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Samuel Fischer Das Thema

Stand: 29.10.2013 | Archiv

Karikatur | Bild: picture-alliance/dpa

Den "Cotta des Naturalismus" hat man den Verleger Samuel Fischer zu seiner Zeit genannt. Ein Ehrentitel und ein Verlagsprogramm zugleich, denn in der Tat kamen vor der Jahrhundertwende die bedeutendsten Autoren des Naturalismus bei Fischer heraus. Allen voran die "Flaggschiffe" Gerhart Hauptmann und - in mustergültiger Übersetzung - Henrik Ibsen. Theaterliteratur also, das war mutig, denn für Verleger war am Theater nicht viel zu verdienen; deswegen vermieden Fischers Konkurrenten ziemlich konsequent die Herausgabe von Bühnenwerken.

Am Anfang war das Theater

Aber da zeigte sich schon die gute Nase Samuel Fischers, der seinen Verlag 1886 in Berlin aus der Taufe hob: ein großer Teil der literarisch-ästhetischen Auseinandersetzungen der kommenden Jahre spielte sich im Theater ab. So war das erste Werk, das mit dem Impressum "S. Fischer, Verlag" erschien, Ibsens "Rosmersholm".

Der große Wurf und der große Eklat, auf der Bühne wie in der Presse, folgte mit dem Erstling von Gerhart Hauptmann "Vor Sonnenaufgang". Trotzdem besorgte sich Fischer die Rechte auch für die folgenden Hauptmann-Stücke "Friedensfest", "Einsame Menschen" und die Novelle "Bahnwärter Thiel". Im Theater spielte die preußische Zensur - sie galt als besonders stur - eine tragende Rolle. Hauptmanns Stücke durften zunächst nur an der "Freien Bühne" gespielt werden, einem quasi Vereinstheater, dessen Aufführungen nur für Mitglieder offen standen und deswegen als nicht öffentlich galten.

S. Fischers besonderes Anliegen: Gesamtausgaben

Seit 1892 hat Fischer die Rechte an allen Hauptmann-Werken und kann sich alsbald seinem verlegerischen Hobby widmen: Gesamtausgaben. Davon werden später auch die Fischer-Autoren Hugo von Hofmannsthal, Hermann Hesse und Thomas Mann profitieren. Fischer will nicht nur einzelne Werke vorstellen, er will sie als Unternehmer auch in der Gesellschaft etablieren. In einem Aufsatz schreibt er:

"Der unmessbare Wert des Buches weist ihm als gewerblichem Produkt auf dem Markt eine andere Stellung zu als jeder Ware, die einen materiell bestimmbaren Wert in sich trägt. Der Buchhandel musste sich einen besonderen Markt schaffen, einen Markt für geistige Werte, der kulturbildende Kraft hat."

Samuel Fischer

Gottfried Bermann-Fischer (1897 - 1995), Samuel Fischers Schwiegersohn und Nachfolger.

Den größten Irrtum leistet sich Fischer 1929, als er gegen den Rat seines Schwiegersohnes und designierten Nachfolgers Bermann-Fischer und des Cheflektors Oskar Loerke, Erich Maria Remarques Roman "Im Westen nichts Neues" ablehnt. Er wird im Propyläen Verlag zum meistverkauften Buch der Weimarer Republik: 1 Million Exemplare in einem Jahr, dazu 2 Millionen Auslandsauflage.

Viele Bücher von Fischer-Autoren landen 1933 auf dem Scheiterhaufen der Nazis: Alfred Döblin, Arthur Schnitzler, Thomas Mann. Fischer weigert sich auszuwandern, er stirbt in Berlin am 15. Oktober 1934. Am 28. Oktober veröffentlicht Thomas Mann, schon emigriert, einen Nachruf in den "Basler Nachrichten":

"Er war der Mann des Wachstums, der reifenden Lebenswerke, der schönen Gesamtausgaben. Er selbst begann als Revolutionär, als Unternehmer des Kommenden, sein Verlag diente der literarischen Lufterneuerung nach dem Epigonentum."

Thomas Mann


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