5. April 1764 Sugar Act beschlossen
Der vom britischen Parlament beschlossene sogenannte "Sugar Act" stellt formal einen Importzoll auf Melasse dar. Bei den neuenglischen Kolonien in Nordamerika führt der Sugar Act nicht nur zu formalen Protesten, sondern zu offenem Widerstand und sogar zahlreichen Sabotageakten gegen die Zollbehörden und die Royal Navy. Autor: Hellmuth Nordwig
05. April
Mittwoch, 05. April 2023
Autor(in): Hellmuth Nordwig
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
100 Milliarden Euro für die Bundeswehr? Kein Problem! Die packen wir noch oben drauf auf den Doppelwumms. - Woher das Geld kommt, diese Frage haben Regierungen nicht immer so locker gesehen wie heute. Nicht mal die britische. Die ist ziemlich klamm im Jahr 1763, als der Siebenjährige Krieg zu Ende geht. In dem hat England zwar die Vorherrschaft in Nordamerika gewonnen, Frankreich muss große Gebiete abtreten. Aber eine lange Grenze durch ein schlagkräftiges Heer gegen die amerikanische Urbevölkerung zu sichern, das kostet nicht gerade wenig.
Wohlwollende Vernachlässigung
Da trifft es sich gut, dass die britische Krone ordentlich Zoll erhebt. Auf Melasse zum Beispiel, einen Zuckersirup, aus dem zum Beispiel Rum hergestellt wird. Da fällt gleich doppelt Zoll an: Pro Gallone viereinhalb Pence für die Ausfuhr aus Jamaika und anderen britischen Inseln, und dann nochmal sechs Pence, wenn die nordamerikanischen Kolonien den Sirup einführen. Theoretisch. Die Praxis sieht aber ganz anders aus. Die meisten britischen Zöllner, die für Amerika zuständig sind, arbeiten nämlich im Homeoffice, das keine Erfindung unserer Zeit ist. Einige dieser Herren haben England überhaupt noch nie verlassen und erheben bei einer Zigarre im Club nur auf dem Papier den Zoll, meistens aber das Whiskyglas. Ihren Job auf der anderen Seite des Atlantiks - den können derweil gerne Handlanger erledigen. Die kosten nicht viel, nehmen dafür auch nicht allzu viel ein, was wiederum den Siedlern in Amerika zupass kommt. Ein paradiesischer Zustand, den die Beteiligten, sinngemäß übersetzt, "wohlwollende Vernachlässigung" nennen.
Doch nun ist die Staatskasse leer, und Premierminister George Grenwell lässt sich einen einfachen Schachzug einfallen: Der Zoll wird halbiert - aber dafür wirklich eingetrieben. Das Parlament in London winkt dieses "Zuckergesetz" gähnend durch, die Kolonien stellen nämlich keine Abgeordneten. Und der König unterschreibt am 5. April 1764. Was George III. dabei lostritt, ahnt da noch niemand.
Der Anfang vom Ende
Als unbestechliche Beamte in New York und Boston eintreffen, wird der Zucker zunächst noch über kleinere Häfen zu den Rumfabrikanten geschmuggelt. Doch der Zoll ruft die Marine zu Hilfe, und die erweist sich als außerordentlich eifrig. Beliebt war sie bei der Bevölkerung noch nie, aber jetzt wird es ungemütlich für die Regierungsvertreter. Soldaten werden tätlich angegriffen, ortskundige Lotsen verweigern den Dienst, und ein Sheriff nimmt sogar einen Zöllner fest. Viel mehr ins Gewicht fällt aber der Boykott britischer Waren: Die Frauen tragen keine englische Spitze mehr, und die Feuerwehr von Philadelphia beschließt sogar, auf das Bier aus dem Mutterland zu verzichten. Dass Premier Grenwell schon bald - sozusagen als Doppelwumms - auch noch Steuermarken für alle Druckerzeugnisse einschließlich der Zeitungen vorschreibt, macht die Sache nicht besser. Auch wenn diese Maßnahme bald zurückgenommen wird: Die Zuckersteuer ist der Anfang vom Ende der britischen Kolonien in Nordamerika. Zwölf Jahre später erklären sich die Vereinigten Staaten für unabhängig.