Bayern 2 - Nachtmix


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Somebody to Love Grace Slick

Grace Slick wurde als Fotomodell und Leadsängerin von The Great Society und Jefferson Airplane bekannt. Zu ihrem 70. Geburtstag gratuliert das Nachtmix-Playback mit einer Portraitsendung.

Von: Till Obermaier-Kotzschmar

Stand: 30.10.2009 | Archiv

Grace Slick - im Oktober 2009 wurde sie 70 Jahre alt | Bild: picture-alliance/dpa

In den Straßen von San Francisco würde man das einstige Fotomodell & die früher rebellische Frau als auch eine der markantesten Sängerinnen der Rockgeschichte wohl kaum wiedererkennen. Rund ist sie geworden & trägt ihre langen, schlohweißen Haare fest zusammengebunden zu einem Pferdeschwanz. Fast so wie es sich für eine Frau gehört, die mittlerweile malt und sich für den Tierschutz engagiert. Müde oder bequem geworden ist Grace Slick keineswegs. Denn auch in jüngster Zeit sorgte sie für Aufsehen, als sie ihren Urin an einen Pharmakonzern schickte, um gegen die qualvolle Haltung von Stuten zu protestieren, die zur Gewinnung von Östrogenpräparaten gezüchtet werden. Als Grace Slick nach einem abgebrochenem Studium Anfang der 60iger Jahre nach San Francisco kommt, verliebt sie sich in den mittellosen Fotografen und Gelegenheitsschlagzeuger Jerry Slick.

Sie heiraten und gründen das Familienunternehmen "Great Society". Ihr Schwager Darby Slick ist Gitarrist & Songschreiber & ein Stück, das sie gemeinsam schreiben, wird später zum Hit: "Somebody To Love". Die Originalaufnahme aus dem Jahr 1968 wird allerdings erst nach Auflösung der Band veröffentlicht. Jefferson Airplane werden es für ihre zweite Platte "Surrealistic Pillow" im November 1966 aufnehmen. Am 1. April 1967 kam die Single in die U.S. Charts, avancierte zu einer Art Westcoasthymne & erreichte Platz 5 als höchste Notierung. Grace Slick wird am 30. Oktober 1939 als Grace Barnett Wing in Evanston, Illinois geboren. Sie stammt aus einer gutsituierten Mittelschichtsfamilie. Die Mutter ist Hobbysängerin, der Vater Investmentbanker. Nach der High-School studiert sie Modedesign am renommierten Finch-College in New York, danach Kunst an der Universität Miami, bricht das Studium ab & geht nach San Francisco, um, wie sie sagt: "herauszufinden, was mich wirklich interessiert."

Sie lernt ihren Mann kennen, bewegt sich in der Hippie Szene von Haight-Ashbury & arbeitet als Fotomodell, ein Job der ihr nach eigener Aussage nur wenig Spaß bereitet. Auf der Straße spielt sie zur Gitarre Folkklassiker wie Barbara Allen, schreibt aber auch eigene Stücke. Eines davon, "White Rabbit", nimmt sie später mit Jefferson Airplane auf. Es ist ein Stück, das die Geschichte von "Alice im Wonderland" unter Drogeneinfluss beschreibt. Auch dieser Song wurde mit Jefferson Airplane 1967, im Sommer der Liebe, in San Francisco zum Hit. Bereits 1966 ersetzte Grace Slick die Orginalsängerin von Jefferson Airplane, Signe Anderson, die ein Baby erwartete. "White Rabbit", ist auch auf "Surrealistic Pillow" zu hören, eine Platte, die sich eine Million Mal verkaufte.

Jerry Garcia von Greatful Dead, der hier mitspielt, liefert mit der Bemerkung zur Musik von Jefferson Airplane den Titel der Platte: "That`s surrealistic as a pillow". San Francisco hatte die erste, richtige Pop Band, die auch von der Gestaltung der Plakate, Fotos, Stickers & Hüllen die psychedelische Pop-Art maßgeblich bestimmte. Die Stadt war in Aufbruchsstimmung. Man zeigte dem Establishment den Finger & tat all das, was bisher verboten war. Das Viertel zwischen Haight & Ashbury Street, wurde zum Zentrum kreativer Bohemes, die als Wohngemeinschaften in den viktorianischen Holzhäusern lebten. Mittendrin in der Fulton-Street befand sich das Domizil von Jefferson Airplane. In der Band gab es Auseinandersetzungen über die musikalische Ausrichtung.

Und die Beziehung zwischen Spencer & Grace, verbunden mit einem massiven Alkoholproblem belastete die Gruppe zusätzlich. Gitarrist Jorma Kaukonen gründete 1969 mit seinem Freund ,dem Bassisten Jack Casady, als Zweitgruppe das Bluesduo "Hot Tuna". Und auch Paul Kantner, maßgeblicher Stückeschreiber & Gründer von Jefferson Airplane, ruft sein Projekt "Jefferson Starship" ins Leben. Zusammen mit Grace Slick, die ein Kind von ihm erwartet, laden sie eine Reihe von Westküstenmusiker ein, darunter Jerry Garcia & David Crosby. Paul Kantner, der eine Vorliebe für Science Fiction hat, kreiert 1970 mit "Blows Against The Empire" eine Space-Rock-Oper. Junge Leute kapern ein Raumschiff, fliegen damit in den Weltraum & etablieren eine schöne & gute, neue Welt. Lichtjahre entfernt von Richard Nixon & dem Vietnamkrieg. Am 25. Januar 1971 kommt China Wing Kantner auf die Welt, die das Plattencover von "Sunfighter" ziert, einer weiteren Zusammenarbeit von Grace Slick & Paul Kantner. Dazu Grace Slick in einem Interview, Zitat: „Ich hielt gerade meine neugeborene Tochter auf dem Arm, als mir eine spanische Krankenschwester mit einem Kreuz an ihrer Halskette, die Geburtsurkunde zur Namenseintragung entgegenhielt. Ich sah das Kreuz & dachte: "Gott" wäre ein guter Name. Zitat Ende.

In Amerika ist der Vorname "Gott" aus religiösen Gründen nicht akzeptabel und so änderte Slick den Namen in "China", was wiederum als Anspielung auf den Maoismus interpretiert wurde, jedoch nur die Vorliebe von Grace, für die Kunst und Kultur dieses Landes ausdrückt. 1974 zeichnet sich schon ab, was später bei Grace Slick´s Soloplatten oder bei "Starship" ohne Jefferson im Namen Realität wird: Mainstream, Bombastrock, glattgebügelt und weichgespült. Die Musiker mit ihren frischgeföhnten Hardrockfrisuren & Silbergürteln schauen alle wie aus dem Versandhauskatalog von "Sears" aus. Und Grace Slick, einst eine ausdruckstarke, differenzierte Sängerin, jetzt eine Null-Acht-Fünfzehn-Rockröhre. "We built This City" ist im September 1985 ein Nummer 1 Hit. Das "Starship" ist nicht nur "Knee Deep In The Hoopla", wie es der Plattentitel verheißt, sondern endgültig untergegangen.


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