Bayern 2 - radioWissen


66

Europas demographische Katastrophe

Von: Dorit Kreissl / Sendung: Ulrike Rückert

Stand: 17.02.2015 | Archiv

Die Pest im Mittelalter: Europas größte demographische Katastrophe

GeschichteMS, RS, Gy

Mitte des 14. Jahrhundert rottete die Pest innerhalb kürzester Zeit ein Drittel der europäischen Bevölkerung aus. Niemand kannte die Ursache. Die Juden wurden zum Sündenbock gemacht, verfolgt, vertrieben und ermordet.

Wie die Pest nach Europa kam

Auf Schiffen gelangte der Schwarze Tod von China und Persien aus ans Schwarze Meer, auf die Krim: Hier belagerten 1346 Tataren die Hafenstadt Caffa, die eine wichtige Handelskolonie Genuas war. Als die Seuche unter den Soldaten ausbrach, banden sie die Leichen auf Wurfmaschinen und katapultierten sie in die Stadt, damit die Eingeschlossenen ebenfalls untergingen. Die wenigen Überlebenden flüchteten auf Schiffen in die italienische Heimat. Mit an Bord reiste die Pest. Von Italien aus verbreitete sich der Schwarze Tod über ganz Europa.

Die Wege der Ansteckung

Die Pest wird vom Bakterium "Yersinia pestis" hervorgerufen. Übertragen wird der Erreger über Ratten auf Flöhe und durch sie auf den Menschen.

Jeder ist sich selbst der Nächste

Die Kranken blieben oft sich selbst überlassen: Familienmitglieder weigerten sich ihre nächsten Verwandten zu pflegen, selbst Eltern ließen ihre Kinder allein zurück. Ärzte erschienen nicht am Krankenbett und Priester verweigerten die "Letzte Ölung" aus Angst vor Ansteckung. Viele Kranke verhungerten.  Die Leichen wurden bald nur noch in riesige Massengräber geworfen. Später wurden die Kranken in abgetrennte Bezirke gebracht, isoliert und scharf bewacht.  

Die Juden als Sündenböcke

Da niemand wusste, woher die Seuche kam, entstand das Gerücht, die Juden hätten die Welt vergiftet. Als Folge kam es zu regelrechten Massakern an den Juden.
Die Gift-Theorie war aber meist nur ein Vorwand, um an deren Vermögen und Besitz zu  gelangen.  Es waren weniger die Taten von panischen Massen als "kaltblütig geplanter Raubmord".

Die Pest verändert die Welt des Mittelalters

Es war letztlich die Pest, die das Mittelalter beendete und die Renaissance einläutete, sagen Historiker: Das Vertrauen in die göttliche Ordnung und in die Autorität der Kirche war gestört. Die Menschen schwankten zwischen tiefer Frömmigkeit - die Pest als Strafe Gottes - und zügellosem Lebens-genuss, gaben sich der Völlerei und Wollust hin als gäbe es kein Morgen mehr.

Von der Pandemie zur lokalen Bedrohung

100 Jahre nach Ausbruch der Pandemie hatte die Pest die Bevölkerung Europas halbiert. Danach brach die Pest nicht mehr flächendeckend aus sondern regional. Sie blieb für weitere 300 Jahre in Europa.


66