Homosexualität Die wechselvolle Entwicklung im 19. Jahrhundert
Es sind die Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit der Französischen Revolution, die zuerst Frankreich und in Folge auch Europa veränderten. So strichen die Franzosen noch in der ersten Phase der Revolution die Strafbarkeit von homosexuellen Handlungen komplett aus dem Gesetzbuch (1791). Nach französischem Vorbild wurde auch in Preußen mit dem Inkrafttreten des "Allgemeinen Preußischen Landrechts" 1794 die Todesstrafe für Homosexuelle abgeschafft, und durch Zuchthaus, Prügelstrafe oder Verbannung ersetzt. Als erster deutscher Staat schaffte Bayern unter dem Einfluss Frankreichs die Bestrafung sexueller Handlungen zwischen Männer gänzlich ab (1813).
Paragraf 175
Im Laufe des 19. Jahrhunderts verschärfte sich die Situation in Deutschland wieder. Eine der wenigen Personen, die mutig genug war, ihre Stimme zu erheben, gehörte dem Juristen Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895). Er forderte 1867 erstmals öffentlich eine Entkriminalisierung gleichgeschlechtlicher Handlungen. Aber statt der erhofften Liberalsierung erlebte Ulrichs eine zunehmende staatliche Repression gegen Homosexuelle. 1871 kam es unter preußischer Führung zur Gründung des Deutschen Kaiserreichs. Das Strafgesetzbuch von 1871 sah unter Paragraf 175 für "widernatürliche Unzucht" zwischen Männern eine Gefängnisstrafe und den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte vor. Damit wurde Homosexualität wieder in ganz Deutschland strafbar.
Der Fall Oscar Wilde
Berühmtes Opfer eines Prozesses wegen homosexueller "Unzucht" im 19. Jahrhundert wurde der bekannte irische Schriftsteller Oscar Wilde (1854-1900). Der verheiratete Vater zweier Kinder hatte eine Affäre mit dem Sohn eines englischen Adeligen. Dieser verleumdete Wilde und als der Schriftsteller sich gerichtlich wehrte, drehte sich der Prozess gegen ihn selbst. Wegen dem Umgang mit männlichen Prostituierten wurde Wilde 1895 zu zwei Jahren Zuchthaus mit schwerer Zwangsarbeit verurteilt.