrolliert vorweg.
Zufall oder bewusste Planung? Vielleicht wird man es nie herausfinden. Vielleicht ist es auch nicht wichtig. Die Hagia Sophia hat Reiche aufsteigen und fallen sehen, war Zeugin religiöser Konflikte und friedlichen Zusammenlebens. Steht zu hoffen, dass diese Unerschütterlichkeit noch mindestens weitere 15 Jahrhunderte anhält.