Geschichte des Eigentums Das Thema
"Zwei Dinge sind es vor allem, die die Fürsorge und Zuneigung der Menschen auf sich ziehen: das Eigentum und das, was man liebt."
Aristoteles
Die ältesten Hinweise auf persönliches Eigentum bilden Grabbeigaben aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit, Gebrauchsgüter wie Tonkrüge oder Geschirr, Schmuck und Waffen. Dinge, von denen Historiker annehmen, dass sie zum Besitz der Toten gehörten oder diesen geschenkt wurden. Erste Hinweise auf Eigentums- oder Besitzverhältnisse in der Vergangenheit gibt es erst seit Einführung der Schrift im 4. Jahrtausend vor Christus. Das Verständnis von Privateigentum, wie es sich in unserer westlichen Welt seit der Antike über das Mittelalter (Ständegesellschaft) und die Herausbildung des Bürgertums im 18. Jahrhundert entwickelt hat, ist nicht überall verbreitet. So ist beispielsweise von manchen indigenen Völkern bekannt, dass ihnen die Vorstellung absurd erschien, dass einzelne Menschen Land oder Seen besitzen könnten. Heute gibt es weltweit keinen Flecken mehr, von dem nicht geklärt wäre, wessen Eigentum er ist. Mittlerweile werden sogar Grundstücke auf dem Mond gehandelt, mit fraglicher juristischer Relevanz.
Auch Menschen selbst konnten jahrtausendelang als Sklaven Eigentum eines anderen Menschen sein, der über deren Schicksal frei verfügte. In den USA wurde die Sklaverei 1865 offiziell verboten. In der Schweiz konnten Bauern sogar bis 1950 sogenannte "Verdingkinder" - zumeist Waisen - auf regelrechten Kindermärkten erwerben und ohne Entlohnung in ihre Dienste nehmen.
Die Begriffe "Eigentum" und "Besitz" werden umgangssprachlich oft gleichgesetzt, sind aber juristisch zu unterscheiden. Eine Mietwohnung beispielsweise befindet sich vorübergehend im Besitz des Mieters, aber sie bleibt Eigentum des Vermieters. Eigentum kann also zeitweise in den Besitz von anderen übergehen. "Eigentum" bedeutet heute das umfassende und absolute Besitz-, Verfügungs- und Nutzungsrecht über eine Sache (Grund und Boden oder Habe), im Rahmen der gesetzlichen Schranken. Im Art. 14 II des Grundgesetzes ist festgeschrieben: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen."
Kirchliche Lehre
"Gott hat uns nicht nur das Recht auf das fremde, sondern sogar auf das eigene Leben genommen."
Thomas Morus
In der christlichen Lehre herrscht grundsätzlich die Auffassung von der Gemeinbestimmung der Erdengüter für alle Menschen. Gott hat demnach die Erde mit allem, was sie enthält, allen Menschen anvertraut. Thomas von Aquin (1225-1274) unterschied erstmals den Gebrauch von Gütern, der allen möglich sein muss ("usus communis") vom Verfügungsrecht über Güter, das Einzelnen zusteht ("ius procurandi et dispensandi"). Ein hinreichendes Privateigentum wird als notwendig für die Freiheit des Einzelnen, die Existenz und das Überleben der Familie und der Gesellschaft angesehen. Aber allzu große Unterschiede bei der Verteilung der Güter führen zu sozialer Ungerechtigkeit. Vor allem auch das Eigentum, von dessen Existenz andere Menschen abhängig sind (z.B. Produktionsmittel), verpflichtet daher zu sozialem Verhalten gegenüber Benachteiligten und Schwachen. Besonders in den Sozial-Enzykliken "Rerum novarum" (Papst Leo XIII., 1891) und "Quadragesimo anno" (Papst Pius Xi., 1931) sind die heute anerkannten Positionen formuliert. Der Schweizer Reformator Johannes Calvin (1509-1564) sah in Besitz und Eigentum die Bestätigung himmlischer Erwählung, allerdings muss der Mensch sich diese Gunst verdienen (kalvinistisches Arbeitsethos). Innerhalb der evangelischen und der katholischen Kirche gibt es heute unterschiedliche Auffassungen darüber, wie eine soziale Gerechtigkeit zu gestalten ist – besonders zwischen den Kirchenvertretern der hochindustrialisierten, reichen Staaten und in Entwicklungsländern (s. "Befreiungstheologie" u.a.).
