Glossar Von Flowerpower zur "wehrhaften Demokratie"
Begriff | Erklärung |
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Ära | Zeitrechnung oder Zeitspanne, die durch bestimmte, miteinander in Beziehung stehende Ereignisse charakterisiert ist. |
APO (Außerparlamentarische Opposition) | Oppositionsbewegung linksgerichteter Gruppierungen, entstanden 1966 nach der Bildung der Großen Koalition aus Protest gegen die Notstandsgesetze, die Hochschulreform und die Tendenzen zur Pressekonzentration. Die vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) maßgeblich bestimmte Bewegung fühlte sich von den Parteien nicht vertreten und sah sich als Opposition außerhalb des Parlaments. |
Bruttoinlandsprodukt | Der Wert aller Waren und Dienstleitungen, die pro Jahr von den Bewohnern einer Volkswirtschaft produziert werden |
Dekade | Zeitraum von zehn Jahren |
Deutscher Herbst | Höhepunkt des RAF-Terrors im Herbst 1977: in einer Zeitspanne von zwölf Wochen wurden der Bankier Jürgen Ponto ermordet, Hanns Martin Schleyer entführt und erschossen und die Lufthansa-Maschine "Landshut" gekidnappt. Mehrere RAF-Terroristen begingen Selbstmord. |
Dilettantismus | Stümperei |
Drittes Reich | Nach dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und dem 1871 gegründeten Kaiserreich in der Ideologie der Nationalsozialisten das dritte deutsche Reich, das im März 1933 beginnt und im Mai 1945 endet. |
emphatisch | mit Nachdruck |
Entspannungspolitik | Die Abkehr vom Konfrontationskurs zwischen den westlichen Industrieländern und den Staaten des Ostblocks. Seit etwa 1970 gewannen gegen den Kalten Krieg zunehmend Ideen wie die friedliche Koexistenz, die Rüstungskontrolle und Abrüstung, die Truppenreduzierungen und der verbesserte Ost-West-Handel an Gewicht. |
Große Koalition | Das Regierungsbündnis der beiden großen Volksparteien SPD und CDU/CSU. Nach dem Bruch der christlich-liberalen Koalition im Herbst 1967 beteiligte sich die SPD an der Regierung. Neuer Bundeskanzler wurde Kurt Georg Kiesinger. Die Große Koalition endete mit der Legislaturperiode 1969. |
Hungerstreik | Fasten zur Durchsetzung bestimmter Ziele – im Falle der RAF ging es um die Haftbedingungen |
Illegalität | Leben im Widerspruch zum Gesetz |
Isolationshaft | Einzelhaft |
Kuba-Krise | Die Weltmächte USA und Sowjetunion schaukeln sich nach einer Reihe von Provokationen bis knapp an eine Nuklearkatastrophe hoch: als Reaktion auf die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba ordnet Präsident Kennedy eine Seeblockade der Insel an. Gegen die Versicherung der USA, Kuba nicht anzugreifen, zieht der sowjetische Präsident Chrutschtschow seine Raketen von der Insel ab. |
Terrorismus | Politischer Extremismus, der sich vor allem durch Gewalt gegen Repräsentanten des "Systems" richtet. |
Milieu | das soziale Umfeld |
ÖTV | Die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr vertrat zuletzt die Interessen von 1,5 Millionen Mitgliedern. Gegründet 1949 ging die zweitgrößte Einzelgewerkschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes 2001 in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) auf. |
Radikalenerlass | Auch "Extremistenbeschluss": Auf Initiative von Bundeskanzler Willy Brandt und den Regierungschefs der Bundesländer 1972 in Kraft gesetzte Überprüfung von Bewerbern für den öffentlichen Dienst. Es ging darum, die Treue zur Verfassung festzustellen und Mitglieder extremistischer Vereinigungen auszuschließen. |
Radikalisierung | Die Entwicklung und Ausrichtung einer Gruppe in eine extreme Richtung. Weltanschaulich bricht der Radikalismus "von der Wurzel her", so die wörtliche Übersetzung, mit dem Hergebrachten. |
RAF (Rote Armee Fraktion) | Linksextremistische terroristische Vereinigung, die in den 1970er und 80er Jahren in Deutschland mehrere Anschläge auf Personen und Einrichtungen verübte. |
Resonanz | Anklang, Rückhalt |
Rhetorik | Beredsamkeit, sprachlicher Ausdruck, die auf eine bestimmte Wirkung zielende Kommunikation. |
