20. Dezember 1969 Erste Folge von "Wünsch dir was"
So fing es an, das interaktive Fernsehen, mit "Wünsch Dir was". In der Eurovisionsshow konnten die Zuschauer eines bestimmten Ortes die Sieger bestimmen. Per "Lichttest" – oder das Betätigen der Toilettenspülung. Der jeweilige Mehrverbrauch entschied den Sieger. Insgesamt 24 Folgen wurden im ZDF ausgestrahlt. Autorin: Carola Zinner
20. Dezember
Dienstag, 20. Dezember 2022
Autor(in): Carola Zinner
Sprecher(in): Hans-Jürgen Stockerl
Illustration: Tobias Kubald
Redaktion: Frank Halbach
Es ging aufwärts! Ende der 1960er Jahre wurde Nachkriegsdeutschland zur Wunderwelt, in der kaum mehr Wünsche offenblieben. Rasante Lohnsteigerungen und höhere Renten, eigenes Auto und Farbfernseher. Alles immer größer, schöner und auch frecher. Sogar beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ausgerechnet der Samstagabend, den das ZDF traditionell der Familienunterhaltung widmete, wurde am 20. Dezember 1969 mit der neuen Eurovisionsshow "Wünsch Dir was!" zu einer Art Versuchslabor in Sachen Innovation und Provokation.
Televoting per "Lichttest"
Das Konzept: Drei Familien zeigten im Wettstreit gegeneinander, was sie an Witz, Können und Wagemut zu bieten hatten und auch, wie die innerfamiliäre Zusammenarbeit funktionierte. Da robbten Kandidatinnen und Kandidaten über dünnes Eis, errieten geheime Wünsche ihrer Angehörigen oder spielten spontan in einem Theaterstück unter lauter Profis mit. Durch die Sendung führte, auch das war neu, ein Moderatoren-Duo, bestehend aus dem Ehepaar Dietmar Schönherr und Vivi Bach - er grantig, aber mit Durchblick, sie bezaubernd und beschwichtigend - die ihrerseits die traditionelle familiäre Rollenverteilung perfekt erfüllten. Der Knüller aber war jene Runde, in der die Zuschauer daheim vor den Fernsehgeräten über Sieg oder Niederlage der zwei Parteien entscheiden durften, die zu diesem Zeitpunkt noch im Spiel waren. "Lichttest" lautete das Zauberwort, mit dem Vivi Bach das Fernsehpublikum - wenn auch nur das einer bestimmten Region - dazu aufrief, mittels ruckartiger Erhöhung des Stromverbrauchs kundzutun, welcher Partei sie ihre Stimme gaben. "Wenn Ihnen die Leistung von Familie Müller besser gefallen hat als die von Familie Meier, dann schalten Sie beim Ertönen des Gongs bitte bei ihnen zu Hause für 20 Sekunden alle verfügbaren Lichtquellen ein!"
Anschließend verkündete ein Vertreter des zuständigen Elektrizitätswerks via Telefon, bei welcher Kandidatenfamilie der Verbrauch um wie viel gestiegen war: Bei Meiers um 10 Megawatt; bei Müllers um 40, das gab für Müllers ordentlich Punkte. So also sah er aus, der Beginn des interaktiven Fernsehens.
Das Leben ist kein Wunschkonzert
Und auch in anderer Hinsicht wurde "Wünsch Dir was" zum Vorgriff auf die Medienwelt von heute, nämlich mit dem Bugsieren der Kandidaten in den Grenzbereich zwischen Blamage und Lebensgefahr. Bei einer Spielrunde der insgesamt 24 Shows, an denen im Hintergrund Größen wie Michael Pfleghar und André Heller mitwirkten, hatte sich die jeweilige Familie in ein Auto zu setzten, das anschließend mittels eines Krans in ein Schwimmbassin versenkt wurde. Sobald der Vater, der natürlich am Steuer saß, die Hupe betätigte, sollten dann alle das Fahrzeug unter Wasser möglichst schnell verlassen. Millionen von Zuschauern waren dabei, als dieses Spiel für eine Familienmutter nur knapp gut ausging, weil auch die Taucher, die ihr schließlich zu Hilfe eilten, die Türe des Fahrzeugs erst nicht aufbrachten. Anschließend zeigte die Frau, ein Handtuch um den Kopf und ziemlich außer Atem, der Kamera aber tapfer das gleiche breite Lächeln wie die Gegenseite. Die das Spiel dann gewonnen hat: die Rettung hatte dummerweise zu viel Zeit gekostet. Das Leben ist halt einfach kein Wunschkonzert.