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Hans Well Bayerisches Musizierwunder

Dass echte bayerische Volksmusik ein im besten Sinne anarchistisches Potential hat, an das es zu erinnern und das es weiterzuentwickeln gilt, hat die Biermösl Blosn 35 Jahre lang bewiesen. Hans Well, der für die meisten Texte dieser legendären Formation verantwortlich zeichnet, hat sich seinen Widerspruchsgeist und seine Angriffslust auch nach Auflösung der Biermösl Blosn bewahrt.

Stand: 07.12.2016

Porträt | Bild: BR

Musikalische Großfamilie

Als neuntes Kind wurde er am 1. Mai 1953 hineingeboren in die Großfamilie Well und wuchs mit insgesamt 14 Geschwistern in Günzlhofen bei Fürstenfeldbruck auf. Der Vater, ein Musik begeisterter Lehrer, förderte die musische Erziehung seiner Sprösslinge schon früh und trat mit ihnen bei vielen Veranstaltungen im Landkreis auf. Auch Hans Well erlernte mehrere Instrumente - u. a. Gitarre, Steirisches Akkordeon, Bratsche, Sopran-Jagdhorn und Tenor-Alphorn.

Kleinkunst statt Lehrer

Dem Vorbild seines Vaters folgend, wollte er ursprünglich Lehrer werden, entschied sich dann aber doch für die Kleinkunst. Den Anstoß gaben die aufmüpfigen Lieder von Fredl Fesl und den Mehlprimeln, von denen er so begeistert war, dass er beschloss, sich von der eher "heiligen, sakral vorgetragenen Volksmusik daheim", wie er sagt, zu emanzipieren und einen anderen Weg einzuschlagen.

Volksmusik mit aktuellen Texten

"In den Siebziger- und Achtzigerjahren haben sich in Münchner Kleinkunstbühnen verschiedene Gruppen herauskristallisiert, die auf der Tradition bayerischer Volkssänger und Volksmusikanten aufbauten", erinnert sich Hans Well, und dass es ihn gereizt hätte, auch etwas in dieser Art zu probieren: Volksmusik mit aktuellen Texten.

Erfolgsgruppe Biermösl Blosn

Gemeinsam mit seinen Brüdern Michael und Stofferl gründete er 1976 die Biermösl Blosn, die mit ihrer einzigartigen Melange aus unerschrockener Kritik an den bayerischen Verhältnissen, die lange Zeit im Wesentlichen von nur einer Partei dominiert wurden, und erstklassiger Volksmusik immer wieder für Aufruhr sorgte. Als "Nestbeschmutzer" wurden die drei Well-Brüder von ihren Gegnern beschimpft, wenn sie beispielsweise Demos gegen die atomare Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf unterstützten, gegen den Rhein-Main-Donau-Kanal Position bezogen oder mit dem BayWa-Lied eine provokante alternative Bayern-Hymne schufen.

"Eine Sternstunde bajuwarisch-subversiver Politik-, Nonsens- und Traditionspoesie. In der schwärzesten Nacht funkeln die hellsten Lichter. Wo die tumbeste Borniertheit thront, blühen zugleich auch die rabiatesten Demokratiegeister. So lange es Gerhard Polt und die Biermösl Blosn gibt, ist Bayern noch nicht verloren."

Frankfurter Rundschau, 27.3.2003

Auch jenseits des Weißwurschtäquators

Ab 1981 traten Hans Well und die Biermösl Blosn regelmäßig auch mit Gerhard Polt auf. Vor allem an den Münchner Kammerspielen konnten sie ab 1984 ("München leuchtet") viele gemeinsame Projekte realisieren, an denen auch Georg Ringsgwandl, Gisela Schneeberger, Jörg Hube, Dieter Hildebrandt und viele andere beteiligt waren. Auf Einladung des Goethe-Instituts reiste die Biermösl Blosn u. a. nach Japan, Südkorea und Afrika und schaffte es dort ebenso gut, Sprachbarrieren zu überwinden wie im Rheinland oder im hohen Norden der Republik.

Hans Well und seine "Wellbappn"

Inzwischen haben sich die Zeiten geändert, sogar im Freistaat. Die "linken Querulanten" von einst sind mit ihren im Grunde wertkonservativen Positionen längst keine Außenseiter mehr – und die Biermösl Blosn ist Geschichte.

Nach Auflösung der Kult-Gruppe musiziert Hans Well jetzt gemeinsam mit seinen drei Kindern in der Formation "Wellbappn". Engagiert wie eh und je stellt er seinen prominenten Namen weiterhin gerne in den Dienst einer guten Sache. Und er freut sich, wenn nach dem Auftritt im Zuschauerraum kontrovers diskutiert wird. Lebendige Demokratie halt!


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