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Georg Büchner Das Thema

Stand: 12.11.2013 | Archiv

Bronzebüste | Bild: picture-alliance/dpa

"Dieser Büchner war ein toller Hund. Nach 23 oder 24 Jahren verzichtete er auf weitere Existenz und starb. Es scheint, die Sache war ihm zu dumm"

Alfred Döblin

Und worauf hätte er verzichtet? Da war zum einen sein Medizinstudium, das ihm ein Leben als Akademiker ermöglichte. Da waren seine politischen Freunde, mit denen er ein gemeinsames Ziel, das Ideal eines die Menschenrechte achtenden Staates verfolgte. Da war ferner seine Verlobte, die ihm die Geborgenheit einer Familie bieten konnte. Und nicht zuletzt wäre da die Literatur zu nennen, in der er sich in den wenigen Jahren seines dichterischen Schaffens als wahrer Meister erwies. All diese recht unterschiedlichen und voneinander weitgehend unabhängigen Parameter erfuhren ein jähes Ende, als Büchner am 19. Februar 1837 gegen vier Uhr nachmittags an einer fortgeschrittenen Typhusinfektion starb.

Büchners Heimat

Das Großherzogtum Hessen bestand von 1806 bis 1918, Landeshauptstadt war Darmstadt. Hessen war seit Jahrhunderten in eine Kassler und eine Darmstädter Hauptlinie getrennt. 1806 wurde Landgraf Ludwig X. als Ludwig I. Großherzog von Hessen und bei Rhein. Im Wiener Kongress von 1814/15 trat er das Herzogtum Westfalen an Preußen ab und erhielt im Gegenzug das Fürstentum Rhein-Hessen. Von 1815 bis 1866 gehörte das Großherzogtum dem Deutschen Bund an. Es war durch das Gebiet um Frankfurt am Main in zwei Teile getrennt. Das südliche Hauptgebiet wurde durch den Rhein in die Provinzen Starkenburg und Rheinhessen geteilt und grenzte nördlich an Preußen, östlich an Bayern und Baden, südlich an Baden, westlich an die Rheinpfalz und Rheinpreußen.

Das Geburtshaus von Georg Büchner in Riedstadt-Goddelau (Kreis Groß-Gerau) ist inzwischen ein Museum.

Der nördliche Hauptteil, die Provinz Oberhessen, wurde vollständig von Preußen umschlossen. Daneben gab es noch mehrere Exklaven des Hessischen Staatsgebiets. Das souveräne Großherzogtum Hessen war nach der Verfassungsurkunde vom 17. Dezember 1820 eine unteilbare konstitutionelle Monarchie. Der Landesherr, der den Titel "Großherzog von Hessen und bei Rhein" trug und das Prädikat "Königliche Hoheit" führte, genoss alle damit verbundenen Rechte, Ehren und Vorzüge. Er vereinigte in sich alle Rechte der Staatsgewalt, die er unter den in der Verfassung festgesetzten Bestimmungen auszuüben hatte. Er war das Oberhaupt des großherzoglichen Hauses wie auch der evangelischen Kirche des Landes und bezog einen jährlichen Betrag von ca. 560.000 Euro. Büchners oberster Landesherr war also seine Königliche Hoheit, der Großherzog von Hessen und bei Rhein, Ludwig II.

Politisches Engagement

Als Ludwig II. am 6. April 1830 seine Regentschaft antrat, forderte er die Übernahme seines immensen privaten Schuldenberges durch die Staatsschuldentilgungskasse. Dies brachte ihn sofort nach seinem Regierungsantritt in Konflikt mit seinen Ständen. An diesem Konflikt beteiligten sich viele aufgeklärte Geister, so auch der 17-jährige Georg Büchner und viele seiner Freunde. Als Büchner 1834 den "Hessischen Landboten" veröffentlichte, betrug das jährliche Steueraufkommen der 718.373 Einwohner Hessens 6.363.363 Gulden, das sind rund 5,6 Mio. Euro. Mehr als ein Zehntel davon beanspruchte der Landesherr als persönliche Apanage. Dagegen und gegen viele andere Verstöße gegen die Menschlichkeit richtete sich Büchners politisches Engagement. Dieses Bemühen war freilich nicht ungefährlich und brachte vielen seiner Mitstreiter Gefängnis, Folter und Tod.

Büchners Werke

1834 gab Büchner zusammen mit Friedrich Ludwig Weidig die Flugschrift "Der Hessische Landbote" heraus. Danach war es für ihn schwierig, weiterhin politisch aktiv zu werden, er musste aus Hessen-Darmstadt nach Strassburg und schließlich nach Zürich fliehen und widmete sich literarischen Werken, in denen seine Ansichten mehr oder weniger verhüllt enthalten sind: Dantons Tod (Drama), Lenz (Erzählung), Leonce und Lena (Lustspiel), alle 1835.

Dramenszene aus "Leonce und Lena"

Im gleichen Jahr übersetzte er die Dramen Lucretia Borgia und Maria Tudor von Victor Hugo als Auftragsarbeiten. 1837 folgte das Fragment gebliebene Drama Woyzeck. Ein Drama über Pietro Aretino ist verschollen. Möglicherweise hat es seine Verlobte Jaeglé aufgrund atheistischer Tendenzen verbrannt. Daneben sind noch Briefe und weitere Schriften erhalten. Dieses schmale Oeuvre genügte jedoch, um Büchner einen Platz in der ersten Reihe der deutschen Dichter zu sichern.

Der Georg-Büchner-Preis

Der wohl renommierteste Literaturpreis in Deutschland trägt den Namen Georg Büchners, dessen Andenken dadurch wach bleibt. Der Preis wurde ab 1923 "an bildende Künstler, an Dichter, an Künstler, an hervorragende ausübende Künstler, Schauspieler und Sänger" verliehen. In der Zeit der NS-Diktatur von 1933-1944 war die Verleihung des jährlichen Preises allerdings ausgesetzt. 1951 wurde der Georg-Büchner-Preis in einen reinen Literaturpreis umgewandelt. Der Preis wird verliehen vom Hessischen Kultusministerium, dem Magistrat der Stadt Darmstadt und der dort ansässigen Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Satzungsgemäß "können Schriftsteller und Dichter vorgeschlagen werden, die in deutscher Sprache schreiben, durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Maße hervortreten und die an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben." Der heute mit 40.000 Euro dotierte Georg-Büchner-Preis unterstützt damit Autoren, die den Geist seines Namensgebers in außergewöhnlicher Weise weiterleben lassen. Die Liste der Preisträger liest sich wie das "Who Is Who" der besten deutschen Gegenwartsautoren, stellvertretend seien die Namen der Preisträger des 21. Jahrhunderts hier aufgezählt: Friederike Mayröcker, Wolfgang Hilbig, Alexander Kluge, Wilhelm Genazino, Brigitte Kronauer und Oskar Pastior (2006).


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