SDS (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) | Der bereits 1946 gegründete politische Studentenbund stand zunächst der SPD nahe, trennte sich wegen ideologischer Differenzen aber 1961 von der Partei und wurde ein Sammelbecken linksgerichteter Gruppen und Personen. Als wesentlicher Impulsgeber der Studentenbewegung, wirkte der SDS entscheidend bei der Außerparlamentarischen Opposition mit. Nach 1968 verzettelt sich der Studentenbund in Flügelkämpfen und löst sich 1970 auf. |
Signum | (Kenn-)zeichen |
Terrorismus | Eine Form des politischen Extremismus, bei der durch die systematische Anwendung von Gewalt die eigenen Ziele durchgesetzt und Angst und Schrecken verbreitet werden sollen. |
Vietnamkrieg | Konflikt um das in einen kommunistischen Norden und den pro-westlichen Süden geteilte Vietnam, in den die USA ab 1965 eingreifen. Trotz militärischer Überlegenheit gelingt es den USA nicht, die Auseinandersetzung in ihrem Sinne zu entscheiden. 1973 verlassen die letzten US-Truppen das Land, 1975 endet der Krieg mit der Einnahme Saigons durch nordvietnamesische Truppen. Der Krieg kostet ca. vier Millionen Zivilisten und mehr als eine Millionen Soldaten das Leben. |
Vollbeschäftigung | Die Vollbeschäftigung ist erreicht, wenn alle, die einer Arbeit nachgehen wollen, eine entsprechende Stelle finden. 1968 betrug die Arbeitslosenquote 0,8 Prozent. |
Personen
Baader, Andreas (1943-1977)
Im April 1968 verübt Baader zusammen mit Gudrun Ensslin Brandanschläge auf zwei Frankfurter Kaufhäuser und wird daraufhin festgenommen. Zwei Jahre später befreien Ensslin und Ulrike Meinhof Baader aus dem Gefängnis – das Ereignis gilt als die Geburtsstunde der Baader-Meinhof-Gruppe. Im Mai 1972 führte das "Kommando der Roten Armee Fraktion" mehrere Bombenanschläge durch. Andreas Baader wird nach einer Schießerei mit der Polizei verhaftet und 1977 in Stuttgart-Stammheim zu lebenslanger Haft verurteilt. Am 18. Oktober 77 begeht Baader in seiner Zelle Selbstmord.
Brandt, Willy (1913-1992)
Eigentlich Herbert Frahm, geboren in Lübeck und schon früh in sozialistischen Bewegungen engagiert. Unter dem Namen Willy Brandt emigrierte er 1933 nach Norwegen und arbeitete ab 1940 als Journalist in Stockholm. Nach dem Krieg kehrt Brandt nach Berlin zurück und wird 1949 als Abgeordneter in den Bundestag gewählt. Von 1957 bis 1966 ist Brandt Regierender Bürgermeister in Berlin und wechselt dann als Vizekanzler und Außenminister in die Große Koalition unter Kanzler Kiesinger. Nach zwei vergeblichen Kandidaturen in den frühen 60er Jahren wird Brandt 1969 zum Bundeskanzler gewählt und 1972 im Amt bestätigt. 1971 wird Brandt mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet, drei Jahre später muss er als Bundeskanzler wegen der Guillaume-Affäre zurücktreten.
Name | Werdegang |
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Buback, Siegfried (1920-1977) | Nach einem Jura-Studium und Kriegsgefangenschaft zunächst Assessor, seit 1953 Staatsanwalt. Zehn Jahre später Wechsel als Oberstaatsanwalt zur Bundesanwaltschaft. Seit 1971 beschäftigte sich Buback als Bundesanwalt vorwiegend mit Landesverrat und ermittelte u.a. in der Guillaume-Affäre. Im Mai 1974 stieg Buback zum Generalbundesanwalt auf und war in dieser Funktion für die Verfolgung der RAF-Terroristen zuständig. Am 7. April 1977 wurde Buback vom RAF-"Kommando Ulrike Meinhof" erschossen. |
Ensslin, Gudrun (1940-1977) | Die Tochter eines evangelischen Pfarrers studiert an der Freien Universität Berlin und gründet mit dem Vater ihres Sohnes Felix, Bernward Vesper, einen kleinen Verlag. Ende der 60er Jahre engagiert sich Ensslin in der APO und verübt gemeinsam mit Andreas Baader, Thorwald Proll und Horst Söhnlein Brandstiftung in zwei Frankfurter Kaufhäusern. Während der Revision des Urteils geht sie in den Untergrund und hilft bei der Befreiung Baaders aus der Haft. Vor ihrer Verhaftung im Juni 1972 war Ensslin an mehreren Banküberfällen und Sprengstoffanschlägen beteiligt. Verurteilt zu lebenslanger Haft, erhängt sich Ensslin am 18.10.1977 in ihrer Zelle. |
