In der Bundesrepublik erhielten homosexuelle Opfer der NS-Herrschaft nicht nur keine Entschädigung, wie viele andere Opfer, sondern sie wurden weiterhin kriminalisiert. Denn der Paragraf 175 wurde unverändert in das Strafgesetzbuch übernommen. In den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurden dreimal so viele Menschen angezeigt, verhaftet und eingesperrt wie im Faschismus. Man schätzt, dass zwischen 1949 und 1969 in etwa 50.000 Männer nach Paragraf 175 verurteilt wurden. Beschwerden gegen den Paragrafen wies das Bundesverfassungsgericht mit dem Hinweis zurück, dass es kein nationalsozialistisches Gedankengut sei.

Christopher Street Day

Erst die Protestbewegung der 1960er Jahre brachte eine nachhaltige Veränderung. Die Strafbarkeit von Homosexualität wurde immer mehr zum Politikum, die Betroffenen fingen an, sich zu wehren. Zum Symbol für diesen Widerstand wurde die Christopher Street im Stadtteil Greenwich Village in New York. Dort war es immer wieder zu Willkürmaßnahmen, Übergriffen und brutalen Razzien gekommen. So  auch in der Nacht vom 27. auf den 28. Juni 1969. Doch diesmal war alles anders: Rund um das Lokal Stonewall Inn fingen die Betroffenen an, sich gegen die Polizeiwillkür zu wehren. Es kam zu tagelangen Straßenschlachten. Seitdem gilt der Christopher Street Day als Beginn eines erfolgreichen Kampfes um die rechtliche und gesellschaftliche Gleichberechtigung von Homosexuellen.

Streichung des Paragrafen 175

1973 kam es in der Bundesrepublik zu einer umfassenden Reform des Sexualstrafrechts. Dies betraf auch den Paragrafen 175. Strafbar waren jetzt nur noch sexuelle Handlungen mit Minderjährigen, wobei das Schutzalter auf 18 Jahre festgesetzt wurde. Nach der Wiedervereinigung kam es 1994 zur ersatzlosen Streichung von Paragraf 175. Das absolute Schutzalter wurde allgemein auf 14 Jahre festgesetzt. Im Jahre 2002 wurden schließlich alle Urteile nach Paragraf 175 zwischen 1933 und 1945 aufgehoben.