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Verteidigungsbündnis des Ostens

Von: Volker Eklkofer / Rainer Volk

Stand: 11.05.2015 | Archiv

Der Warschauer Pakt: Verteidigungsbündnis des Ostens

GeschichteMS, RS, Gy

Der Warschauer Pakt, gedacht als Parallelallianz zur NATO, ist eine Zwangsgemeinschaft kommunistischer Staaten unter sowjetischem Befehl. Vom Westen während des Kalten Krieges gefürchtet, tritt er 1991 leise von der Weltbühne ab.

Kalter Krieg - die Blöcke formieren sich

In den späten 1940er Jahren reicht der Einflussbereich der UdSSR bis zur Elbe. In den Staaten Ost- und Südosteuropas regieren Kommunisten, die sowjetische Besatzungszone Deutschlands ist fest in Händen der Moskau-treuen SED. 1948/49 blockieren die Russen Berlin; die USA, Großbritannien und Frankreich versorgen die Stadt elf Monate lang über eine Luftbrücke. Im Westen wächst die Angst vor einer ideologisch motivierten Expansion des einstigen Kriegsverbündeten. Schließlich gründen zehn Staaten in Europa und Nordamerika im Frühjahr 1949 die Nordatlantische Allianz (NATO, North Atlantic Treaty Organization). Erklärtes Ziel des von den USA geführten Bündnisses ist die Verteidigung von Freiheit, Recht und Demokratie gegen jeden potentiellen Aggressor - tatsächlich gemeint ist die UdSSR.

Bald nach der Bildung des westdeutschen Teilstaates warnt die Regierung Adenauer vor sowjetischen Hegemonialabsichten, fordert Sicherheitsgarantien und signalisiert - mit Blick auf die Wiedererlangung der Souveränität - Bereitschaft zur politischen, wirtschaftlichen und militärischen Integration der Bundesrepublik in die in die westliche Welt. Nach heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen, in denen Kanzler Adenauer seine ganze Autorität in die Waagschale wirft, stimmen Parlament und Öffentlichkeit einer Bewaffnung der Bundesrepublik mehrheitlich zu. Westdeutschland wird am 9. Mai 1955 Mitglied der NATO.

Entstehung und Struktur des Warschauer Paktes

Die Führung der Sowjetunion reagiert auf den NATO-Beitritt der Bundesrepublik mit dem Abschluss eines Bündnisses von acht kommunistischen Staaten. Die UdSSR, Bulgarien, Ungarn, Polen, Rumänien, Albanien, die Tschechoslowakei und die DDR unterzeichnen am 14. Mai 1955 in Warschau den "Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand". Das Vertragswerk wird als Defensivpakt zur Verteidigung sozialistischer Errungenschaften begründet. Der Warschauer Pakt ist zunächst als vorrangig politisches Instrument vorgesehen: Er soll Moskauer Initiativen durch eine multilaterale Optik den nötigen Nachdruck verleihen.

Der Warschauer Vertrag verpflichtet die Teilnehmerstaaten zu gegenseitigem militärischem Beistand bei einem bewaffneten Angriff und sieht regelmäßige Konsultationen zu Fragen der internationalen Politik vor. In der Folgezeit koppelt die Sowjetunion das Vertragswerk mit bilateralen Abkommen, die vor allem Truppenstationierungen in den "Bruderländern" regeln. Damit ist die sowjetische Militärpräsenz in Ost- und Südosteuropa gesichert. Der Warschauer Pakt ist ganz auf die machtpolitischen und geostrategischen Bedürfnisse der Sowjetunion zugeschnitten. Die Mitgliedstaaten bilden eine zusammenhängende Landmasse mit den nach Westen vorgeschobenen "Speerspitzen" DDR und CSSR. Polen ist vor allem als Hinterland und Aufmarschgebiet von Bedeutung.

Das höchste zivile Gremium ist der jährlich tagende "Politische Beratende Ausschuss", dem die Partei- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten angehören. Militärisches Führungsorgan ist das "Vereinte Oberkommando der Streitkräfte" in Moskau, das fachliche Weisungen vom sowjetischen Verteidigungsministerium erhält und dessen Befehlshaber stets ein sowjetischer General ist. Dem Oberkommando unterstehen in Kriegszeiten alle Land-, Luft- und Seestreitkräfte der Mitgliedstaaten, in Friedenszeiten nur partiell. Ständig unterstellt sind ihm die in den "Bruderländern" stationierten Sowjettruppen.

Zwischen Krise und sowjetischer Dominanz - Die Entwicklung des Warschauer Pakts

In den 1950er Jahren dreht sich die Rüstungsspirale immer schneller. Die Sowjetunion erhöht die Zahl ihrer Kernwaffen, baut Wasserstoffbomben und Interkontinentalraketen. West wie Ost können nun nach einem gegnerischen Angriff zum vernichtenden Zweitschlag ausholen. Immerhin schützt das "Gleichgewicht des Schreckens" Sowjets und Amerikaner vor militärischen Abenteuern. Beide Seiten bejahen gewisse Spielregeln und akzeptieren die Einflussbereiche der Kontrahenten im Rahmen der Ost-West-Spaltung. So halten sich die USA zurück, als die sowjetische Armee im Herbst 1956 den Volkaufstand in Ungarn grausam niederschlägt. Auch der Einmarsch von Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 in die "befreundete" Tschechoslowakei wird hingenommen. Der Westen sieht zu, wie UdSSR die sogenannte Breschnew-Doktrin verkündet und die Liberalisierungsbemühungen der Reformkommunisten um Alexander Dubcek ein Ende finden.

