13.05.1515 Mary Tudor heiratet heimlich Charles Brandon
Prinzessinnen, die in Liebesdingen ihren eigenen Kopf durchsetzen wollen, leben gefährlich. Bei Mary Tudor, der jüngsten Schwester des englischen Königs Heinrich VIII., ging es gerade noch mal gut. Das ist umso bemerkenswerter, als ihr Bruder oft nicht sonderlich zimperlich umging mit Damen. Autorin: Brigitte Kohn
13. Mai
Montag, 13. Mai 2024
Autor(in): Brigitte Kohn
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
In der wechselvollen Geschichte der Könige von England sticht Heinrich VIII. vor allem dadurch hervor, dass er zwei seiner sechs Ehefrauen hat köpfen lassen. Und es gibt noch eine weitere wichtige Frau in seinem Leben, die ebenso gut auf dem Schafott hätte enden können: seine jüngere Schwester Mary Tudor, geboren 1496, in Liebesdingen eigenständiger und risikobereiter, als es sich für eine Prinzessin empfiehlt.
Aber Heinrich galt in jungen Jahren keineswegs als grausam, sondern als attraktiver, humanistisch gebildeter, temperamentvoller und ritterlicher Renaissance-Prinz. Er hatte seine Schwester gern, die ihm sehr ähnlich war und als eine der schönsten Prinzessinnen Europas gerühmt wurde. Ihre Liebelei mit seinem besten Freund, dem Herzog von Suffolk, amüsierte ihn. Charles Brandon hieß er, und blendend sah er aus.
Der schöne Charles
Doch als König musste Heinrich Machtallianzen schmieden, wie üblich mit dem Mittel der Eheschließung. Für die achtzehnjährige Mary fasste er den französischen König ins Auge, pockennarbig, gichtkrank und über fünfzig, mit dem er eben noch im Krieg gelegen war. Die Schwester sollte als friedensstiftende Maßnahme eingesetzt werden, worauf sie keine Lust hatte. Heinrich beruhigte die wutschäumende junge Frau mit dem Hinweis auf Ludwigs begrenzte Lebenserwartung und mit der Zusage, sich ihren nächsten Gatten selbst aussuchen zu dürfen.
Endlich Mary
Mary wurde also Königin von Frankreich. Drei Monate nach der Hochzeit starb ihr Mann, und die Hofschranzen lästerten, sie habe ihn zu Tode getanzt. Ihre Lage war jetzt schwierig. Ludwigs Nachfolger und andere französische Potentaten hätten sich auch gern mit ihr vermählt und setzten ihr mit ihrem Liebeswerben zu. In England schmiedete König Heinrich ungeachtet seiner Zusage der freien Gattenwahl seinerseits neue, politisch vorteilhafte Heiratspläne. Er schickte seinen besten Freund Charles Brandon nach Frankreich, um die Schwester heimzuholen, nicht ohne ihm das Versprechen abzunehmen, die Finger von ihr zu lassen. Brandon, der es sich mit seinem Gönner nicht verderben wollte, war wild entschlossen, sich daran zu halten.
Doch das Wiedersehen mit Mary war herzzerreißend. Noch nie habe er eine Frau so weinen sehen, schrieb Brandon später in einem Brief. Atemberaubend schön in ihrer Verzweiflung und Bedrängnis, flehte Mary ihn an, sie zu heiraten, andernfalls werde sie in ein Kloster eintreten. Charles Brandon schmolz dahin, und wenige Tage später stieg eine kleine heimliche Hochzeit. Das grenzte an Hochverrat. Heinrich erfuhr davon und war wütend, aber noch nicht abgebrüht genug, um sofort den Henker einzubestellen. Charles und Mary kehrten zurück, Heinrich ließ sich beruhigen und nahm am 13. Mai 1515 sogar an der offiziellen Hochzeit der beiden teil.
Ob die Ehe glücklich war, weiß man nicht. Die Nachwelt stellt es sich gerne so vor und hat die Tudor-Prinzessin als temperamentvolle und mutige Frau in Erinnerung behalten, der es gelungen war, sich dem royalen Eheschacher zu widersetzen. Was damals eher selten vorkam.