Bayerns König Ludwig I. Der komplizierte Charakter Ludwigs I.
Ludwig führt das Leben eines Monarchen, der sich als Stellvertreter der göttlichen Gewalt sieht und mit Politik im Sinne aufklärerischer Vernunft nichts anzufangen weiß.
Ludwig führt das Leben einer Privatperson, die zuweilen mit ihrem Jähzorn nicht hinterm Berg hält, die stottert, nuschelt und wegen anhaltender Schwerhörigkeit überlaut spricht.
Ludwig führt das Leben eines Kunstsammlers und Bauherrn, der die Umgestaltung Münchens zur strahlenden Kulturhauptstadt plant und realisiert.
Ludwig führt das Leben eines Mäzens, der ohne Standesdünkel mit Künstlern verkehrt.
Ludwig führt das Leben eines Dichters. Wie der Preußenherrscher Friedrich der Große ist er als Poet aktiv; er geht allerdings so weit, sein Innerstes lustvoll nach außen zu kehren.
Ludwig führt das Leben eines italien- und griechenlandverliebten Künstlers,der ein geradezu sinnliches Verhältnis zur Antike pflegt und dem es stets nach "dem Schönen" dürstet.
Ludwig führt das Leben eines vitalen Frauenhelden, der der sich - obwohl verheiratet - mit Schönheiten umgibt und sich von ihnen bewundern lässt. Während andere europäische Herrscher dem Mätressenwesen unter Ausschluss der Öffentlichkeit frönen, schreckt Ludwig nicht davor zurück, Liebesbeziehungen geradezu exhibitionistisch zu betreiben.
Der Historiker und frühere Leiter des Hauses der Bayerischen Geschichte, Hubert Glaser, diagnostiziert beim zweiten Bayernkönig eine "Zerklüftung des Wesens in disparate Persönlichkeitsbereiche". Solange Ludwig I. sein Handeln zu kontrollieren weiß, solange er die Trennlinien zwischen seinen verschiedenen Leben nicht überschreitet, bleibt er unangetastet. Doch als er im Zuge der Lola-Montez-Affäre den Überblick verliert, endet seine Herrschaft.