Der Warschauer Pakt bleibt bis in die frühen 1960er Jahre ein politisches Instrument der Sowjetunion und dient als Bindemittel der Ostblockstaaten. Erst als US-Präsident John F. Kennedy während der Berlinkrise 1961 unmissverständlich mit dem Einsatz von Kernwaffen droht, falls am Status der Vier-Mächte-Stadt Berlin gerüttelt wird, sieht die russische Führung eine mögliche Kriegsgefahr. Der Warschauer Pakt wird nun in einen funktionsfähigen Militärpakt umgestaltet.

Während der Kuba-Krise 1962, als die Welt an den Rand eines Atomkrieges gerät, werden die Truppen des Warschauer Pakts in Alarmbereitschaft versetzt. Der Versuch des Kreml-Chefs Nikita Chruschtschow, durch die Aufstellung von sowjetischen Atomraketen die USA unmittelbar vor ihrer eigenen Haustür zu bedrohen, schlägt jedoch fehl. Chruschtschow scheitert an der harten Haltung des US-Präsidenten Kennedy, gibt schließlich nach und erleidet einen schweren Prestigeverlust. In der Folgezeit entwerfen sowjetische Militärs verschiedene Kriegsszenarien für den Warschauer Pakt, darunter auch Offensivstrategien (Überraschungsangriff, Durchmarsch bis zum Rhein) inklusive Atombombeneinsatz.

Im Warschauer Pakt brodelt es

Im Westen wird der Warschauer Pakt während des Kalten Krieges zumeist als straff von der Sowjetunion gelenktes Bündnis betrachtet. Tatsächlich gibt es - wie in der NATO - Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Führungsmacht. So fordern Rumänien, Ungarn und die Tschechoslowakei Mitte der 1960er Jahr mehr Mitsprache in der Befehlsstruktur. Rumänien schlägt unter Staatspräsident Nicolae Ceausescu 1966 einen "nationalen Kurs" ein. Sowjetische Militärstützpunkte in seinem Land lehnt Ceausescu ab und beteiligt sich 1968 nicht am Einmarsch des Warschauer Paktes in der Tschechoslowakei. Albanien verlässt aus Protest gegen die Invasion sogar das Bündnis. Vor Sanktionen bleiben diese Staaten verschont, solange sie nicht ins westliche Lager überwechseln.

Nach einer Phase der Entspannung befinden sich die Großmächte USA und UdSSR zu Beginn der 1980er Jahre erneut auf Konfrontationskurs. Das anhaltende Wettrüsten bringt die UdSSR mit ihrer Planwirtschaft jedoch mehr und mehr in Bedrängnis. Die sowjetische Dominanz im Warschauer Pakt schwindet, als Führungsmacht ist Russland zunehmend überfordert. Nun nutzt auch die DDR, die sich wirtschaftlich ebenfalls in einer Schieflage befindet, ihren Handlungsspielraum. Das Honecker-Regime bemüht sich um eine Verbesserung der deutsch-deutschen Beziehungen und bekommt Hilfe aus der Bundesrepublik. Zusammen mit dem DDR-Staatssekretär Alexander Schalck-Golodkowski fädelt der bayerische Ministerpräsident Franz-Josef Strauß1983 einen Milliardenkredit an den "Arbeiter- und Bauernstaat" ein, 1984 stellt die Deutsche Bank der DDR einen weiteren, von der Bundesregierung garantierten Kredit in Höhe 950 Millionen D-Mark zur Verfügung. Auch Ungarn und Rumänien streben nach einer engeren wirtschaftlichen Kooperation mit dem Westen.

Nimm den Abschied nicht so schwer … - Das Ende des Warschauer Pakts

1985 wird der Warschauer Vertrag um weitere 20 Jahre verlängert, doch der Bündniszusammenhalt lässt längst zu wünschen übrig. Michail Gorbatschow, der neue Partei- und Staatschef der UdSSR, startet seine Reformvorhaben "Perestrojka" (Umgestaltung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens) und "Glasnost" (gesellschaftliche Offenheit). Doch was als Systemstabilisierung von oben gedacht war, entwickelt sich bald zu einer gesellschaftlichen Bewegung, die am Ende das Sowjetsystem mitsamt dem Warschauer Pakt sprengt. Gorbatschow will Spielraum für seine Wirtschaftsreformen gewinnen. Deshalb plädiert er für Rüstungsbegrenzung und bemüht sich um eine neue Entspannungspolitik.

Im Jahr 1989 fällt der Eiserne Vorhang, die Polen, Ungarn und Ostdeutschen kippen ihre kommunistischen Regimes. Bereits im Frühjahr 1990 ziehen die sowjetischen Truppen aus der Tschechoslowakei und Ungarn ab. Am 24. September 1990 tritt die DDR aus dem Warschauer Pakt aus und vereinigt sich wenige Tage später mit der Bundesrepublik. Den Abzug von 380.000 sowjetischen Soldaten und 220.000 Familienangehörigen aus Ostdeutschland bis Ende 1994 regelt ein Vertrag.

Zum 1. April 1991 werden die militärischen Strukturen des Warschauer Paktes liquidiert. Ende Juni treffen sich die Staatschefs der sechs verbliebenen Mitgliedsländer und beschließen die Auflösung des Bündnisses. Nüchtern und ohne Sentiment spricht der bulgarische Präsident Schelju Schelew von der "Beerdigung eines sehr alten Mannes, dessen Tod seit Langem erwartet worden ist".


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