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Die Judenbuche Das Thema

Stand: 08.04.2014 | Archiv

Büste von Annette von Droste Hülshoff | Bild: picture-alliance/dpa

Als Annette von Droste-Hülshoff in den späten dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts an ihrer Novelle "Die Judenbuche" arbeitete, schrieb sie in Briefen an ihre Freunde immer nur von der "Kriminalgeschichte Friedrich Mergel"; denn den Begebenheiten, die sie beschrieb, lag ein tatsächlicher Kriminalfall aus dem Gutsbezirk ihres Großvaters zugrunde: Da hatte ein Knecht einen Juden erschlagen, war geflohen, in algerische Gefangenschaft geraten und Jahrzehnte später in sein Dorf zurückgekehrt, wo er sich an der gleichen Stelle erhängte, an der er früher den Mord begangen hatte.

Spurensuche im Milieu des Täters

Annette von Droste-Hülshoff beschreibt die Vorgeschichte der Tat, vor allem die Vorgeschichte des Täters, die Einflüsse, denen er ausgesetzt war, die Menschen, die Landschaft, die Ordnung der Gesellschaft und das Rechtsempfinden der Leute. Sie erzählt die Geschichte des Judenmörders Friedrich Mergel mit dem genauen Blick auf die realen Bedingungen, in beinahe schon naturalistischen Beschreibungen des Milieus, in dem sich das scheinbar unausweichliche Schicksal eines Menschen vollzieht.

Wer unter euch ohne Schuld ist ...

Die Verflechtungen von Verbrechen, Schuld und Vergeltung sind in dieser Novelle sehr deutlich. Der Mörder straft sich selbst, zuvor schon tausendmal vom Leben bestraft, am Ort seines Verbrechens. Dennoch ist er nicht allein schuldig. Er konnte nur in einer Welt schuldig werden, deren Rechtsgefühl den Mord an einem Juden zwar nicht unbedingt erlaubt, aber immerhin verständlich und entschuldbar findet.

"Wer unter euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein", so steht es in der Bibel, und so steht es auch in Versform über der Novelle, wie ein Vorsatz auch für die Erzählerin; denn Annette von Droste-Hülshoff berichtet, ohne den Mörder zu verurteilen.


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