21. April 1934 Nessie-Fotografie erscheint in der Daily Mail
Ein langer, gekrümmter Hals mit kleinem Kopf, der aus dem Wasser ragt. Klar, das ist Nessie! Das ikonische Foto war die erste - und ist die bis heute wohl berühmteste Fotografie des Ungeheuers von Loch Ness. Es erschien am 21. April 1934 in einem Londoner Boulevard-Blatt und machte den Schottischen See weltbekannt. Autor: Michael Zametzer
21. April
Freitag, 21. April 2023
Autor(in): Michael Zametzer
Sprecher(in): Irina Wanka
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist. Der Satz stammt von Kurt Tucholsky und klingt logisch. Aber nur auf den ersten Blick. Ja, Blick. Denn es gibt ein Loch, in dem doch etwas ist. Oder doch nicht? Moment, war da nicht was? Na, da, wo die Wellen sich so seltsam brechen …? Halt, nein, doch nicht.
Wo??? - Na, da!!!
Mr. und Mrs. John Mackay waren sich sicher, etwas Fremdartiges gesehen zu haben im Loch Ness, als sie an einem Tag im April 1933 mit dem Auto die neue Uferstraße entlangfuhren.
Ein Jahr später, am 21. April 1934 erblickte die Leserschaft der "Daily Mail", eines Londoner Boulevardblattes, zum ersten Mal ein Foto von dem, was da im Loch Ness ist – oder sein könnte. Wo? Na da drüben, am Ufer, hinter den Felsen ...! Nein, doch nicht. Das grobkörnige Bild zeigt ein Wesen im Wasser, schemenhaft ist ein Körper erkennbar, und ein charakteristischer langer Hals mit kleinem Kopf ähnlich einer prähistorischen Meerechse, einem Plesiosaurus. Darüber ist die Schlagzeile zu lesen: "Chirurgen-Foto zeigt das Monster". Als Urheber des Bildes wurde ein Arzt aus London genannt. Na, wenn ein Arzt das Foto gemacht hat, dann kann es doch kein Schwindel sein!
Das "surgeon photo" markierte den Beginn der modernen Nessie-Manie. Und was wurde in den 89 Jahren danach nicht alles unternommen, um der Legende vom Loch-Ness-Monster den Gar aus zu machen: Großflächige Sonar-Expeditionen! Todesmutige Tauchgänge! Beobachtungsposten rund um die Uhr, 24/7 sozusagen! Aber so viele verschwommene, verwackelte, grisselige und offensichtlich retouchierte Bildbeweise auch veröffentlicht wurden - das "surgeon-photo" von 1934 war Jahrzehnte lang DER Beweis für Nessies Existenz. Wasserdicht sozusagen.
Wo steckt Nessie?
Die Wahrheit über das "Surgeon-Foto" kam erst im Jahr 1994, nach 60 Jahren ans Licht: Nicht der Londoner Arzt, sondern der Schauspieler, Filmproduzent und Großwildjäger Marmaduke Wetherell steckte hinter Nessies Portrait - einer Fälschung: Sein Stiefsohn, ein begnadeter Bastler, hatte das Wassergeschöpf aus Kunststoff modelliert und auf ein Spielzeug-U-Boot montiert. Ein Hoax also, wie die Engländer sagen.
Monstersichtungen gab es am Loch Ness zwar seit dem Frühmittelalter vereinzelt immer wieder. Warum aber zeigte sich Nessie erst seit den 1930er Jahren so häufig? Vielleicht, weil damals gerade eine neue Straße rund um den See fertiggestellt worden war - und die Rodungen der Bäume und Böschungen am Ufer erst einen guten Blick auf Loch Ness möglich machten. Oder weil die Berghänge, die den See umgeben, besonders geheimnisvolle Schatten auf die Wellen werfen? Und dann ist da unser Gehirn, das Unbekanntes immer mit dem zusammenbringt, was wir schon kennen - und wer kennt nicht Nessie? Vielleicht aber auch, weil „King Kong“, der Monsterblockbuster des Jahres 1933, auch die Fantasie schottischer Kinobesucher beflügelt haben könnte?
Der Riesenaffe kämpft darin nämlich mit einer gigantischen Urzeit-Echse. So steckt die Wahrheit über das Monster von Loch Ness vielleicht doch nicht im Loch, sondern eher in unseren Köpfen.