Eine Täuferin um 1500 Die Täufer kommen
Wichtige Ursprünge des Täufertums liegen in der Schweiz. Humanistisch gebildete Bürgersöhne, glühende Anhänger der Reformation, gehen auf Distanz zu Ulrich Zwingli (1484-1531), einem ihrer wichtigsten Wortführer, der dem Züricher Stadtrat nahesteht. Dass neben der katholischen Kirche nun eine neue Herrschaftskirche aufgebaut wird, sehen Zwinglis Kritiker um den Patrizier Conrad Grebel mit Besorgnis. Sie pochen auf den reformatorischen Ansatz "sola scriptura", lesen gemeinsam die Bibel und beschließen, auch ohne Zustimmung der Obrigkeit aktiv zu werden.
Wichtige Forderungen sind die Erwachsenentaufe sowie die Abschaffung der Messe und des kirchlichen Zehnten. Vor allem das Taufen von Kindern ist der Gruppe um Grebel ein Gräuel. Ein Kind, sagen die "Täufer", kann weder glauben noch Buße tun. Folglich soll ein Mensch erst nach einer bewussten, individuellen Entscheidung für den Glauben an Gott die Taufe empfangen. Zudem lehnen die Täufer das Waffenhandwerk und jede Gewalt ab, da diese mit der Nachfolge Jesu nicht vereinbar ist. Somit sind Konflikte mit Kirche und Obrigkeit vorprogrammiert.
Die Täuferbewegung weitet sich aus
Als im Januar 1525 die erste Erwachsenentaufe stattfindet, reagiert der Züricher Rat mit Härte. Täufer müssen damit rechnen, eingesperrt, ausgepeitscht und verbannt zu werden. Zudem droht die Todesstrafe. Felix Mantz, ein früherer Weggefährte Zwinglis, wird ertränkt; er gilt als erster Märtyrer der Täufer. Um den Häschern zu entgehen, weichen die Täufer in Nachbarstädte und -kantone sowie nach Oberdeutschland aus. Wanderprediger verbreiten die Täuferideen in Bayern, Württemberg, Franken, Hessen, Thüringen und Schlesien. Täufer ziehen entlang des Rheins bis in die Niederlande, auch in Österreichs Alpenregionen sind sie zu finden.
Parallel zum Züricher Täufertum entwickelt sich täuferisches Gedankengut im Umfeld des Reformators und Revolutionärs Thomas Müntzer sowie in Straßburg, wo Melchior Hofmann (1495-1543) Anhänger um sich schart.
Von Beginn an konzentriert sich die Täuferbewegung auf die Städte und deren nahes Umland. Teile des Bürgertums, die nach christlicher Orientierung suchen oder von der Reformation enttäuscht sind, zeigen Interesse. Vor allem Handwerker fühlen sich angesprochen. Anders als Bauern, wohlhabende Bürger oder Adelige, die an ein Stück Land oder an ihren Besitz gebunden sind, können Handwerker, die geringeren Besitz haben, auf Verfolgungsdruck flexibler reagieren und abwandern. Zugleich können Handwerker auf Wanderschaft als Missionare und Sendboten tätig werden.
Grundzüge des Täufertums
Die Täuferbewegung richtet sich gegen die alte und die neue Kirche gleichermaßen. Die Anpassung der Reformation an die Obrigkeit und ihre zunehmende Institutionalisierung betrachten viele Täufer als Verrat an der Bibel. Sie ignorieren Rechtsordnungen, verweigern Eid und Wehrdienst und lehnen öffentliche Ämter ab.
Eine zentrale Bedeutung hat die Erwachsenentaufe, die Kindstaufe wird als unchristlich betrachtet. Babys, so die Täufer, können nicht glauben, die Menschen müssen daher im reifen Alter getauft werden. Deshalb ist oftmals eine zweite Taufe nötig. Die Gegner der Täufer bringen daraufhin den Feindbegriff "Wiedertäufer" in Umlauf.
Auf Messe und Liturgie verzichten die Täufer. Sie bilden solidarische Laiengemeinschaften, lesen zusammen die Bibel und legen sie so aus, wie sie sie verstehen. Das Abendmahl wird mit Brot und Wein im Kreis der "Wiedergeborenen" als gemeinschaftliches Erinnerungsmahl gefeiert. Täufer verschreiben sich der Heiligung des ganzen Lebens, ein opferfreudiger Dienst am Mitmenschen gehört dazu.
Ideologisch breit gefächerte Täufergemeinden
Die Täufer sind eine Bewegung mit verbindenden Elementen wie der Erwachsenentaufe, aber es mangelt an einer in sich geschlossenen Glaubenslehre. Wie sich die einzelnen Täufergemeinden entwickeln, hängt oft von den jeweiligen Führern und Predigern ab, die Grenzen zwischen den Denkrichtungen sind fließend.
So gibt es Gruppen, die sich nach den Erfahrungen des blutigen Bauernkriegs in urchristlich-kommunistische Gütergemeinschaften zurückziehen. Die Masse der Täufer präsentiert sich friedliebend, bedrückende Verhältnisse wollen sie gewaltlos verändern. Einige Aktivisten des Bauernkriegs, vor allem aus Franken, Thüringen und Schwaben, wechseln zu den Täufern. Manche von ihnen tun sich schwer mit den pazifistischen Idealen der Glaubensgemeinschaft.
Zahlreiche Täufer deuten die Reformationswirren als Zeichen einer Endzeit und wollen sich in ihren Gemeinden auf das Weltende vorbereiten. Prediger orientieren sich an der Johannesapokalypse und berechnen die noch verbleibende Zeit bis zum Jüngsten Tag. Alle Gottlosen, so ihre Warnung, werden die gerechte Strafe erhalten. Nur die Bekenntnistaufe bietet den nötigen Schutz.
Radikale Täufer gründen 1534 einen wehrhaften Gottesstaat in Münster, schaffen Stand und Besitz ab und führen die Vielehe ein. Als selbsternannter König vereint der Schneider Jan van Leiden die weltliche und geistliche Gewalt in seiner Person. Regimekritiker werden verfolgt. Monatelang hält sich das "Täuferreich" gegen die Truppen des Bischofs, die Münster belagern. Im Juni 1535 besiegen Landsknechte die von Hunger entkräfteten Täufer. Im Januar 1536 werden Jan van Leiden und zwei weitere Anführer auf dem Marktplatz eine Stunde lang mit glühenden Eisenzangen gefoltert und hingerichtet. Ein Begräbnis erhalten sie nicht. Die Leichen verwesen in drei Eisenkäfigen, die am Turm der Sankt-Lamberti-Kirche angebracht werden. Noch heute künden die mannshohen Körbe vom Triumph des Bischofs.