15. April 2019 Notre-Dame brennt
Der Großbrand zerstörte Teile der Kathedrale Notre-Dame de Paris. Immerhin gelang es der Pariser Feuerwehr nach Stunden, den Brand im Wesentlichen auf den hölzernen Dachstuhl zu begrenzen. Der Dachstuhl, genannt la Forêt („der Wald“) bestand aus ca. 1.300 Eichenbalken von denen jeder von einem anderen Baum stammte. Autorin: Julia Devlin
15. April
Dienstag, 15. April 2025
Autor(in): Julia Devlin
Sprecher(in): Caroline Ebner
Redaktion: Frank Halbach
Ein Wald wuchs in Paris, ein Eichenwald, mitten in der Stadt, auf der Kathedrale von Notre-Dame. Es war der Dachstuhl des mächtigen gotischen Gebäudes. Weil das Eichengebälk so erhaben und so weitläufig war, und weil mit über tausend Eichen ja tatsächlich ein kleiner Wald verbaut wurde, nannten die Gesellen, die im 12. Jahrhundert dieses Wunderwerk der Zimmermannskunst erschufen, den Dachstuhl "La Forêt", der Wald.
Ein Waldbrand
Über acht Jahrhunderte trug der Dachstuhl das hohe, steile Dach des Gotteshauses, trotzte Stürmen, Sturzregen und Blitzeinschlägen, parierte elastisch die Bewegungen des monumentalen Mauerwerks, das er krönte. Doch am Abend des 15. April 2019 fing das Gebälk Feuer. Ein mittelalterlicher Wald ging in Flammen auf. Die verkohlten Balken fielen reihenweise um und stürzten durch das zerstörte Gewölbe auf den Boden der Kathedrale.
Der Wiederaufbau, das wurde rasch beschlossen, sollte so originalgetreu wie möglich erfolgen. Doch es gab keine Pläne des Dachstuhls. So musste er, quasi post-mortem, rekonstruiert werden. Zum Glück hatten zwei Architekturstudenten einige Jahre zuvor Skizzen des gigantischen Balkenwerks angefertigt und zahlreiche Details dokumentiert. Und es gab viele Fotos, die nun sehr genau unter die Lupe genommen wurden.
Wiederaufforstung
Bei dieser Rekonstruktion trat so manche Überraschung zutage. So waren die verwendeten Eichen nicht, wie lange angenommen, mehrere hundert Jahre lang gewachsen. Es waren vielmehr junge Bäume gewesen, sechzig, höchstens achtzig Jahre alt.
Weil sie schlank waren, waren sie auch biegsam und brachen daher nicht, wenn Stürme an der großen Dachfläche zerrten. Sie waren in dichten, eng bewachsenen Wäldern gewachsen. Wegen der Konkurrenz durch die anderen Bäume strebten sie schnell über zehn Meter in die Höhe und bildeten keine Seitenäste. Das freute die Zimmerleute, denn das war gut für die Stabilität des Holzes. Sie entrindeten die Stämme mit der Axt, bearbeiteten sie aber ansonsten nur wenig und respektierten den natürlichen Wuchs des Baumes. Die Krümmung des Stammes durfte bleiben, musste sogar bleiben, um das starke und tragfähige Kernholz nicht zu beschädigen. Vielleicht war auch das ein Grund für den Namen "La Forêt", denn auf den Fotos sieht man, wie der Dachstuhl eine natürliche Schwingung besitzt, weil der eine oder andere Balken ein wenig schief ist.
Notre-Dame ist wieder erstanden. Viele Menschen haben für den Wiederaufbau gespendet - Geld, aber auch Holz. Die Hälfte der tausend Eichen, die für den neuen Dachstuhl benötigt wurden, stammt aus privatem Waldbesitz. Manche spendeten zehn Eichen, andere nur eine, doch alle sind stolz darauf, dass ihre Bäume nun in "La Forêt" auf der Kathedrale im Herzen von Paris stehen dürfen.