Carissimo Fellini - Cher Simenon Korrespondenz zweier Ausnahmekünstler
"Mein lieber Fellini, es ist immer etwas Wunderbares, wenn man irgendwo einen Bruder entdeckt", schrieb Georges Simenon 1969 an Federico Fellini. Ihre intensive Briefkorrespondenz hielt über zwei Jahrzehnte an , bis Simenon im Jahr 1989 verstarb. Den Gedankenaustausch dieser zwei Ausnahmekünstler lesen zwei Ausnahmeschauspieler: Mario Adorf und Otto Sander.
"Ich glaube, es muss 1960 gewesen sein, als ich dem Drängen der Veranstalter nachgab und Präsident in Cannes wurde. In diesem Jahr zeigte Fellini La Dolce Vita. Ich erinnere mich an ein Essen mit den wichtigsten französischen und ausländischen Verleihern. Sie hatten für den Film nur herablassende Verachtung übrig. Trotz alledem, der Film bekam den Grand Prix. Aber mein Gott, wie habe ich dafür kämpfen müssen!"
(Georges Simenon)
Hier trafen die beiden Ausnahmekünstler zum ersten Mal aufeinander: der Filmvisionär Federico Fellini und der belgische Schriftsteller und "Maigret"-Erfinder Georges Simenon, in Cannes 1960. Zu diesem Zeitpunkt hatte Simenon bereits 151 Romane und 190 weitere Werke unter 17 verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht. Federico Fellini hatte seinerseits ein halbes Dutzend Filme gedreht und für den Welterfolg "La Strada" seinen ersten Oscar bekommen.
"Brüder" im Geiste
Der große Regisseur Fellini (links) und sein belgischer Brieffreund und Schriftsteller-Legende Simenon, stets mit Pfeife.
Nach ihrer ersten Begegnung bei den Filmfestspielen in Cannes äußerten der Romancier und der italienische Cineast immer wieder den Wunsch, einander zu sehen und sich auszutauschen. Tatsächlich kam es aber erst Jahre später zu einem Treffen zwischen den beiden. "Mein lieber Fellini, es ist immer etwas Wunderbares, wenn man irgendwo einen Bruder entdeckt", schrieb Simenon am 17. September 1969 aus Lausanne. Fellini antwortet ihm am 22. September 1969 aus Rom: "Carissimo Simenon, Sie sind der ältere Freund, den sich alle wünschen“. Ihr Briefwechsel bleibt vorerst sehr sporadisch. Erst ab 1976 begannen beide eine rege Korrespondenz, die sich auf einen Zeitraum von 20 Jahren erstreckte - bis 1989, dem Todesjahr des belgischen Maigret-Meisters.
Obwohl sie in verschiedenen Welten lebten - Fellini war ständig von Autoren, Schauspielern und Produzenten umgeben, Simenon dagegen hatte sich mit seiner Frau Teresa in die Einsamkeit eines Schlosses bei Lausanne zurückgezogen - entdeckten der Visionär Fellini und Simenon, der "Poet des Gewöhnlichen", wie ihn manch Kritiker charakterisierte, viele Gemeinsamkeiten. Sie bestärken und ermutigen sich gegenseitig in ihren so unterschiedlichen Projekten.
"Intelligente Fehler zu machen, ist eine große Kunst."
(Federico Fellini)
In ihren Briefen geben beide Freunde Auskunft über das Geheimnis des künstlerischen Schaffens, über das Entstehen ihrer heute zu Klassikern zählenden Werke, über ihre offensichtliche Schwäche für die Frauen. Aber auch über Krisen und Sorgen tauschten sich die Künstler-Komplizen aus, die leider kein gemeinsames Kunstwerk hinterlassen haben.
"Carissimo Fellini - Mon cher Simenon"
Briefwechsel zwischen Federico Fellini und Georges Simenon
Am 14. Januar 2020
in den radioTexten am Dienstag
um kurz nach 21.00 Uhr auf Bayern2
Lesung mit Mario Adorf und Otto Sander
Moderation und Redaktion: Antonio Pellegrino
Der Briefwechsel erschien in gekürzter Fassung als Hörbuch auf 2 CDs bei Kein und Aber Records. Als Buch erschienen sind die Briefe bei Diogenes.
Unsere Lesungen können Sie nachhören: auf dieser Seite im Stream, als Download im Podcast-Center des Bayerischen Rundfunks und überall, wo es Podcasts gibt.