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Dana von Suffrin liest Iwan Turgenjew: Erste Liebe

In ihrer Jugend entdeckte die Schriftstellerin Dana von Suffrin die Erzählungen von Iwan Turgenjew, darunter auch „Erste Liebe“. „Ein unglaublich berührender Text“, sagt sie im Gespräch. Dazu eine Lesung mit Ernst Schlott.

Stand: 05.09.2024

Birkenwald in Russland | Bild: picture alliance / Montage: BR

"'Sehen Sie mich an', wiederholte sie, die Stimme freundlich dämpfend, 'es ist mir nicht unangenehm… Ihr Gesicht gefällt mir; ich fühle, wir können Freunde werden. Gefalle ich auch Ihnen?' fügte sie schelmisch hinzu."

(Iwan Turgenjew 'Erste Liebe')

Wladimir Petrowitsch ist 16 und verbringt mit seinen Eltern den Sommer auf dem Land. Und bekommt eines Tages Nachbarn: Fürstin Sassjekin zieht zusammen mit ihrer Tochter Sinaida in das Seitengebäude des Gutes. Schon nach der ersten Begegnung bemerkt Wladimir, wie sehr ihn Sinaida fasziniert. Er verliebt sich in sie. Seine erste Liebe ist indes – vermutlich wenig überraschend – eine unglückliche. Iwan Turgenjew erzählt von großen Gefühlen und großen Enttäuschungen, ebenso von emotionalem Chaos, Träumen, Eifersucht und Manipulation.

Iwan Turgenjews Novelle „Erste Liebe“ erschien 1860 in einer Zeitschrift und gilt – neben dem großen Roman „Väter und Söhne“ – als einer der bekanntesten Prosatexte des russischen Erzählers und Väter der realistischen Literatur. Der Schriftsteller erklärte, die Geschichte – die Liebe eines Jugendlichen zu einer Frau – habe auf wahren Begebenheiten beruht. Er selbst verbrachte als 15jähriger einen Sommer auf dem Landsitz einer Adeligen und empfand übergroße Sympathie für sie. Ungeachtet dieser möglichen biographischen Überschneidung ist „Erste Liebe“ eine intensive, vielschichtige Meditation über die Entdeckung einer neuen Gefühlswelt und den damit verbundenen Schmerz.

Für die Münchner Schriftstellerin Dana von Suffrin – mit ihrem Roman „Nochmal von vorne“ für den diesjährigen Deutschen Buchpreis nominiert – ist Turgenjew ein Autor, zu dem sie lesend immer wieder gerne zurückkehrt. Zum ersten Mal begegnete sie seinen Texten in der Jugend. „Turgenjew kann alles“, sagt Dana von Suffrin im Bayern 2-Podcast „Buchgefühl – reden und lesen“. „Ich staune immer darüber, wie lustig und gleichzeitig traurig er ist – und wie viel er uns heute noch zu sagen hat.“ Sie sei kein 16jähriger adeliger Junge in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Und trotzdem könne sie seine Geschichte bei jeder Lektüre nachvollziehen.

Zum Abschluss einer Sommer-Reihe im Bayern 2-Podcast „Buchgefühl – reden und lesen“ blickt Dana von Suffrin auf Iwan Turgenjew und seine berühmte Novelle. Dazu ein Auszug aus „Erste Liebe“, in einer Lesung aus dem Archiv des Bayerischen Rundfunks. 1968 hat Ernst Schlott, einer der bekannten Radiosprecher im Haus, Iwan Turgenjews Prosatext gelesen, in der Übersetzung von Siegfried von Vegesack. Die historische Lesung und das Gespräch mit Dana von Suffrin sind in der ARD Audiothek verfügbar, wie auch die anderen sommerlichen Klassiker-Erkundungen mit Schriftstellerinnen und Schriftstellern der Gegenwart.

Dana von Suffrins jüngster Roman „Nochmal von vorne“, die Geschichte einer jüdischen Familie aus München, ist bei Kiepenheuer und Witsch erschienen und für diesjährigen Deutschen Buchpreis nominiert. Für einen Auszug aus dem Buch erhielt die Schriftstellerin im Frühjahr den Bayern 2-Wortspiele-Preis, zudem gibt es den Roman als Hörbuch, gelesen von Xenia Tilling, produziert von HR, WDR und BR, in der ARD-Audiothek. Im Rowohlt-Verlag ist gerade eine Anthologie mit 16 jüdischen Erzählungen aus der Gegenwart erschienen, darunter Dana Vowinckel, Maxim Biller und Eva Menasse. Dana von Suffrin hat den Band mit dem Titel „Wir schon wieder“ herausgegeben.


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