18. Januar 2000 Meteorit Tagish Lake tritt in Erdatmosphäre ein
Eine Botschaft von Außerirdischen? Ein missglückter Waffentest? Die Menschen sind unschlüssig, wie sie das deuten sollen, was sie da am Nachthimmel sehen. Mit einem gewaltigen Lichtspektakel kommt der Meteorit Tagish Lake auf der Erde an. Die Wissenschaft versucht zunächst, den Einschlagsort geheim zu halten. Autorin: Julia Devlin
18. Januar
Donnerstag, 18. Januar 2024
Autor(in): Julia Devlin
Sprecher(in): Irina Wanka
Redaktion: Susi Weichselbaumer
Die Winternächte sind lang und dunkel im nördlichen Kanada. Doch wer in Whitehorse, der Hauptstadt des Yukon-Territoriums, in den frühen Morgenstunden des 18. Januar 2000 die Augen zum Firmament erhob, erblickte ein wundervolles Spektakel. Ein gleißend weißes Licht erschien im Norden des dunklen Nachthimmels und flog in einem großen Bogen südwärts, funkelnd und violette Blitze schleudernd. Für einige Sekunden erhellte sich das Morgendunkel, und das Licht warf zuckende, bläuliche Schatten. Noch eine halbe Stunde später sah man am Sternenhimmel einen riesigen Kondensstreifen. Und die perplexe Bevölkerung von Whitehorse rieb sich die Augen und fragte: "What the hell was that?"
Ufo? Rakete? Waffe?
Schnell machten sich Verschwörungstheorien breit. Zum Beispiel, die Erscheinung wäre ein schiefgelaufener Waffentest der USA gewesen. Andere deuteten es als ein gutes Omen für das neue Millennium, das ja erst 18 Tage alt war. Astronomen hingegen war klar: Das war ein Meteor. Ein großer Meteor. Ein Brocken, der zwischen den Planeten herumwandert und explodiert, sobald er in die Erdatmosphäre eintritt. Eine Steinprobe aus den unendlichen Weiten des Alls, noch dazu eine, die man umsonst bekommt, wenn man sie denn findet. Und die etwas von der Geschichte des Weltalls erzählen kann.
Landeplatz?
Eine Woche später fuhr der Kanadier Jim Brook in seinem grünen Chevy Pick-up über die verschneite Eisfläche des zugefrorenen Tagish Lake. Im Licht seiner Schweinwerfer fielen ihm die verstreuten schwarzen Steine auf.
Wo sollten die herkommen, wenn nicht von oben? Ihm war sofort klar, was er vor sich hatte. Voller Ehrfurcht sammelte er alle Fragmente ein, die er finden konnte.
Die Forschenden, an die er sich nach seinem Fund wandte, befürchteten zu viele Hobby-Astronomen könnten sich nun auf die Suche machen. Daher wurde der Fund erst einmal geheim gehalten, während wissenschaftliche Expeditionen ausschwärmten, um zu bergen, was zu bergen war. Sie fanden zahlreiche weitere Bruchstücke des Meteoriten auf dem Eis des Sees – mehr als 500 waren es schließlich - und sie hörten erst auf zu suchen, als im Frühjahr die Schmelze einsetzte.
Dass so gar keine Nachrichten nach außen gelangten, stattdessen Fremde in dem kleinen Städtchen Whitehorse sich herumtrieben und mit Leihautos in die Umgebung ausschwärmten, heizte wiederum die Gerüchteküche an: Offensichtlich wollten die USA tatsächlich einen fehlgeschlagenen Waffentest vertuschen!
Unterdessen wurden die kostbaren Brocken im Labor untersucht. Und höchst Erstaunliches kam zutage: Zum einen, dass diese Bruchstücke sehr, sehr alt waren. Unvorstellbar alt, viereinhalb Milliarden Jahre. Restmaterial, das übrigblieb, als unser Sonnensystem geboren wurde und die Planeten sich formten. Zum anderen, dass sie Aminosäuren enthielten, die auch in Lebewesen vorkommen. Dies unterstützte die Vermutung, dass wichtige Bausteine des Lebens vom All auf die Erde gekommen sind. Vielleicht hatten unsere Altvorderen ja doch recht, als sie im dunklen Sternenhimmel ein Wimmelbild voller Tiere erblickten.