Sozialgeschichte
"Der sittliche Mensch liebt seine Seele, der gewöhnliche sein Eigentum."
Konfuzius
Was und wieviel ein Einzelner innerhalb einer Gesellschaft zu seinem Eigentum machen kann und darf, hängt von der jeweiligen Gesellschaftsform ab, in der er lebt. Die vereinzelt noch existierenden Jäger- und Sammlergemeinschaften markieren zum Beispiel ein Jagdrevier, das innerhalb seiner Grenzen von allen gleichermaßen genutzt werden darf, aber von niemandem außerhalb dieser Gesellschaft. Privaten Grundbesitz gibt es nicht, wohl aber individuelles Eigentum an Waffen oder Beute.
In arbeitsteiligen Gesellschaften, wie sie in Europa seit dem Mittelalter bestehen, beruht die Versorgung auf der Herstellung und dem Austausch von Waren. Diese Wirtschaftsform ist nur möglich, wenn die Waren einzelnen Individuen zugeordnet sind und diese darüber frei verfügen können. In allen Gesellschaften gibt es Grenzen für den Umfang und die Verfügungsmacht über privates Eigentum; so kann das Eigentum von Einzelnen von dazu befugten Vertretern der Gesellschaft oder des Staates zwangsenteignet - oder die weitere Akkumulation von Eigentum gesetzlich verhindert werden.
Sozialphilosophie
"Die Arbeit seines Körpers und das Werk seiner Hände, so können wir sagen, sind im eigentlichen Sinne sein. Was immer er also jenem Zustand entrückt, den die Natur vorgesehen und in dem sie es belassen hat, hat er mit seiner Arbeit gemischt und hat ihm etwas hinzugefügt, was sein eigen ist - folglich zu seinem Eigentum gemacht."
John Locke
"Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen 'Dies gehört mir' und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: 'Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört'."
Jean-Jacques Rousseau
"Ein Mensch, der kein Eigentum erwerben darf, kann auch kein Interesse haben, als so viel wie möglich zu essen und so wenig als möglich zu arbeiten."
Adam Smith
"Was den Kommunismus auszeichnet, ist die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums. Aber das moderne bürgerliche Privateigentum ist der letzte und vollendetste Ausdruck der Erzeugung und Aneignung der Produkte, die auf Klassengegensätzen, auf der Ausbeutung der einen durch den anderen beruht. In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck 'Aufhebung des Privateigentums' zusammenfassen."
Karl Marx, Friedrich Engels
Erst in der Neuzeit, mit der Herausbildung des Bürgertums, stellt sich das gesellschaftliche Problem der Verteilungsgerechtigkeit von Eigentum, weil erst in dieser Zeit eine größere Bevölkerungsschicht in den Genuss von privatem Eigentum gelangte - und das private Eigentum auch einforderte.
Für Georg Hegel (1770-1831) bedeutet Privateigentum eine Bedingung für individuelle Freiheit. Der Mensch wird dadurch zum Subjekt der Natur, indem er sie als Eigentum beansprucht oder gestalten kann - und so zu seinem Objekt macht. Karl Marx und Friedrich Engels sehen dagegen im Privateigentum die Wurzel allen gesellschaftlichen Übels, aller Ungerechtigkeit und Ausbeutung. Dem gegenüber steht die Theorie des Kapitalismus, die im Privateigentum die Voraussetzung sieht für Wohlstand und wirtschaftlichen Fortschritt. Der Kommunismus als Staatsform, wie er sich auf der Grundlage der Theorien von Marx/Engels gebildet hat, ist mittlerweile als gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus gescheitert. Die Probleme einer gerechten Verteilung von Privateigentum und dessen Sozialbindung, von Chancengleichheit und Akkumulation von politischer Macht parallel zur wirtschaftlichen Macht sind aber auch in den kapitalistischen Gesellschaftsformen noch nicht gelöst.