Maihofer, Werner (*1920) | FDP-Politiker, Rechtswissenschaftler und Rechtsphilosoph, von 1972-74 Bundesminister für besondere Aufgaben und von 1974-78 in der sozialliberalen Koalition unter Helmut Schmidt Bundesinnenminister. |
Kiesinger, Kurt Georg (1904-1988)
Mann, Golo (1909-1994)
Meinhof, Ulrike (1934-1976)
In ihrer Studentenzeit Mitglied des SDS, heiratet Ulrike Meinhof 1961 den Chefredakteur der Zeitschrift "konkret" Klaus Reiner Röhl und arbeitet als politische Journalistin. Nach der Trennung zieht Meinhof nach Berlin und schließt sich der APO an. Bewegt vom Tod Benno Ohnesorgs und dem Anschlag auf Rudi Dutschke erscheint ihr Gewalt als Mittel einer politischen Aktion. Sie lernt im Zuge der Recherche zum Frankfurter Kaufhausbrand 1986 Andreas Baader und Gudrun Ensslin kennen und hilft bei Baaders Befreiung. 1972 war Meinhof an Sprengstoffanschlägen und dem Tod von vier Menschen beteiligt. Verhaftet 1972, verbringt Meinhof acht Monate in dem von ihr so genannten "Toten Trakt" in der JVA Köln. Sie wird zu acht Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und erhängt sich im Mai 9176 in ihrer Zelle.
Name | Werdegang |
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Meins, Holger (1941-1974) | Dokumentarfilmer und Mitglied der Kommune 1, der sich 1970 der RAF anschloss und vermutlich an Anschlägen auf US-Einrichtungen in Frankfurt und Heidelberg beteiligt war. Nach seiner Verhaftung im Juni 1972 trat Meins mehrere Male in den Hungerstreik, um gegen die Haftbedingungen zu protestieren. Er starb am 9.11.74 an Auszehrung, zu seiner Beerdigung kamen mehr als 5000 Menschen. |
Ponto, Jürgen (1923-1977) | Seit 1950 zunächst als Hausjurist, später als Syndikus und ab 1969 als Vorstandssprecher war Jürgen Ponto fast sein ganzes Berufsleben lang der Dresdner Bank verbunden. Arglos ließ er die ihm bekannte Susanne Albrecht und ihre Begleiter Christian Klar und Brigitte Mohnhaupt am 30. Juli 77 in sein Haus und wurde mit mehreren Schüssen ermordet. |
Raspe, Jan-Carl (1944-1977) | Als RAF-Mitglied der ersten Stunde war der Diplom-Soziologe an fünf Sprengstoffanschlägen und einem Banküberfall beteiligt, bevor er am 1. Juni 72 mit Andreas Baader und Holger Meins verhaftet wurde. Raspe wird zu einer lebenslänglichen Strafe verurteilt und nimmt sich am 18.10.77 in der Zelle das Leben. |
Schleyer, Hanns Martin (1915-1977)
Schon früh vom Nationalsozialismus überzeugt, trat Schleyer 1931 der Hitlerjugend und zwei Jahre später der SS bei und übernahm als promovierter Jurist verschiedene Funktionen in NS-Studentenorganisationen. Nach dem Krieg interniert und im Entnazifizierungsverfahren als "Mitläufer" eingestuft, machte Schleyer bei Daimler-Benz Karriere und widmete sich in den 1960er Jahren hauptsächlich der Verbandsarbeit. Im Dezember 1973 wird Schleyer zum Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände gewählt. Als "Karikatur des hässlichen Kapitalisten" (so die New York Times) seit der Studentenbewegung eine Zielscheibe für Spott und Aggression, wird Schleyer am 5.9.1977 in Köln entführt und fünf Wochen später ermordet.
Schmidt, Helmut (*1918)
Im Zweiten Weltkrieg an Ost- und Westfront eingesetzt, nimmt Schmidt nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft 1945 ein Studium der Volkswirtschaft auf. Er tritt in die SPD ein und wird Bundesvorsitzender des SDS. Von 1953 bis 62 sitzt Schmidt im Bundestag, dann wird er Innensenator in Hamburg. Zunächst als stellvertretender Vorsitzender, ab 1967 als Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion zieht Schmidt 1965 erneut in den Bundestag ein und wird 1969 unter Kanzler Brandt Verteidigungsminister und ab 1972 Finanzminister. Nach Brandts Rücktritt 1974 wird Schmidt Bundeskanzler und übt das Amt nach zwei knappen Wiederwahlen bis 1982 aus.